Philipp Maderthaner: "Ich war immer absoluter Überzeugungstäter"

"Kanzlermacher" Philipp Maderthaner hat genug von der Politik und will nur noch Unternehmer sein. Ein Gespräch über den Reiz und den Schmerz beim Firmengründen. Und warum ihm Sebastian Kurz einst von der Selbstständigkeit abgeraten hat

von Wirtschaft - Philipp Maderthaner: "Ich war immer absoluter Überzeugungstäter" © Bild: Ricardo Herrgott/News
Philipp Maderthaner, 40. Der Niederösterreicher hat Internationale Betriebswirtschaft studiert und war von 2004 bis 2011 in der ÖVP in Niederösterreich und im Bund für diverse Kampagnen verantwortlich. 2012 gründete er sein Campaigning Bureau, das unter anderem den politischen Aufstieg von Sebastian Kurz begleitete. Seine Unternehmensberatung Business Gladiators Consulting ist auf Positionierung und Firmenkultur spezialisiert.

Sie treten vom Kampagnenmanager im Hintergrund immer mehr ins Rampenlicht, erst als Redner und jetzt in der Puls-4-Investorenshow "2 Minuten 2 Millionen". Was reizt Sie daran?
Das war mir so gar nicht bewusst, wird aber wohl daran liegen, dass ich zunehmend das mache, was ich wirklich bin. Ich war lange Jahre im Politikbetrieb, dabei war Politik nie meine Leidenschaft, sondern die Arbeit an Kampagnen. Da muss man nicht ins Rampenlicht. Meine wahre Leidenschaft ist aber das Unternehmertum. Das nach außen zu tragen, fällt mir deutlich leichter, weil ich daran wirklich glaube und dafür brenne.

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Und man muss sich als Unternehmer auch selbst bewerben?
Ich weiß gar nicht, ob es Bewerben ist. Ich war immer absoluter Überzeugungstäter, bin Unternehmer aus tiefster Überzeugung und freue mich über jede und jeden, der den Mut fasst, da reinzugehen und seine Ideen zu verwirklichen. Um Leute dabei zu unterstützen, teile ich etwas von mir.

In der Sendung geht es um Neugründer. Warum sollte jemand diesen Schritt tun?
Unternehmertum ist Unzufriedenheit. Viele Unternehmen entstehen aus einer Unzufriedenheit mit dem Status quo. Weil Dinge so laufen, wie sie laufen, weil es für etwas keine zufriedenstellende Lösung gibt. Bei manchen ist die Unzufriedenheit so hoch, dass sie sagen: "Dann gehe ich es selber an." Manche andere belassen es dabei, die Zustände fußballtrainermäßig zu kommentieren. Aber wenn Unzufriedenheit auf die Bereitschaft trifft, etwas zu tun, kann Großes entstehen.

Was spielt sich im Kopf ab, bevor der Unternehmerfunke überspringt?
Wenn man über Unternehmer liest, dann klingt das immer so blumig: "Finde deine Mission. Finde dein Warum." Daran scheitern viele. Die sitzen vor einem Blatt Papier, suchen ihre Mission, und es fällt ihnen nichts ein. Dabei kann auch Ärger ein super Antrieb sein. Mein erstes Unternehmen entstand aus wirklichem Ärger, dass sich Agenturen damals im Wesentlichen nur mit unendlich oberflächlicher Kommunikation beschäftigt haben. Aber Kampagne heißt für mich, Menschen zu bewegen und in Interaktion mit ihnen zu gehen. Mich hat das wirklich frustriert, wenn jemand nur bunte Plakate pickt und ein bissl Effekthascherei betreibt. Ich wollte zeigen, dass es auch anders möglich ist.

»Unternehmertum ist Unzufriedenheit. Wenn diese auf die Bereitschaft trifft, etwas zu tun, kann Großes entstehen«

Und anders heißt?
Dass Menschen bewegen mehr ist als "nur" zu kommunizieren. Um Menschen zu bewegen, muss ich wissen, wie ich mit ihnen interagiere, sie organisiere und emotionalisiere, damit sie selbst aktiv werden für eine Sache. Menschen als Teil der Lösung zu begreifen, als Botschafter zu entwickeln, ist mehr, als Plakate zu picken.

