Martin Ho: "Wenn ich polarisiere, kann ich damit leben"

Die Schlagzeilen um Gastrokönig Martin Ho reißen nicht ab. Der 34-Jährige stellt sie klar und ortet eine "Hetzjagd" gegen seine Person.

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Gastrokönig - Martin Ho: "Wenn ich polarisiere, kann ich damit leben"

Seit der Aufregung um die illegale Party eines Gastes in einem seiner Lokale im Mai gab es Schlagzeilen über angebliche Insiderinformationen vom Kanzler - den Ho zum Freundeskreis zählt -und immer wieder neue Vorwürfe über nicht eingehaltene Corona-Bestimmungen.

»Es ist eine Hetzjagd. Da wird eine politische Agenda an mir abgearbeitet«

Ho stellt sie im großen Interview mit News nüchtern und fernab jeglicher Wehleidigkeit richtig. Ihn selbst tangiere dies kaum, es gehe vor allem um den Schutz der Mitarbeiter, betont er.

Herr Ho, seit dem Verstoß eines Ihrer Gäste gegen die Corona-Regeln im Mai in Ihrem Lokal Dots im Brunnerhof wird es nicht still um Sie. Was ist da los?
Das ist eine wirkliche Hetzjagd, die der Boulevard betreibt. Da geht es nicht so sehr um meine Lokale, sondern um eine politische Agenda, die an mir abgearbeitet wird. Es ist vor allem für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht schön, wenn sie permanent Unterstellungen lesen müssen, die keine Grundlage haben, wie zuletzt. Ich hab einen dicken Pelz.

Am 26.10. sprach Kanzler Kurz erstmals vom möglichen zweiten Lockdown. Am 29.10. informierten Sie Gäste über die Schließung Ihrer Lokale. Am 31.10. war der zweite Lockdown fix. Was sagen Sie zu den Vorwürfen, Sie hätten Vorabinformationen erhalten?
Die sind aus der Luft gegriffen. Wir hatten zwei Gründe für die Entscheidung. Einerseits den Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Andererseits hat sich die Nachfrage durch die stark steigenden Infektionszahlen spürbar verschoben.

© Christian JOBST/Leisure Communications Galerist Rudolf Budja und Bundeskanzler Sebastian Kurz (v. li.) mit Martin Ho bei der Eröffnung 2018

Es war also auch eine kommerzielle Entscheidung. Wir haben rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen. Da hängt ein Rattenschwanz an Administration dran. Wir alle wussten ja, dass Maßnahmen kommen würden, und konnten uns in Deutschland die Stoßrichtung anschauen. Da braucht es kein rotes Telefon ins Ministerium, sondern unternehmerischen Hausverstand, um abzuschätzen, was kommt.

Die Vermutung von Insiderinformationen gab es bereits im Juni, als im Dots plötzlich der reduzierte Mehrwertsteuersatz von fünf Prozent verrechnet wurde, obwohl die Regelung zur Corona-bedingt gesenkten Mehrwertsteuer erst Wochen später in Kraft trat.
Das war lange nachdem der reduzierte Umsatzsteuersatz kommuniziert wurde. In der Umstellungsphase der Kassensysteme ist uns leider ein Fehler passiert. Auch hier lohnt es sich, ein bisschen nachzudenken, bevor man aburteilt. Die Umsatzsteuervoranmeldung wird eineinhalb Monate später durchgeführt. Darin werden die korrekten Zahlen zusammengefasst und korrigiert. Da kann man nicht tricksen, weil die Registrierkasse direkt mit dem Finanzamt spricht. Wieder ein Beispiel, wo viel Wind gemacht wurde, um politisch Wirbel zu machen.

Am 8. November, also während des Lockdowns, kam ein Partyvideo in Umlauf, das angeblich einen Regelverstoß in Ihrem Club 1o1 dokumentiert. Ihr Kommentar?
Das Video kommt von der Halloweenparty. Das ist deutlich ersichtlich. Warum ein Video eine Woche später gepostet wird und einzelne Boulevardjournalisten Instagram als Recherchequelle hernehmen, muss man sie selbst fragen. Übrigens das gleiche Medium, das auch beim fürchterlichen Terroranschlag jedes Video aus sozialen Medien sofort publiziert hat.

