50 Jahre Austropop:
Protagonisten & Geheimnisse

Warum Austropop zum Jubiläum wieder Trend ist, erklärt Musikexperte Andy Zaharadnik. Stars wie Marianne Mendt, Opus und andere erinnern sich

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Musik - 50 Jahre Austropop:
Protagonisten & Geheimnisse

Vom Zeitgeist-Trend zum Schimpfwort und zurück. In den vergangenen 50 Jahren hatte Austropop ebenso viele Gesichter wie Aggregatszustände. "Das ist schon in Ordnung, es so zu nennen. Es heißt doch nichts anderes als österreichische Popularmusik", sagt Marianne Mendt, die Frau, die als Mutter des Austropop erachtet wird, ganz nüchtern. Zumindest darüber herrschte stets Einigkeit, auch wenn über den Begriff und was er meint oder nicht leidenschaftlich diskutiert wurde.

Mit dem Lied "Wia a Glock'n" aus dem Jahr 1970 beginnt die Zeitrechnung, die das Jahr 2020 zum Jubiläumsjahr für Musik aus Österreich macht. "Begonnen hat die Entwicklung dieser Dialektlieder freilich schon davor mit Bands wie Madcaps und dem Lied ,Der Schneemensch' oder Worried Men Skiffle Group und dem umweltkritischen ,Der Mensch is a Sau'. Aber mit Marianne Mendt ist ein Dialektsong zum ersten Mal auf eine breite mediale Ebene gehoben worden", erklärt Autor und Musikexperte Andy Zahradnik. Der 62-Jährige zählt wie Mr. Hitparade Udo Huber zur Fraktion, für die der Startschuss in den Austropop erst mit Wolfgang Ambros fiel. Dank seinem Hit aus dem Jahr 1971, "Da Hofa", gilt Ambros als Vater des umstrittenen Musikgenres. "Da hat es so richtig gescheppert: Es geht um Lynchmob und eine Leiche", erinnert sich Zahradnik und erzählt, wie die Single sofort in Gerhard Bronners Plattengeschäft in der oberen Donaustraße gekauft wurde. "Es war das Lied, über das alle in der Schule geredet haben", bestätigt Udo Huber die Naturgewalt des Titels.

Zum 50-Jahre-Jubiläum teilen Protagonisten und prägende Figuren des Austropop ihre Erinnerungen. Andy Zahradnik hat jahrzehntelang in der Plattenindustrie bei CBS und später Sony, sowie als Ermittler der österreichischen Charts und Autor mit ihnen gearbeitet. Er zeichnet im Gespräch mit News die wechselhafte Historie des leidenschaftlich geliebten wie gehassten Austropop nach.

Wiens Underground hieß "Hofa"

Die Schöpferin des Begriffs, Moderatorin Evamaria Kaiser, verstarb 1994. Sie machte sich in den 60er-Jahren in ihrer Sendung "Gut aufgelegt" und später in "Showchance" für heimische Talente stark und nannte alles Austropop. Gemeinsam war ihnen am Anfang vor allem, dass sie im Dialekt sangen und meist einen provokanten, später auch schräg-humorigen Text lieferten. "Das war unsere Sprache. Das war anders, unkorrekt, provokant, mit einem Wort: Underground", erinnert sich Zahradnik, ein waschechter "Leopoldstädter", sprich: aus dem zweiten Wiener Bezirk. Argumente, die Wurzeln des Austropop schon bei Helmut Qualtinger oder Piron und Knapp zu verorten, lässt er nicht gelten. Die seien aus dem Kabarett gekommen und wären nicht dem Popgenre zuzuordnen, meint er.

Was sich eine Zeitlang unbeachtet von der Welt entwickelt hatte, bekam Anfang der 70er-Jahre mit dem neuen Radiosender Ö3 eine breite mediale Plattform, die den Trend über die kommenden zwei Jahrzehnte maßgeblich potenzierte. "Ö3 war damals sehr wichtig für den Austropop. Hits wie ,Romeo und Julia' von Carl Peyer oder von STS wurden dort gemacht", sagt Zahradnik. Einst begleitete er Peyer als Plattenfirmen-Mann zum Sender und erinnert sich, wie der dort von einer Redakteurin ein spontanes Busserl als Dankeschön für das Liebeslied bekam. "Weil Dialekttexte einfach viel näher gehen und berühren als hochdeutsche Sprache. Das war die Magie des Austropop."