Ihr Freund Sebastian Kurz hat Ihnen damals davon abgeraten, ein Unternehmen zu gründen.
(Lacht.) Und ich habe ihm damals davon abgeraten, Staatssekretär zu werden. Eine Karriere als Berufsberater wäre für uns beide ausgeschlossen.

Dann stellt sich die Frage, was Sie jetzt für diese TV-Sendung qualifiziert.
Dass ich spüren kann, ob Menschen eine echte Leidenschaft haben und für eine Sache brennen. Ob sie den Biss haben, auch wirklich dranzubleiben. Die Idee oder das Produkt, das sie vorstellen, ist zweitrangig.

Was hat Kurz Ihnen denn damals geraten? In der ÖVP zu bleiben?
Nein. Ich glaube, einen Job in der Unternehmenskommunikation anzunehmen. Er hat sich wohl gedacht, dass es mich frustrieren könnte, wenig prestigeträchtig als Einzelunternehmer zu gründen und mit Laptop auf einem Plastiksessel zu arbeiten. Und da hätte er sicher auch recht gehabt, wenn nicht mehr daraus geworden wäre.

Wer hat Ihnen zugeraten?
Wenige. Auch, wenn es in meinem Freundeskreis Menschen gibt, die sagen, sie hätten immer gewusst, dass ich Unternehmer werde. Ich habe das nicht gewusst, bis ich gegründet habe. Aber es hat insofern wenig Zuspruch gebraucht, als ich mir gedacht habe, ich probiere es einfach, wenn es nicht funktioniert, muss ich mir halt wieder einen Job suchen. Ich habe gewusst, mein Erspartes reicht für acht bis zehn Monate. Wenn ich bis dahin finanziell irgendwie davonkomme, wird es was.

Sie hatten keine Angst vor dem Scheitern?
Aus einer gewissen Eitelkeit heraus natürlich schon. Man hat ja auch einen Ruf zu verlieren. Vor diesem Scheitern hatte ich mehr Angst als vor einem finanziellen Scheitern.

Man sagt den Österreichern ein besonders zynisches Verhältnis zum Thema Scheitern nach. Würde in diesem Land mehr gegründet werden, wenn das nicht so wäre?
Auf jeden Fall. Wir leben in einer Gesellschaft, in der jemand, der scheitert, zum Idioten abgestempelt wird. In den USA machen es manche Investoren sogar zur Voraussetzung, dass du schon einmal kräftig gescheitert bist, weil du dann einfach mehr weißt. Diese geistige Wachstumsorientierung, dass wir aus unseren Fehlern lernen, fehlt hier komplett. Das fußt auch auf einem gewissen Maß an Heuchelei, dass wir uns immer besser darstellen, als wir sind. Wenn man auf Instagram schaut: Alle führen das perfekte Leben, tolle Urlaube, im Job erfolgreich, beim Abnehmen sowieso und dazu die perfekte Beziehung. Dabei müssten wir alle im stillen Kämmerlein zugeben, dass wir nicht so perfekt sind. Und wir können zu einem anderen Klima beitragen, indem wir da alle ein bissl runtersteigen und versuchen, in unsere Echtheit zu kommen.

Unternehmer sein ist ja nicht immer nur super und das perfekte Leben. Wenig Freizeit, hohe Verantwortung. Wie viele Zweifel haben Sie Tag für Tag?
Zweifel gehören zum Geschäft. Die Kunst ist es, zu lernen, mit diesen Zweifeln umzugehen. Ich habe permanent Zweifel. Wenn man Unternehmer ist, geht jeden Tag mindestens eine Baustelle auf. Da sind wir wieder bei vermeintlicher Perfektion. Wer nach Perfektion strebt, wird als Unternehmer relativ schnell frustriert sein, weil es läuft einfach nicht die ganze Zeit rund. Du muss damit leben können, dass du jeden Tag dein Bestes versuchst und es dir nicht immer gelingt. Unternehmertum ist jeden Tag in irgendeiner Form Schmerz. Wenn du damit nicht umgehen kannst, wird es schwierig. Darum verstehe ich nicht, dass wir in Österreich herumjammern, es sei so schwierig, ein Unternehmen zu gründen. Wenn das für dich schon schwierig ist, dann ist es vielleicht eine gute Idee, nicht zu gründen. Denn wirklich schwierig wird es ja erst später.

