Nationalratswahl 2019: So ist die Stimmung bei den Parteien

Grüne feiern "historischen Abend", ÖVP feiert, zermürbte Gesichter in FPÖ-Zentrale

Die Nationalratswahl 2019 ist geschlagen, die ÖVP und die Grünen sind die großen Gewinner, während die SPÖ und die FPÖ herbe Verluste hinnehmen mussten. Die Neos feiern, bei der Liste Jetzt zeigt man sich natürlich enttäuscht. So reagiert man in den jeweiligen Wahlkampfzentren. Sebastian Kurz zeigte sich "sprachlos", Werner Kogler gab sich defensiv und Rendi-Wagner sagte, sie sei "nicht zufrieden", es sei "nicht das, was man sich gewünscht habe."

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    Die ÖVP war der große Sieger des Abends. Sie wurde klar auf Platz eins gewählt.

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    ÖVP-Chef Kurz zeigte sich in einer ersten Dankesrede "fast sprachlos".

Tosender Jubel bei den Grünen

Mit tosendem Jubel haben die Grünen in ihrem Wahlzentrum im zum Bersten vollen Wiener Metropol am Sonntagnachmittag die Hochrechnung zur Nationalratswahl aufgenommen. Die erwarteten 14,3 Prozent Stimmanteil der Grünen laut SORA, aber auch die prognostizierten Verluste für die FPÖ, sorgten für Hochstimmung.

"Es ist ein historischer Abend für die österreichischen Grünen", kommentierte Wahlkampfleiter Thimo Fiesel gegenüber Journalisten die Hochrechnung: "Das ist das größte politische Comeback der Zweiten Republik." Man werde nun ausgiebig feiern, alles weitere werde sich in dem kommenden Wochen erst zeigen.

Bezüglich möglicher Koalition gab sich Fiesel zurückhaltend. In erster Linie sei nun die ÖVP unter Sebastian Kurz am Zug. An den inhaltlichen Differenzen mit den Grünen habe sich da nichts geändert, erinnerte er.

"Werner! Werner! Werner"-Rufe

Werner Kogler selbst wurde mit frenetischem Jubel in der Wahlzentrale empfangen. Dort sprach er von einem "Sunday for Future". In Richtung ÖVP, dem zweiten Sieger der Wahl, zeigte er sich nicht konziliant, ganz im Gegenteil: Er höhnte über die "Sektenmitglieder des Kanzlerdarstellers".

Rede wollte Kogler, wie üblich in blauem Hemd und mit grüner Brille auf der Stirn, eigentlich keine halten. Nachdem die "Werner! Werner! Werner!"-Sprechchöre abgeebbt waren, legte er aber umgehend los. Der Auftrag laute, Österreich zu einem Umwelt-, Klimaschutz-und Naturschutzland Nummer 1 zu machen, und das mit der notwendigen sozialen Absicherung. Dafür sei man gewählt und gestärkt worden, ebenso wie für große Schritte Richtung Korruptionsfreiheit. "Wir werden das, ganz egal an welcher Stelle, umsetzen."

Die Grünen wollten eine "solidarische Gesellschaft freier Menschen in einer intakten Umwelt". Dafür habe man die Partei fast neu gegründet. "Jetzt wollen wir etwas in diese Richtung bewegen. Ja, da haben wir was zu tun."

Österreich könne dabei Vorbild für viele sein. Kogler erinnerte daran, dass man sich innerhalb zweier Jahre vom absoluten Tiefpunkt zurückgearbeitet habe. Nicht nur in Österreich: Auch in ganz Europa sei man nun wieder die stärkste Grünpartei.

Damit sei auch bei den europäischen Grünen eine Alternative "gegen diesen rechtsextremen Wahnsinn, gegen Mitteparteien, die sich zumindest rechtspopulistisch verhalten" im Entstehen. Kogler sprach von der vergangenen ÖVP-FPÖ-Koalition als "blau-blaue Bundesregierung" in Österreich.

Dass man in der ÖVP nun vielleicht mit den Grünen koalieren wolle, war für ihn Anlass für Spott. "Alle die, die die christlichen Grundsätze verschüttet haben, vielleicht graben sie." Die Grünen wollten jedenfalls das "strengste Transparenz- und Parteiengesetz in Europa". Fraglich sei, wie die ÖVP auf eine solche Initiative reagiere: "Dann werden wir ja sehen, wie sich die Sektenmitglieder des Kanzlerdarstellers verhalten."

