Der Grazer Jan Frankl hat Greta Thunberg, Arnold Schwarzenegger und Conchita Wurst porträtiert. Als Regisseur, Produzent und Autor folgt er dabei vor allem einem Prinzip: Intuition. Ein Gespräch über Psychotherapie, Kontrollwut, Anerkennung und Vaterschaft.
Ein Leben zwischen Kamera, Bühne und Skript
In Graz geboren, in Wien machte er sich schnell einen Namen. Als Porträtfotograf ist der 38-Jährige ausgebucht, als Regisseur produzierte er an den renommierten Wiener Theatern ca. 200 Videos, im Fernsehen liefen unter seiner Regie Produktionen wie Die Staatskünstler, Pratersterne, Ostrowski macht Urlaub oder Die Tagespresse. Alleinverantwortlich war er als Produzent, Drehbuchautor, Kameramann und Regisseur für das Erfolgsformat DAVE (Netflix). Für Pizzera & Jaus sowie andere Musiker*innen dreht er Musikvideos.
Ich bin wohl nicht der Erste, der bei Ihnen eine Ähnlichkeit mit Leonardo DiCaprio feststellt.
Als ich 25 war, wurde ich immer wieder darauf angesprochen. Auch für Orlando Bloom wurde ich gehalten. So bin ich einmal bei den Festspielen in Cannes in mehrere VIP-Bereiche gekommen.
Sie sind vielseitig – Fotograf, Regisseur, Produzent, Autor, Musiker. Warum entscheiden Sie sich nicht für eine Richtung?
Ich richte mich nach dem, was mir gerade Spaß macht. Ganz am Anfang wollte ich Schauspieler werden und habe mir als Kinderdarsteller bei Am dam des oder Tom Turbo und als Werbesprecher meine ersten Nintendospiele verdient. Später wollte ich doch lieber Regisseur werden. Ich liebe die vielen Möglichkeiten der Gestaltung. Man kann etwas kreieren, das Menschen berührt und begeistert. Ich glaube, das ist der einzige Beweggrund, warum ich überhaupt irgendetwas mache. Ich brauche sehr viel Anerkennung. Ein großes Thema meiner Psychotherapie.
Sie sind in Psychotherapie?
Ja genau, ich habe ADHS. Die Schule hat mich deshalb echt gequält. Ich war immer überdreht und konnte mich nicht konzentrieren. Mittlerweile kann ich gut damit leben und die Psychotherapie hilft. Sie ist wie ein Fitnessstudio für den Geist.
Auf Ihrer Webseite legen Sie den Fokus auf die Fotografie. Wie kamen Sie zur Porträtfotografie?
Ich habe begonnen, Kabarettisten, Schauspieler und Musiker, die ich kannte, gratis zu fotografieren. Daraufhin sind Anfragen gekommen, aus denen ein Job geworden ist. Ich habe schnell einen Stil entwickelt, ohne dass ich wusste, dass es ein eigener Stil ist, nachdem ich jahrelang krampfhaft versucht hatte, einen Stil zu kreieren.
Sie haben bekannte Menschen fotografiert: Greta Thunberg, Schwarzenegger, John Cleese. Wie haben Sie das geschafft?
Ich habe anfangs einfach behauptet, ich habe einen Termin für ein Fotoshooting mit den Leuten. Die Stars dachten, sie hätten den Termin übersehen, weil ich ja mit dem ganzen Equipment gekommen war. So wird man zu dem, der die Stars fotografiert. Und so wirst du dann auch engagiert, weitere Stars zu fotografieren.
Wie ist das Foto mit Greta Thunberg gelaufen?
Ich war eigentlich dort, um Arnold Schwarzenegger zu fotografieren. Sie war auch vor Ort und ich habe sie abgefangen. Sie war extrem schüchtern. Nur ein einziges mal hat sie in die Kamera geschaut – und diesen Augenblick habe ich erwischt. Einer der Vor- und Nachteile eines Fotos. Es ist nur ein Augenblick. Deswegen passiert bei mir auch sehr viel in der Nachbearbeitung. Ein Foto ist per se schon Fake, weil du einen Menschen nie echt nachbilden kannst wie er riecht, wie er sich bewegt, seine Mimik usw. Ein Foto ist nicht die Realität, ein Foto ist ein Kunstwerk. Wieso soll ich da nicht nachhelfen dürfen?
Erzählen Sie uns vom Shooting mit Arnold Schwarzenegger?
Er war megageil zu fotografieren. Meine zwei Anforderungen bei einem Shooting sind: Kinn nach unten und ernst schauen. Schwarzenegger lieferte sofort. Sein Blick war wie ein Faustschlag durch die Kamera. Bei ihm habe ich ein ganzes Jahr im Vorhinein um einen Termin angefragt und bis zur letzten Sekunde war es nicht fix. Dann kam er mit seinem Tross von 100 Leuten und es musste schnell gehen.
Was fasziniert Sie daran, hinter der Kamera zu stehen, egal ob als Fotograf oder Regisseur?
Ich bin ein Kontrollfreak. Ich verlasse mich aber mittlerweile zu 100 Prozent auf mein Bauchgefühl. Ich gehe immer ohne Vorbereitung zu einem Dreh, weil ich mich eben auf mein Bauchgefühl verlassen kann. Ich liebe es unkompliziert, es geht mir im Leben darum, Spaß zu haben.