Es gibt also auch Menschen, wo Sie sagen: "Lass es lieber"?
Ja. Wenn du erwartest, dass es leicht und schnell geht, würde ich dir empfehlen, es zu lassen. Denn die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass es lang dauert und hart wird.

Was war Ihr größter Fehler als Unternehmer?
Meine Fehler würden den Rahmen des Interviews sprengen. Ich habe zum Beispiel am Anfang nicht begriffen, dass Unternehmenskultur nicht nur nette Worte sind oder ein Mission Statement, das an der Wand pickt, sondern dass sie jeden Tag etabliert werden muss. Und ich habe gelernt, dass, wenn ich mich selbstzufrieden zurücklehne, das Geschäft nachlässt.

Den Punkt, wo es einfach läuft, gibt es nie?
Den gibt es nicht, weil sich die Welt jeden Tag weiterdreht. Und die Frage ist: Drehst du dich mit? Natürlich ist das der Traum von jedem, dass es irgendwann von selbst läuft. Aber es ist so: Du steckst dir ein Ziel -mehr Umsatz, mehr Mitarbeiter -, dann läufst du irgendwann über die Ziellinie und stellst fest: Du stehst schon wieder am Start des nächsten Levels. Wie in einem schlechten Computerspiel.

Was treibt Sie an? Mehr Umsatz, mehr Mitarbeiter wahrscheinlich nicht
Exzellenz. Wirtschaftlicher Erfolg ist die Konsequenz von Exzellenz. Ich bin dann extrem glücklich, wenn eine Präsentation so richtig herausragend ist und die Kunden positiv fassungslos im Sessel hängen.

»Die geistige Orientierung, dass wir aus unseren Fehlern lernen, fehlt hier komplett«

Wie oft passiert das?
Oft, Gott sei Dank. Im Wettbewerb ist es so: Früher hast du für sehr gute Arbeit sehr gute Bezahlung bekommen. Heute bekommst du für sehr gute Arbeit gute Bezahlung, für gute Arbeit durchschnittliche und für durchschnittliche Arbeit bekommst du gar nichts, weil die nimmt niemand mehr. Aber für herausragende Arbeit kannst du immer noch herausragende Preise erzielen. Da haben Digitalisierung und Globalisierung echt etwas verändert. Du kommst mit Durchschnitt nicht mehr davon. Jeder hat Zugriff auf die beste Qualität.

Was macht dieser Anspruch mit Ihren Mitarbeitern?
Es ist sicher fordernd, bei uns zu arbeiten. Aber ich kommuniziere das meinem Team auch total transparent. Diese Exzellenz ist kein Selbstzweck. Wenn du mit dem Mindset zu uns kommst: "Ich kann, was ich kann, und das wird sich auch nicht ändern", dann wirst du bei uns wahrscheinlich keine Freude haben.

Sie haben mehrere Unternehmen im Bereich Kampagne und Beratung gegründet. Gibt es eigentlich etwas abseits dieses Feldes, das Sie zum Gründen reizen würde?
(Denkt nach.) Ich habe irgendwann geglaubt, ich hätte gerne mal mein eigenes Hotel. Nachdem ich mittlerweile weiß, wie viel Arbeit und Hingabe das erfordert und wie großartig das andere machen, bin ich lieber Gast.

Verabschiedet haben Sie sich aus dem Feld der Politik. Gilt das auch, wenn Sebastian Kurz für einen nächsten Wahlkampf um Hilfe ruft?
Es ist allen Akteuren bekannt, dass ich sehr glücklich bin als Unternehmer und damit, das endlich ohne Ablenkung tun zu können. Dafür haben alle Verständnis, das ist also kein Thema mehr. Mein Campaigning Bureau führt ja weiter Wahlkämpfe. Ich bin bei uns nicht der Einzige, der das kann.

Dieses Interview erschien ursprünglich in der News-Ausgabe Nr. 35/21

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