Im August gab es in der Pratersauna Events, die mit einem Vorabticketkauf als geschlossene Gesellschaft stattgefunden haben und so trotz Corona-Bestimmungen das Feiern bis vier Uhr früh ermöglichten. Steht das dem Grundgedanken der Ausnahmeregelung für geschlossene Gesellschaften wie Hochzeiten nicht entgegen?
Wir haben uns strikt an die Verordnung gehalten. Als Unternehmer müssen wir alle Gesetze prüfen und schauen, was zulässig ist. Bei Gesetzen geht es eben nicht um das gesagte Wort in Pressekonferenzen, sondern um das geschriebene Wort im Verordnungstext.

Wissen Sie von anderen Nachtgastronomen, die ähnliche "Geschlossene Gesellschaft"-Events veranstaltet haben?
Ja.

Manche Junge bewundern Sie nun als Rebellen, Ältere halten Sie eher für den skrupellosen Buhmann. Wie geht es Ihnen damit und wie sehen Sie sich selbst?
Ich bin ein Unternehmer mit Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn meine Konzepte oder ich als Person polarisieren, kann ich damit leben. Wie Tausende andere Gastronomen in diesem Land kämpfe ich auch mit der Pandemie und ihren Auswirkungen. Ich habe recht wenig Muße, mich mit der Wahrnehmung der anderen und ihren Befindlichkeiten zu beschäftigen. Der Job ist knochenhart im Moment und fordert jedem in der Branche verdammt viel ab.

Beeinträchtigen solche Vorfälle Ihre Freundschaft mit Sebastian Kurz?
Nein. Wir tauschen uns, wenn, dann zu privaten Themen wie Familie, Sport und Hobbys aus. Ich nehme an, der Bundeskanzler hat momentan andere Prioritäten als meine Restaurants und die Meinung des Boulevards dazu. Das müssen Sie ihn aber bitte selbst fragen.

Sind Sie aktuell die Gastronomie betreffend für die Regierung beratend tätig?
Nein. Aber ich bin Tourismusministerin Elli Köstinger sehr dankbar für den sorgsamen Umgang mit der Gastronomie im neuerlichen Lockdown. Der Umsatzersatz ist wirklich essenziell, weil es um die umsatzstärksten Wochen des Jahres geht und das Weihnachtsgeld bezahlt werden muss. Das ist eine vorbildliche Lösung, die von sehr vielen Branchenkollegen mit Erleichterung aufgenommen wurde.

© Christian JOBST/Leisure Communications Mit Künstler Alexander Hoeller 2019 bei dessen Ausstellung in der Ho Gallery im Restaurant One of One

Halten Sie die Corona-App oder andere Ideen wie Massenschnelltests für Lösungen, die der Eventgastronomie helfen könnten?
Ich habe sie installiert. Schnelltests machen sicherlich Sinn. Austrian Airlines zeigt ja sehr gut vor, wie es beim Fliegen geht. Das kann ein Vorbild für viele andere Branchen sein.

Sie sagten, während des Lockdowns hätten Sie erfolgreich Kunsthandel betrieben. Was reizt Sie an Kunst?
Sie ist Teil meines Lebens. Sie bedeutet intellektuelle Freiheit. Jeder Mensch sieht etwas anderes in einem Kunstwerk. Ich sehe oft jeden Tag etwas anderes in einem Bild und entdecke immer etwas Neues. Kunst erfüllt Architektur erst mit Leben. Kommerziell ist der Kunstmarkt reizvoll, weil es sich um ideelle Werte handelt.

