Spaß, Show und Schenkelklopfer

Das Superwahljahr in Österreich nimmt Fahrt auf. Mit Spaß, Protest – und aktuell auch ein bisschen Inhalt

von Kathrin Gulnerits © Bild: News/Matt Observe

Ich kenne sie. Ihre Reden. Ihr Auftreten. Ihre Ideologie. Sie haben mein Leben hinter dem Eisernen Vorhang, in der Stadt mit der übergroßen Marx-Büste am Eingang zur Universität und den Aufklebern „Eigentum des Volkes“ unter Tisch und Stuhl in der Schule, maßgeblich bestimmt. Geprägt. Beeinflusst. Ein ständiges Pendeln zwischen „realsozialistisch“ und „kommunistisch“. Nicht einfach. Nicht erstrebenswert. Nicht so schlimm wie bei anderen. Lange vorbei. Und das ist gut so.

Kay-Michael Dankl kenne ich nicht. Jedenfalls nicht persönlich. Er will Bürgermeister in Salzburg werden. Seine Partei? Die KPÖ. Ein historisch belasteter Parteiname. Marx hat er gelesen; eine Marx-Büste steht nicht auf seinem Tisch. All das spielt keine Rolle. Weil da ist jemand, der ein Thema – leistbares Wohnen – glaubwürdig vertreten kann. Er, der 2017 von den Grünen ausgeschlossen wurde, adressiert Sorgen und Nöte. Nicht weil, sondern obwohl er Kommunist ist. 28 Prozent – „eh nur“ 13.920 Wählerinnen und Wähler – gaben der KPÖ ihre Stimme (29,9 Prozent der SPÖ).

Die ÖVP halbierte sich desaströs. Und das in der „bürgerlichen“ Festspielstadt Salzburg. Gewonnen hat hier nicht die kommunistische Partei. Gewonnen hat Kay-Michael Dankl. Wenn man ihn lässt und bei der Stichwahl am 24. März zum Bürgermeister wählt, muss Dankl liefern.

Die anderen hatten bereits die Gelegenheit. Ansatzweise demokratiegefährdend ist da einstweilen nichts, auch wenn die Wahlverlierer gerne auch damit politisches Kleingeld wechseln würden. Deren einzige Sorge ist es übrigens, dass der Ruf Salzburgs als Weltstadt gefährdet ist, sollte ein Kommunist Bürgermeister werden.

»Eloquent! Jung! Fesch! Slimfit-Anzug! Das reicht auf dem Politparkett oft. Zu oft«

Die Salzburg-Wahl zeigt: Ein „bisschen Kommunismus“ geht also auch in diesem Land. Das sollte nicht überraschen. Schließlich geht auf dem rot-weiß-roten Politparkett ohnehin sehr viel. Viel mehr als anderswo. Politstar! Hoffnungsträger! sind jedenfalls Zuschreibungen, die hierzulande oft und (vor)schnell erfolgen.

Gerne auch mit den Zuschreibungen „Eloquent!“, „Unverbraucht!“„Jung!“ „Fesch!“ Wenn obendrein ein Slimfit-Anzug im Spiel ist, umso besser. Die überhöhte Sehnsucht nach einem Charismatiker ist bedenklich stark ausgeprägt. In der medialen Zuschreibung. Und bei den Wählerinnen und Wählern. Oft reicht es für den ersten, schnellen Applaus, dass ein Kandidat – gendern nicht nötig – drei gerade Sätze aneinanderreihen kann. Der Charme des Neuen verfängt. Immer und immer wieder. Selten mit einem Ergebnis, das das Land unter dem Strich voranbringt. Es verwundert daher nicht, dass in einer aktuellen Umfrage die Bierpartei von Marco Pogo, pardon Dominik Wlazny, auf acht Prozent – und damit auf denselben Wert wie die Regierungspartei Grüne – kommt. Obwohl das Antreten des Arzts, Rockmusikers, Bierwerbers, Politikers und Selbstdarstellers in einer Person bei der Wahl im September noch nicht mal fix ist.

Wie kann es sein, dass eine Partei, die „Bierpartei“ heißt, ein ernst zu nehmender Faktor in der politischen Landschaft ist? Weil Österreich ein trinkfreudiges Land ist? Wie kann es sein, dass in eben dieser Umfrage auch eine fiktive „Liste Kurz“ auf zehn Prozent kommt? Weil eh schon alles egal ist? Weil etablierte Parteien ausgedient haben, dafür aber Anti-Establishment hoch im Kurs steht? Weil ein bisschen Spaß in ernsten Zeiten sein muss? Weil die Medien Geschichten besser verkaufen, wenn sie von „Marx und Mozart“ und über einen „dunkelroten“ Kandidaten schreiben? Weil einfach „was anderes“ gerade gut genug ist oder Gewissheiten ins Rutschen geraten sind? Wir dürfen uns wundern. Und konsequenterweise am Ende die Augen reiben.

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