Warum arbeiten Sie als Regisseur und Produzent so viel im Kabarettbereich?
Comedy fällt mir leicht. Ich will mir die Dinge nicht hart erarbeiten müssen, ich gehe immer den Weg des geringsten Widerstandes. Aber beim Ergebnis mache ich keine Kompromisse, das Bestmögliche muss herauskommen. Dann kann es auch anstrengend werden. Die Kunden sagen: „Super, danke!“, aber ich stecke dann nochmal 300 Prozent hinein.
Woher kommt dieses Schwanken zwischen Arbeitswut und Easygoing?
Ich schwanke immer zwischen faul sein und arbeiten wie verrückt. Arbeit ist für mich auch eine Form von Therapie. Ich habe es die letzten 20 Jahre geliebt zu arbeiten, auch gerne 17 verschiedene Jobs am Tag. Ich habe vor allem auch das Geld dafür geliebt. Irgendwann ist diese Welt aber zusammengebrochen, weil Geld allein bekanntlich nicht abendfüllend ist. Man stellt sich die Sinnfrage, es vergeht einem die Lust, nur für Geld zu arbeiten. Dann musste ich mir eingestehen, dass ich doch der Kunst wegen arbeiten möchte. Und wegen der Anerkennung bei kleinstmöglichem Aufwand.
Wie kommen Sie ans Ziel?
Ich nehme NICHTS in meinem Leben ernst – weder mich selbst noch die Sachen, die ich mache. Aber ich will ernst genommen werden. Das ist ein riesiges Dilemma für mich. Ich verstehe einfach nicht, wie man überhaupt irgendetwas ernst nehmen kann. Warum kann es nicht locker sein? Das wäre doch viel einfacher.
Aber Familie und Partnerschaft nehmen Sie schon ernst?
Ja, zu ernst sogar. Da will ich es möglichst perfekt machen. Meine zwei Kinder sind das Wichtigste in meinem Leben und das einzig Sinnvolle, was wirklich einen Wert hat. Mit Kindern ist alles ganz anders, alles was vorher wichtig war, ist lächerlich im Vergleich dazu.
Was für ein Vater sind Sie?
Ein schlechter (lacht). Nein, im Ernst, natürlich bin ich ein toller Vater (lacht), sehr offen und ehrlich. Ich weiß, wie meine Kinder ticken, sie sind leider erschreckend nah an mir. Aber es hilft sehr, dass ich für sie da bin. Ich mache mir manchmal Vorwürfe, weil ich ein anderer Vater sein wollte. Das Leben ist allerdings anstrengend, jede einzelne Sekunde auf diesem Planeten. Und dann kann man auch als Vater nicht immer alles so perfekt machen, wie man sich das vorgestellt hat. Ich hatte nie einen Chef, aber mit den Kindern habe ich plötzlich zwei – halleluja! Eine echte Herausforderung.
Wie beschreiben Sie Ihr Lebensgefühl?
Ich war ein absoluter Workaholic, dabei hasse ich es eigentlich zu arbeiten. In mir gibt es viele Gegensätze. Und dann läuft alles wieder total locker. So ist das Leben. Es kommt auf den Moment an, man kann nicht viel planen. Ein Plan, eine Struktur ist gut, aber man muss auch bereit sein, davon abzuweichen, weil es anders besser ist. Gerade in der Comedy ist das oft so. Wenn alle am Set über etwas lachen, obwohl es so nicht im Skript steht, wird das Skript einfach geändert.
Was finden Sie witzig?
Das ist schwer zu erklären. Ein guter Witz hat viel mit Timing zu tun, und mit Rhythmus. Wenn er richtig erzählt wurde, ist er lustig. Da haben wir in Österreich ganz tolle Leute. Sie könnten auch aus dem Telefonbuch lesen und es wäre immer noch lustig.
Wie Sie als Künstler denken, wissen wir jetzt. Wie ticken Sie privat?
Im Inneren bin ich ungefähr 12 Jahre alt. Großen Ernst und Strenge mag ich gar nicht. Ich versuche immer, das Gegenüber zu verstehen. Ich habe noch nie in meinem Leben gesagt: „Das geht jetzt nicht.“ Privat bin ich eher depressiv, aber immer optimistisch. Sehr optimistisch, ich sehe in Bezug auf die Menschheit immer das Gute. Es ist zwar ein Wahnsinn, was da draußen passiert. Aber wir werden das schon machen, wir sind schon so lange auf dem Planeten, wir kriegen das hin.
Wann sind Sie wirklich glücklich?
Aufgeregtheit, Glück, Zufriedenheit hatte ich bis 28. Dann kam eine gewisse Gefühlstaubheit dazu. Ich war früher komplett impulsiv, hatte mich gar nicht unter Kontrolle, ich habe gestritten, geliebt, bin durch die Hölle gegangen, immer ein Auf und Ab. Das ist jetzt Gott sei Dank in geregelten Bahnen. Wenn ich bei der Arbeit merke, es entsteht etwas Gutes, und wenn ich meine Kinder bei mir habe, bin ich sehr glücklich. Aber das sind zwei verschiedene Glückseligkeiten. Bei den Kindern ist es wohlig und warm. Ein abgefahrenes Glück habe ich am Set, The Time of my Life sozusagen.