Dem Trend folgte die Rebellion dagegen. In den 80ern wollte keiner der prosperierenden Künstler wie Ludwig Hirsch, Hansi Lang oder Boris Bukowski in die Austropop-Schublade gesteckt werden. Der Titel bekam zunehmend Schwierigkeiten, zumal die Künstler in ihrem musikalischen Schaffen auch nur noch schwer unter einen Hut passten. "Zuletzt waren ja auch die englisch singende Band Opus oder die italienisch singende Etta Scollo Austropop", beschreibt Zarahdnik wie der Begriff verwässerte und zunehmend zum Schimpfwort verkam.

Erfolg baut auf der Durststrecke

Ende der 90er-Jahre verloren heimische Musiker überhaupt ihre frühere Ö3-Spielweise, als der Popsender sich mit der Umgestaltung seines Programmes auf den Fall des Radiomonopols vorbereitete. "Natürlich hat diese Durststrecke für den Austropop auch mit der Kommerzialisierung der elektronischen Medien zu tun. Seit 1998 sind Radiosender ein Geschäft und verdienen Geld. Das hat die Wettbewerbssituation für Ö3 völlig geändert"

Der Musikexperte meint, diese Durststrecke habe der heimischen Popszene gut getan. Mehr noch: Dass jetzt eine neue Generation von Popkünstlern wie Seiler & Speer, Wanda oder Bilderbuch aus Österreich ihre Musik wieder zum Exportschlager macht, wäre anders vielleicht gar nicht möglich gewesen. "Sie hatten die Möglichkeit, in einem Biotop unbeachtet zu wachsen. Das war gut. Steht man zu früh im Rampenlicht, ist man auch schnell wieder weg. Es braucht Zeit, ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln. Da müssen Künstler über die Blutwies'n, auf Wienerisch gesagt."

Die ausgetretenen Pfade der Legenden aus den 70ern erachtet Zahradnik auch für heutige Künstler als wichtig. "Es ist ja kein Zufall, dass Nino aus Wien Lieder von Georg Danzer singt oder Vodoo Jürgens Sachen vom Ludwig Hirsch. Natürlich war das auch für sie wichtig, was vor 50 Jahren passiert ist." Eine Generation sei das, die sich wieder zum Austropop bekennen könne und seine Merkmale teilt: Provokation, Dialekt, Schmäh.

50 Jahre des Lebens für und mit Musik haben ihn vor allem eines gelehrt. "Unterschiedliche Musikgeschmäcker zu akzeptieren! Sich zu überhöhen, indem man auf eine Musikgattung schimpft, hat nichts demokratischer Gesinnung zu tun. Das lehne ich ab. Es gibt keine gute und schlechte Musik. Es gibt verschiedene Geschmäcker. Musik soll Menschen glücklich machen, nicht entzweien." Gottlob bietet zum Jubiläum zumindest der Begriff Austropop keine Angriffsfläche.

50 Jahre Austropop - Heute & Gestern gibt es hier*

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UDO HUBER

»'Da Hofa' war DER Aufreger, das Lied, über das in der Schule alle gesprochen haben«

Radiomoderator Udo Huber tat 15 Jahre lang kund, welche Lieder Österreich liebt: So lange moderierte er auf Ö3 die österreichische Hitparade sowie zehn Jahre lang im ORF die Chartshow "Die Großen Zehn". "Noch heute rufen mir Leute auf der Straße die Telefonnummer entgegen: 656731", erzählt Huber (Anm.: Die Telefonnummer zur Wahl eines Hits auf Ö3)."Aber es gibt schlimmere Schicksale, als ewig Mr. Hitparade zu sein. Die Fernsehsendung war nach sechs Jahren noch ein Hit mit über einer Million Zusehern. Nur die ,Zeit im Bild' und ,Dallas' lagen drüber." Das Austropop-Jubiläum würde der 65-jährige Huber lieber erst 2021 zum Jahrestag von "Da Hofa" feiern, meint er im Austropop Podcast. "Die ,Glock'n'ist eine Produktion nach altem Stil mit großem Orchester. Kein Aufreger wie ,Da Hofa'. Das war das Lied, über das wir alle in der Schule gesprochen haben. Für mich der Beginn des Austropop. Dann kamen Peter Cornelius, Georg Danzer und Arik Brauer." Am 1. November 1981 übernahm Huber das Hitparaden-Mikro von Hans Leitinger. "Die erste Nummer eins, die ich anmoderiert habe, war von ,Tainted Love' von Soft Cell. Österreicher waren damals oft in der Wertung. Ich erinnere mich auch an prägende Diskussionen um ,Motorboot' von der steirischen Band KGB. Können wir das spielen? Steirische Bands waren stark vertreten, etwa Ecco mit ,Hexen Hexen', EAV, Opus, STS." Gern denkt Huber an ungewöhnliche Gäste seiner Sendung wie Udo Jürgens, der ihn nicht nur zum Essen, sondern auch auf eine Flasche Wodka einlud, die sie gemeinsam bis frühmorgens leerten. Und viele Nächte mit Falco. "Einmal haben wir uns zufällig in den frühen Morgenstunden im Schlossberg Hotel in Graz getroffen und hatten beide noch Durst. Der Rollladen der Hotelbar wurde geöffnet. Die Dinge nahmen ihren Lauf. Am Morgen stolperten die ersten Gäste am Weg zum Frühstück über Falco. Er hatte sich zum Schlafen in den Perserteppich vor der Bar eingerollt."