Welche Bilanz ziehen Sie aus den letzten Monaten für Ihr Gastroimperium und wie wirkt sich diese auf kommende wirtschaftliche Entscheidungen aus? An welchen Schrauben muss gedreht werden? Kann Nachtgastronomie mittelfristig überhaupt wirtschaftlich betrieben werden?
In der Digitalisierung sind wir einen großen Schritt weitergekommen. Wir haben im ersten Lockdown investiert und das neue Dots auf der Mariahilfer Straße und das Newman eröffnet. Wir haben unser ganzes Business neu gedacht und alle Strukturen auf den Prüfstand gestellt. Die Krise war in gewisser Hinsicht ein harter Unternehmensberater.

Die Nachtgastronomie wird ein Comeback feiern! Davon bin ich überzeugt. Die Pandemie geht vorüber, und der Mensch ist ein soziales Wesen, das -zumindest in jüngeren Jahren - die Nachtkultur genießen will. Persönlich hat mich diese Krise mit meinem Team eng zusammengeschweißt. Wir sind eine Familie geworden. Das hohe Vertrauen in meine Führungscrew ist weiter gewachsen.

Mitte Oktober sind Sie zum zweiten Mal Vater geworden, die ältere Tochter ist drei Jahre alt. Wie darf man sich Martin Ho als Vater vorstellen?
Als das Gegenteil vom Martin Ho, den Sie im Restaurant sehen. Sehr ruhig. Ich genieße es, den Mädchen bei ihrer Entwicklung zuzuschauen. Manchmal bin ich beim Spielen auch bisschen der Kasperl. Gerade kurz nach der Geburt von Yves ist es schön, dass ich mehr zu Hause sein kann und die ersten Wochen dieses kleinen Menschleins hautnah miterleben darf.

Sie waren bei der Geburt dabei. Welche Gefühle verbinden Sie mit der Erfahrung?
Ein unglaubliches emotionales Feuerwerk aus Freude, Aufregung, Stolz, Glück und Liebe zu meiner Frau und den Kindern. Wer da nicht ganz nervös und aus dem Häuschen ist Das Wunder der Geburt ist mit nichts zu vergleichen!

Beschreiben Sie doch bitte die Grundzüge Ihres Erziehungsstils.
Wir möchten unseren Kindern das weitergeben, was wir von unseren Eltern mitbekommen haben. Ein stabiles Wertegerüst und den engen Zusammenhalt und die Geborgenheit der Familie. Wir möchten unsere Kinder unterstützen, ihre Talente zielstrebig zu entfalten und ihren Weg zu gehen.

Ihre Frau Ivana ist Geschäftsführerin von Ivy's Pho House. Was bedeutet das für den Alltag mit zwei Kleinkindern?
Meine Frau ist auch als Influencerin und Model sehr erfolgreich und kriegt das toll unter einen Hut. Ich ziehe meinen Hut vor ihr. Ich wachse immer mehr in diese Rolle hinein, weil ich heuer endlich mehr Zeit bei meiner Familie verbringen kann.

© Christian JOBST/Leisure Communications Martin Ho mit Ehefrau, Model und Influencerin Ivana, (mit Tochter Ivy im Jahr 2018)

Wir haben großartige Unterstützung von unseren Eltern und kommen ohne Haushälterin oder Kindermädchen aus. Uns ist es wichtig, dass die Mädchen so viel Zeit wie möglich mit uns im Alltag verbringen. Ivana und ich sind selbstständig. Da gibt es keine geregelte Karenz. Wir unterstützen uns in der Familie, so gut es geht. Wir schaukeln die Babys recht unkompliziert, weil es uns Freude macht.

Welche prägenden Erfahrungen aus der eigenen Kindheit wollen Sie fortführen?
Das Gefühl, dass die Familie immer ein sicherer Hafen ist, in dem es kompromisslose Geborgenheit und Liebe gibt.

Immerhin hatten Sie selbst genug Selbstvertrauen, fünf Monate nach der Matura Ihr erstes Lokal zu eröffnen. Woher eigentlich?
Jugendlicher Leichtsinn, gepaart mit einem kräftigen Tritt von meinen Eltern. Ich war kein sehr ambitionierter Student. Sie haben mich dann sehr hilfreich, aber bestimmt gelenkt, das zu machen, worin ich gut sein kann.

