Doch da haben die Wählerinnen und Wähler einfach nicht mehr mitgemacht. Es ist davon auszugehen, dass die wenigsten mit der Person Christian Kern ein Problem hatten, auch wenn der Typus Politiker, den er darstellt, vermutlich vergleichsweise wenig Identifikationspunkte mit dem klassischen SPÖ-Wähler, dem Stahlarbeiter oder der Sekretärin, bietet.
SCHNELLE MEINUNGSÄNDERUNG
Doch Kern hatte zu Beginnzeiten als SPÖ-Parteichef nicht nur Slim fit-Anzüge, sondern auch Visionen – die ihm von der Partei – offenbar schnell ausgetrieben wurden. Wie das so schnell geschehen konnte, wird vermutlich ein Mysterium bleiben: Wie kann jemand eine verrottete politische Kultur voller Inszenierungen geißeln und wenige Monate darauf mitten drinnen stecken?
Vermutlich hat Kern auch einfach nur viel zu viele Zeichen falsch gedeutet: Warum nicht gleich nach der Übernahme der Partei Neuwahlen ausrufen? Warum nicht während der Koalitionskrise Anfang Jänner die Regierungszusammenarbeit frühzeitig beenden? Warum in dieser ganzen Zeit keinen absolut wasserdichten Wahlkampf-Plan entwerfen? Warum darauf warten, dass all das der politische Mitbewerb tut, der in der darauffolgenden Wahl- und Schlammschlacht mit einem Politprofi mit jugendlichem Gesicht reüssieren kann?
Die im Wahlkampf folgenden Skandale rund um ausländische Berater und falsche Homepages waren dabei nur das Tüpfelchen auf dem I.
FUTTERTRÖGE DER MACHT
Die Krise des Christian Kern ist aber auch die Krise der SPÖ. Dieses Mal reicht es nicht, wieder einmal den Vorsitzenden auszuwechseln und ein paar Jahre in der Opposition auszusitzen, bis man wieder an die Futtertröge der Macht heran kommt.
Dieses Mal ist tatsächlich eine Strukturreform gefragt, um auch nur annähernd wieder an die gleiche Zahl an Zustimmung und Stimmen zu kommen wie auch nur 2013. Wenn das überhaupt ausreicht.
Dafür ist aber auch ein Umdenken der Personen nötig, die noch an den Schalthebeln der Sozialdemokraten sitzen. Christian Kern ist es vermutlich nicht mehr. Die anderen sollten jedoch zumindest versuchen, ihre eigene politische Zukunft zu retten.