MARKUS SPIEGEL, FALCO-ENTDECKER

»Was beim Lied ,Der Kommissar' funktioniert hat, war der Kinderreim«

Es war 1979, als Plattenlabelchef Markus Spiegel den damals 22-jährigen Falco entdeckte. "Er war Bassist bei einem Konzert der Gruppe Drahdiwaberl in den Sofiensälen. Die Band war ein Geheimtipp und hat nur zwei-bis dreimal im Jahr gespielt. Da stand er, fesch wie der junge Alain Delon. Dann trat er hervor und sang ,Ganz Wien'. Ich habe mich sofort verliebt, auf die Art, wie ich einen Künstler mögen muss, damit ich ihn glaubhaft vertreten kann", erzählt Spiegel. Ein Vertrag über drei Alben wurde unterschrieben, Produzent Robert Ponger bot Falco eine Komposition an, die Reinhold Bilgeri zuvor abgelehnt hatte: "Der Kommissar"."Wir haben lange diskutiert und es schließlich als Doppel-A-Single herausgebracht zusammen mit ,Helden von heute'. Was beim ,Kommissar' funktioniert hat, war der Kinderreim. Diese Einfachheit ist das Merkmal jedes Hits, auch abseits von Falco." Für den Künstler waren Weg und Image klar, als er Spiegel traf. "Die Kunstfigur hatte er bereits. War er Falco, war er unausstehlich, wenn er Hans war, war er ein außergewöhnlich sensitiver, gescheiter Mensch. Er hat als erster den lokalen Akzent bedient und gleichzeitig Anglizismen. Von dieser Nichtzuordnebarkeit hat er auch gelebt, und für die Musikindustrie ist es wunderbar, jemanden zu haben, der einzigartig ist und in keine Schublade passt." Als Falco 1998 bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik ums Leben kam, erfuhr Spiegel es aus dem Radio. "Drei Tage zuvor haben wir telefoniert. Er hat mir ,Out of the Dark' vorgespielt und wollte meine Meinung dazu hören. Die Zeile ,Muss ich denn sterben, um zu leben' hat mich nicht überrascht, weil der Tod zeitlebens ein Thema war für ihn. Beim Blödeln hat er oft gesagt: Nur tote Künstler sind gute Künstler, gell? Über den Tod hat er dauernd gesprochen wie der sprichwörtliche Wiener, der ständig mit dem Tod hadert. Für mich war es auf jeden Fall ein Unfall."

EWALD PFLEGER, OPUS

»Bei der Bandprobe haben wir von der Nummer eins erfahren. Dann sind wir auf ein Bier gegangen«

Die steirische Band Opus hatte schon elf Jahre auf dem Buckel, als ihr mit "Live is Life" einer der größten internationalen Austropop-Hits gelang. "Die Deutschlandtour hatten wir schon davor gebucht. Wir probten gerade, als wir die Nachricht bekamen, dass wir dort Nummer eins sind. Dann sind wir auf ein Bier gegangen. Im Sommer waren wir Platz fünf in Großbritannien, ein Jahr später waren wir in den USA mit Stevie Nicks auf Tour. In Mexiko waren wir Platz eins der Charts vor den Dire Straits. In Chile haben wir ein Riesenfestival gespielt. Lateinamerika ist bis heute ein Hauptmarkt für uns, das sehen wir an den Youtube-Zugriffen", erzählt Gitarrist Ewald Pfleger, 65. Durch die langen Bandjahre davor sei es einfach gewesen am Boden zu bleiben, meint er. "Natürlich hätten wir uns einen Nachfolgehit gewünscht, aber wir wollten unsere Musikalität ausschöpfen und nicht nur Partymusik machen." Als englischsprachige Band hoben sich Opus von der Austropopszene ab. "Die Sprache hat besser zu unserer Musik gepasst. Aber ich habe kein Problem, wenn uns jemand als Austropop bezeichnet. Popmusik aus Österreich kann man so nennen." 36 Jahre nach "Live is Life" haben Opus für 2021 ihren Abschied angekündigt. "Wir haben sehr lange an unserem neuen Album gearbeitet, es sind auch ältere Nummern drauf, viele Schmankerl für Fans, deshalb heißt es ,Opus Magnum', unser Abschiedswerk. Das hat auch damit zu tun, dass der Beruf für Herwig (Anm.: Sänger Rüdisser) nach seiner Herzoperation anstrengender wird, obwohl er singt wie eh und je. Wir sind voll gut drauf und wollen nicht warten, bis das anders wird." Mit einer Tour und einem letzten Konzert -traditionell in der Grazer Oper -feiern Opus 2021 Abschied.