Sie sind behütet aufgewachsen, waren aber mit rassistischen Anfeindungen konfrontiert. Auch beim Kauf des Trenninghofs erlebten Sie Geringschätzung. Hat sich daraus eine "Jetzt erst recht"-Haltung entwickelt, die Sie auch motiviert?
Es hat meine Haltung gefördert, dass man es schaffen kann, wenn man viel leistet. Jedem Vorurteil, ganz gleich, ob Rassismus oder sonstige Unterstellungen, entgegnet man am besten mit dem Gegenbeweis. Ich würde mich nicht als kämpferisch bezeichnen aus der Vergangenheit heraus. Ich versuche, meinen Weg unbeirrt zu gehen.

»Jedem Vorurteil begegnet man am besten mit dem Gegenbeweis. Ich versuche, meinen Weg unbeirrt zu gehen«

Haben Sie tatsächlich manche Ihrer Lehrer verachtet? Wofür?
Verachtung ist ein zu großes und bestimmendes Wort für einen Schüler, der wohl nicht "Everybody's Darling" für die Professorinnen und Professoren war. Ich danke meinen Lehrerinnen und Lehrern heute noch dafür, dass sie mich ausgehalten haben.

Sie sagten 2017 zur "Zeit", es sei wichtig, dass die Leute Respekt vor dem haben, was man mache. Das sei für Sie ein Teil von Integration. Ist mangelnder Respekt vor Ihrem Schaffen heute noch Thema für Sie?
Nein. Ich beschäftige mich nicht zu sehr mit dem Gerede der Leute. Ich achte allerdings aufmerksam auf Kritik und bin dankbar dafür, wenn ich mich dadurch verbessern kann. Man braucht immer ein Korrektiv, um sich nicht in eine Richtung zu verlaufen.

Ihr Gastroimperium feiert heuer 15-jähriges Jubiläum. Was erachten Sie als das Schönste an Ihrer beruflichen Leistung?
Menschen mit Neuem zu begeistern und ihnen besondere Momente mit Kunst und Kulinarik zu bieten. Und rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teils seit 15 Jahren im Team zu haben, die sich wie eine Familie verhalten.

Im Krisenjahr 2020 konnten Sie das Newman eröffnen und Anfang Juni das neue Dots Establishment. Sie haben angekündigt, das Dots Experimental Sushi, zurückgebaut wie am ersten Tag, wiederzueröffnen. - Klingt gar nicht nach Krise. Was hat Sie das Jahr 2020 gelehrt?
Antizyklische Investitionen sind die richtige Entscheidung, um einer Krise zu begegnen. Wir haben Projekte vorgezogen und beschleunigt, um am Ende dieser Pandemie schneller, besser starten zu können.

Sie haben mit 34 Jahren beruflich offenbar alles erreicht. Sehen Sie neue Ziele abseits des Erhalts Ihres Schaffens?
Für die nächsten zwei Dekaden stehen meine Töchter Ivy Kim und Yves in meinem Fokus. Ich möchte ihnen alles mitgeben, das sie zu selbstbestimmten, guten und glücklichen Menschen macht.

Haben Sie eine Lebensphilosophie, der Sie folgen?
Ich bin nicht so philosophisch. Ich will täglich mein Bestes geben. Nur dann kann ich mehr erreichen -in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht.

Sind Sie tatsächlich zwischenzeitlich erblondet? Ein neues Selbstbild?
Das habe ich öfter schon probiert. Bin dann doch beim natürlichen Look geblieben.

Wann gehen Sie dieser Tage schlafen und welche Netflix-Serie schauen Sie gerade?
Wir gehen immer noch früh schlafen und bringen Ivy Kim ins Bett. Yves sorgt aber dafür, dass die Nächte fast so kurz wie in Blütezeiten der Nachtgastronomie sind. Bis die nächste Staffel von "Haus des Geldes" kommt, zieh ich mir gerade "Designated Survivor" rein. Das ist unpackbar spannend und erklärt sehr viel über die US-Politik.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr.47/20