Im Interview mit dem ORF zeigte er sich dann doch gemäßigter. Jetzt gehe es einmal um Gespräche über die Sinnhaftigkeit, überhaupt an Verhandlungen zu denken. Dann müsste sich jedenfalls etwas radikal ändern gegenüber dem türkis-blauen Kurs.

Man nehme den Auftrag der Wähler - "egal an welcher Stelle" - jedenfalls an, so Kogler. Die Devise laute "immer schön am Boden bleiben". Kogler: "Von diesem Boden werden wir versuchen, Speerspitze in Europa zu sein für eine gerechtere und ökologischere Welt. Das ist ja schon was."

Dass die Ausgangslage für die Grünen angesichts der "Fridays for Future" diesmal besonders gut gewesen sei, gestand die Wiener Grünen-Frontfrau Birgit Hebein vor Journalisten ein. Das Entscheidende sei aber: "Jetzt ist der Klimaschutz im Nationalrat."

Ex-EU-Mandatar Michael Reimon bezeichnete das prognostizierte gute Ergebnis als "schwer zu realisieren", vor allem wenn man sich an die Niederlage vor zwei Jahren erinnere. Auf eine Regierungsbeteiligung setzte er keine großen Hoffnung. Die ÖVP bekomme die FPÖ als Partner derzeit "spottbillig" und werde wohl nicht auf ein grünes Klimaschutzpaket eingehen.

ÖVP feiert: "Kanzler Kurz"-Sprechchöre

Die ÖVP bejubelt den sich abzeichnenden Wahlerfolg. "Heute ist ein historischer Tag für die Volkspartei", sagte Generalsekretär Karl Nehammer am Sonntag vor jubelnden Fans in der Parteizentrale. Auf Koalitionsvarianten wollte er sich nicht festlegen. Er strich insbesondere den historischen Vorsprung auf die zweitplatzierte SPÖ heraus.

"Heute ist einmal der Tag von Sebastian Kurz und der Volkspartei, dann ist der Bundespräsident am Zug und dann werden Gespräche stattfinden. Dann werden wir sehen, mit wem man am besten eine Regierung bilden kann", sagte Nehammer, von lauten "Kanzler Kurz"-Sprechchören übertönt.

Kurz "sprachlos"

- ÖVP-Spitzenkandidat und Altkanzler Sebastian Kurz hat sich am Sonntag vom Ergebnis der Nationalratswahl "überwältigt" gezeigt. Er habe "definitiv" nicht mit einem Ausgang in dieser Höhe gerechnet, sagte er in der ÖVP-Wahlzentrale im Kursalon Hübner.
Er sei "unendlich dankbar" und nehme das "Vertrauen mit Demut" an. Die vier Monat seit der Abwahl seien "schwer" gewesen, so Kurz vor seinen Anhängern. Jetzt habe die Bevölkerung die ÖVP aber eindrucksvoll zurückgewählt.
"Mir fehlen die Worte und ich bin selten sprachlos", erklärte Kurz vor seinen Anhängern. Der Spitzenkandidat dankte in seiner kurzen Ansprache den ÖVP-Landeshauptleuten, den Bünden und den Funktionären für ihre Unterstützung in den vergangenen Wochen.

Bierlein gratuliert Kurz

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat dem Wahlsieger, ÖVP-Chef Sebastian Kurz, am Sonntag gratuliert. "Ich gratuliere dem Spitzenkandidaten der stimmenstärksten Partei, Sebastian Kurz, und spreche ihm und allen Kandidatinnen und Kandidaten meine Anerkennung für ihren intensiven persönlichen Einsatz in den vergangenen Wochen aus", so Bierlein in einer Aussendung.

Außerdem sagte Bierlein zu, die Amtsgeschäfte bis zur Angelobung einer neuen Bundesregierung nach bestem Wissen und Gewissen weiterführen zu wollen und eine "alle notwendigen Vorbereitungen für eine professionelle Übergabe der Amtsgeschäfte" zu treffen.