MARIANNE MENDT

»In Wien bin ich wegen der ,Glock'n' als Dialektsängerin beschimpft worden«
© ullstein bild via Getty Images

Marianne Mendt, gebürtige Krupicka, war 25 Jahre alt, als sie mit dem Lied "Wia a Glock'n" zur Mutter des Austropop wurde. "Dieser Titel ist ja nicht meine Erfindung, aber es ist in Ordnung. Es heißt ja nichts anderes als österreichische Popularmusik", sagt Mendt. Davor war sie als Bassistin der Band "Internationals" quer durch Europa getourt. Anstrengend war die Zeit, aber schön, erzählt sie: "Wir haben in Abendclubs wie beim Werzer in Pörtschach die amerikanischen Standards gespielt, aber auch Roy Black, Paul Lincke und Robert Stolz, was die Leute halt hören wollten. Der erste Auftritt war zum Fünf-Uhr-Tee und dann wieder am Abend. Wir haben in irgendwelchen Absteigen gewohnt. In Paris wollten wir am Montmatre wohnen, das war dann ein Stundenhotel! Vorne ein Puff, hinten unsere Zimmer. Nach ein paar Jahren ist mir alles auf die Nerven gegangen und ich bin ich ausgestiegen." Noch bevor Mendt eine eigene Band gründen konnte, lernte sie Gerhard Bronner kennen, der für sie den Text zu "Wie a Glock'n" schrieb. Für das Lied, das sie in Wiener Mundart sang, wurde sie vor allem in Wien arg angefeindet. "Ich bin als ordinäre Dialektsängerin beschimpft worden. Aber westlich von Wien war es besser, da wurde ich als Exotin bis nach Zürich herumgereicht. Die haben zwar kein Wort verstanden, fanden die Sprache aber niedlich. Als der deutsche Sender ARD mit mir am Naschmarkt drehen wollte, habe ich mit schwarzer Perücke und Sonnebrillen die Leute interview: Was halten sie von Dialekt und Marianne Mendt?, habe ich gefragt. Herausgekommen ist: Im Wienerlied mögen sie den Dialekt, aber was die Mendt macht, finden sie furchtbar." Als Kampf empfand die 75-Jährige die Zeit nicht. "In den 70er Jahren war ich als Frau zehn Jahre lang allein, erst in den 80ern kam die großartige Steffi Werger und die wunderbare Maria Bill. Wenn es schwierig war, habe ich's vergessen. Ich bin so froh, dass ich mit dem, was ich am liebsten mache, mein Leben bestreiten kann. Ich mach weiter, bis ich umfall'!" Mendt war 59 Jahre alt, als sie ein Jazzfestival gründete, seitdem hilft sie jungen Talenten wie Ina Regen auf den Weg. "Den Jungen möchte ich sagen: Habt's Visionen! Das Leben ist spannend! Man muss halt auch was tun dazu..."

BLACKY SCHWARZ, GEORG-DANZER-MANAGER

»Georg war vorsichtig, hat Menschen lange gescannt, bevor er sie näher kommen ließ«