SPÖ: Keine personellen Konsequenzen

SP-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda hat ÖVP und Grünen am Sonntag zum Wahlerfolg gratuliert. "Es gibt am heutigen Abend zwei klare Wahlsieger, die Grünen und die ÖVP, das ist neidlos anzuerkennen", so Drozda im ORF. Personelle Konsequenzen bei der SPÖ werde es nicht geben, glaubt der rote Parteimanager.

"Wir haben uns ein besseres Ergebnis erwartet", gestand Drozda ein. Man müsse aber noch die Auszählung der großen Städte abwarten. Ob die SPÖ in Regierungsverhandlungen eintreten will, sagte Drozda nicht. "Der heutige Abend ist der Wahlabend und das ist kein Abend der Koalitions- oder Sondierungsgespräche." Drozda geht aber davon aus, dass ÖVP-Chef Sebastian Kurz den Auftrag zur Regierungsbildung erhält.

»Selbstverständlich wird Rendi-Wagner weiter Parteichefin bleiben«

Auch der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried hat sich klar gegen eine Obfrau-Debatte ausgesprochen. "Selbstverständlich wird sie (Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, Anm.) weiter Parteichefin bleiben", sagte er vor Journalisten. Sie habe einen "beherzten Wahlkampf" geführt.

Dank Rendi-Wagner sei die SPÖ immerhin nicht unter 20 Prozent gelegen, wie es manche Umfragen vorausgesagt hätten. "Es ist ein enttäuschendes Ergebnis", sagte Leichtfried. Die SPÖ habe eine türkis-blaue Mehrheit verhindern wollen, das sei nicht gelungen.

Rendi-Wagner: "Dieser Weg geht weiter"

Rendi-Wagner selbst sah trotzdem "die richtigen Themen", die im Wahlkampf gesetzt wurde. Sie dankte all ihren Helfern und allen Wählerinnen und Wählern. Dennoch sei sie auch "nicht zufrieden", es sei nicht das, "was wir uns gewünscht haben". Dennoch werde man diesen Weg weiter gehen, so die SPÖ-Chefin.

Dornauer fordert "Kurskorrektur"

Der Chef der Tiroler Sozialdemokraten, Georg Dornauer, hat eine "Kurskorrektur" als erste Reaktion auf die Hochrechnung zur Nationalratswahl gefordert. Offenbar habe die SPÖ im Wahlkampf nicht überzeugen können, daher müsse die Partei "ohne Scheuklappen und Tabus" das Ergebnis besprechen, sagte er im APA-Gespräch. Trotz der Stimmeneinbußen will Dornauer, dass die SPÖ künftig mitregiert.

»In der SPÖ muss sich was ändern«

"In der SPÖ muss sich was ändern", sagte Dornauer. Trotz guter Arbeit im Nationalrat, habe man kein besseres Ergebnis erzielen können. Auch junge Wähler zu gewinnen und der FPÖ "nach dieser skandalträchtigen Zeit" Wähler abzuwerben sei nicht gelungen. "Die SPÖ hat die Wahl verloren", meinte er.

Eine Regierungsbeteiligung war für den Tiroler SPÖ-Chef aber nicht vom Tisch: "Ich strebe in Tirol in Richtung Regierung und natürlich auch im Bund", sagte Dornauer. Für eine türkis-rote Koalition wollte er sich - im Gegensatz zum Wahlkampf - nicht mehr klar aussprechen. "Das muss man neu bewerten", meinte er. Es sei "immer wichtig, auf Augenhöhe" Gespräche zu führen. Er wolle jedenfalls nicht "gemeinsam mit der FPÖ auf der Oppositionsbank sitzen".

Eine Debatte um die Parteichefin Pamela Rendi-Wagner will Dornauer nicht führen: "Das ist das einzige, das sich Kurz jetzt wünscht".

Schieder will Ergebnis "nicht schönreden"

Auch der SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Andreas Schieder, wollte das Ergebnis der SPÖ bei der Nationalratswahl "nicht schönreden". Das schlechte Abschneiden gebe der Partei "leider nicht die Kraft, unsere Politik im Nationalrat wie gewünscht zu vertreten". Seiner Meinung nach wäre es aber wichtig, weiterhin inhaltliche Konzepte vorzulegen. In Zukunft müsse sich die Partei öffnen, forderte Schieder. Sie müsse lebhafter werden - es gebe aber "genügend junge Leute in der Partei, die an eine positive Veränderung glauben".

Zermürbte Gesichter bei der FPÖ

Bei den Freiheitlichen ließ Generalsekretär Harald Vilimsky aufhorchen, als er forderte, "neue Gesichter in verantwortungsvolle Rollen zu holen". Verhalten ist der Applaus in der FPÖ-Zentrale beim Bekanntwerden einer Hochrechnung selten ausgefallen: Durchwegs zermürbte Gesichter machten jene Funktionäre, die zumindest erschienen waren, auf der kleinen Bühne im ebenso überschaubar großen Medienzentrum der Freiheitlichen. Zumindest Generalsekretär Harald Vilimsky kam, um die erste Hochrechnung vor den Kameras zu kommentieren.
Bis zu Vilimskys Auftritt waren die prominentesten Vertreter, die sich vor die Kameras trauten, die beiden Bundesgeschäftsführer Joachim Stampfer und Hans Weixelbaum. Hinter verschlossenen Türen waren neben den beiden Listenersten, Parteichef Norbert Hofer und Herbert Kickl, etwa Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp.
Das Feiern wollen sich die Blauen trotz des desaströsen Ergebnisses nicht verbieten lassen. Die Wahlparty Sonntagabend in der "Prater Alm" sollte dennoch stattfinden. Dort wird auch - zu späterer Stunde - die Parteispitze erwartet.

NEOS "erfreut"

NEOS-Generalsekretär Nick Donig sieht für seine Partei "ein erfreuliches Ergebnis" bei der Nationalratswahl. Das Ziel sei es gewesen, in Richtung 8 Prozent zu kommen, diesen Pfad hätten die NEOS eigeschlagen, sagte Donig. Er sprach vom "besten Ergebnis einer liberalen Partei in Österreich".

Im Vergleich zur Wahl vor zwei Jahren hätten die NEOS fast um 50 Prozent an Stimmen zugelegt. Dieses Wachstum ist für Donig "sehr erfreulich".

Auch NEOS-Spitzekanidatin Beate Meinl-Reisinger hat sich vor ihren Anhängern über den Wahlerfolg gefreut. "Eines ist klar: es ist in der Geschichte Österreichs das beste Ergebnis für eine liberale Partei", sagte die Parteichefin bei der Wahlparty im Wiener Volksgarten.

»Eine Fortsetzung von Türkis-Blau darf es nicht geben«

Eines sei nach dieser Wahl "sonnenklar": "Eine Fortsetzung von Türkis-Blau darf es nicht geben", so Meinl-Reisinger unter tosendem Applaus ihrer Anhänger.
Dass die Pinken dazugewonnen haben trotz des starken Ergebnisses der Grünen und der ÖVP zeige, so Meinl-Reisinger, dass wir die Meinungsforscher Lügen gestraft haben. "Wir bedeuten Österreich etwas und das wird auch in Zukunft so bleiben."

Enttäuschung bei der Liste JETZT

Enttäuschung herrschte bei der Liste JETZT nach dem Bekanntwerden der ersten Ergebnisse der Nationalratswahl. Trotzdem wolle man weitermachen, so Bundesgeschäftsführerin Herta Emmer zur APA. In welcher Form, werde man bei Gremiensitzungen am Montag entscheiden.

"Für uns ist die Wahl zu früh gekommen nach all den Kinderkrankheiten", so Emmer. Trotzdem sei es richtig gewesen, die Neuwahl anzustreben. "Es war einfach nicht mehr haltbar, dass diese FPÖ in der Regierung ist." In der kurzen Zeit habe einfach keine Bewegung in der nötigen Größenordnung entstehen können. "Wir sind mitten im Wachstumsprozess erwischt worden."

"Wir wussten natürlich, dass es in beide Richtungen gehen kann", meinte Emmer. Nun habe das Pendel in die Richtung der unteren Erwartungen ausgeschlagen. "Das heißt aber nicht, dass das das Ende ist." Es brauche eine ordentliche linke Politik in Österreich.

Für den heutigen Wahlabend bzw. die nächsten Tage hoffe man noch auf ein besseres Ergebnis: Es seien immerhin noch eine Mio. Wahlkarten unterwegs, auch die Städte seien noch nicht voll ausgezählt.