Drei Jahrzehnte lang war Franz Christian "Blacky" Schwarz mit Georg Danzer befreundet, 18 Jahre lang sein Manager. Vor Danzer lernte er Wolfgang Ambros - noch vor dessen Durchbruch -kennen. "Ich habe Gastronomie gelernt und 1972 im Hotel de France in der Wiener Innenstadt gearbeitet. Ein Freund von mir war Plattenverkäufer, dem habe ich ausgeholfen und so Wolfgang Ambros kennengelernt. Er hat dort gejobbt, bevor an der Graphischen Lehrund Versuchsanstalt studiert und dort Joesi Prokopetz getroffen hat. Über den Hit ,Da Hofa' erzählt die Legende, dass Wolfgang ein Lied mit englischem Text geschrieben hat und Joesi Prokopetz den späteren deutschen Text als Gedicht gehabt hat. Da hat Joesi Wolfgang aufgefordert, das Gedicht doch auf die Melodie zu probieren", erzählt Schwarz, der bald ins Musikfach wechselte, im Austropop-Podcast. Über ein Inserat bekam er eine Stelle im Lager der Firma Phonodisc, zwei Wochen später wurde er Promotionmanager, weil eine Stelle frei geworden war. "Dass ,Da Hofa' damals so funktioniert hat, liegt auch daran, dass diese besungene Erregung über den Toten im Rinnsal einer urwienerischen Emotion entspricht. Danach kam von Georg Danzer das Lied ,Tschik' über einen Sandler kurz vor dem Selbstmord. Auch keine lebensfröhliche Erzählung. Das Lied wollte Georg damals nicht unter seinem Namen veröffentlichen. Er hat dafür als Interpret Herrn Jappl erfunden. Bei Ö3 wurde sogar eine Stimmanalyse veranlasst, um dahinterzukommen, wer gesungen hat." Jahre später war Schwarz Promotionmanager in Wien, als Danzer jemanden suchte, der ihn in Österreich vertritt. "Wir waren uns schnell einig. Eine Zusammenarbeit und Freundschaft bis zum traurigen Ende." Im Lied "Fragt's Mein Mänätscha" hat Danzer seinen Freund verewigt. Schwarz erinnert sich: "Als Mensch war Georg ein sehr vorsichtiger Charakter. Er hat jemanden lange gescannt und erst dann entschieden, ob er ihn nahe kommen lässt. Das hat ihm auch den Ruf des introvertierten, hochnäsigen Menschen eingebracht."

THOMAS SPITZER

»Es ist ein Segen und Fluch zugleich, wenn man viele Hits hat«

Vor einem Jahr feierte die EAV, die Erste Allgemeine Verunsicherung, 42 Jahre nach ihrer Gründung mit einem letzten Konzert ihren Abschied. Als Teil des Erfolgsgeheimnisses beschreibt das Grazer Mastermind Thomas Spitzer eine Art steirischen Minderwertigkeitskomplex. "In Wien war ich am Anfang unglücklich. In Graz kannte ich alle Künstler, dann kommst du nach Wien und bist der deppate Sterzbauer. Aber nach Wien zu gehen, war wichtig, weil dort die Herausforderungen gewartet hat. Dieser oft zitierte Provinzkomplex -der ja auch andere Steirer wie Franz Morak oder Ludwig Hirsch begleitet hat -, in einer großen Stadt nicht ernst genommen zu werden, hat mich motiviert." Auf die Blütezeit der EAV blickt Spitzer mit gemischten Gefühlen: "Es ist ein Segen und Fluch zugleich, wenn man viele Hits hat. Seit ein paar Jahrzehnten müssen wir immer die Hits spielen, und das ist nicht wirklich prickelnd. Sollten wir je wieder etwas zusammen machen, wird es nicht die EAV sein, die 'Küss die Hand','Märchenprinz', 'Palermo' und Co spielt, sondern wie ganz früher Musiktheater."

MARCO WANDA

»Mit Falco verbindet mich die Liebe zur Literatur«
© Matt Observe

Mit Wanda gilt Sänger Marco als Exportschlager der neuen Austropopwelle. Selbst würde er dies nicht so benennen. "Mir wäre nie aufgefallen, dass man unsere Arbeit in der Nähe des Austropop ansiedeln kann. Er ist für mich wie Sprache etwas, das ich immer passiv erlebt habe. Wie jeder in diesem Land bin ich mit Ambros, Danzer, Fendrich, STS, EAV, Falco, Marianne Mendt oder Steffi Werger aufgewachsen. Diese musikalischen Kräften waren immer da und haben uns sicher beeinflusst, auch wenn wir es selbst gar nicht wissen. Von daher habe ich ein eher dankbares Verhältnis zu Austropop", so Wanda. Auf Falco angesprochen, hebt er dessen Texte hervor: "Mit Falco verbindet mich die Liebe zur Literatur. Da finde ich Musik am interessantesten, wo sie den Text nicht vernachlässigt. Falco hatte das, auch viele Ambros-Prokopetz- Texte und Danzer. Vor allem die Wiener Musikkultur ist ja untrennbar verbunden mit jüdischem Witz und Philosophismen. Lange sitzen. Viel Scheiß reden. Dann nach Hause fahren und es aufschreiben."

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Ausgabe Nr 45/20

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