Es geht uns alle etwas an

Die Reaktionen auf die Frauenmorde in Wien sollten über (Betroffenheits-)Floskeln hinausgehen, nicht nur seitens der Politik

von Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Freitag, der 23. Februar, war ein schwarzer Tag für Wien. Fünf Frauen wurden an diesem einen Tag ermordet, so viele wie im ganzen Jahr 2023. In der Früh fand die Polizei eine 51-jährige Frau und ihre 13-jährige Tochter tot auf, als tatverdächtig gilt der flüchtige Ehemann der Frau. Am Abend tötete ein 27-jähriger Asylwerber aus Afghanistan drei Frauen in einem Bordell. ÖVP-Innenminister Gerhard Karner und Frauenministerin Susanne Raab, ebenfalls ÖVP, zeigten sich "erschüttert" über die "bestialischen und abscheulichen" Taten, politischen Handlungsbedarf gebe es aber nicht, das Gewaltschutzsystem in Österreich sei "mittlerweile gut ausgebaut".

Tragische Einzelfälle also, weiter mit der Tagesordnung? Das wird nicht reichen. Genauso wenig übrigens wie die erratischen Schuldzuweisungen, die in den Tagen nach den Morden in den sogenannten "sozialen" Medien vorgenommen wurden - nein, nicht alle Männer sind verantwortlich, und auch nicht alle Asylwerber, wie Empörte rechts und links der politischen Mitte einander und dem Rest der Welt ebenso wortreich wie selbst überzeugt miteilten. Natürlich nicht.

»Wie stark eine Demokratie ist, zeigt sich nicht zuletzt an ihrer Fähigkeit, Frauen zu schützen«

Aber reden muss man schon darüber, über patriarchale, misogyne Strukturen in Familien zum Beispiel. Die Frau dem Mann untergeordnet, auch wirtschaftlich, psychischer und physischer Gewalt ausgeliefert. Ein schleichender Prozess, zuerst nur kleine Abwertungen, ein Witzchen hier, ein Seitenhieb dort, dann immer brutaler, auch körperlich, bis hin zur totalen Kontrolle. Weil manche Männer sich darüber definieren, daheim der Chef zu sein. Weil sie es nicht ertragen, hinterfragt, kritisiert oder vielleicht verlassen zu werden. Weil sie glauben, dass ihnen zu Willen sein muss, wer in der Hierarchie unter ihnen steht, die Frau also. Es handelt sich nicht um einen exotischen Einzelfall, wenn ein Familienvater meint, die weiblichen Mitglieder seiner Familie auslöschen zu dürfen: Es hat System, es ist der hässliche Auswuchs einer gesellschaftlichen Ordnung, in der Frauen immer noch weniger wert sind als Männer.

Reden muss man aber auch über gewaltbereite und frauenhassende Zuwanderer. Wie erbärmlich: Ein bewaffneter Mann geht auf ebenfalls eingewanderte Prostituierte los, die Schwächsten der Schwachen. Darauf muss es deutlichere Antworten geben als gutmenschelndes Achselzucken und abwiegelnde Hinweise auf psychische Schädigungen. Dieser Staat muss sehr klar kommunizieren, welche Regeln hier gelten und dass Frauen in Österreich leben dürfen, wie sie wollen, anziehen dürfen, was sie wollen, und lieben dürfen, wen, was und wie viele sie wollen. Warum wird das Fernbleiben von - an sich vorgeschriebenen - Werte- und Orientierungskursen nicht flächendeckend sanktioniert zum Beispiel?

Beide Fälle, der mordende Familienvater und der mordende Asylwerber, gehen uns als Gesellschaft was an. Denn Frauenrechte haben viel mit Demokratie zu tun. Die Putins und Trumps dieser Welt verachten Frauen, werten sie ab, legitimieren häusliche Gewalt, machen Frauen lächerlich und degradieren sie in der politischen Inszenierung zu Herzeigepüppchen und Sexobjekten. Weil zuletzt so viel von der Krise der Demokratie die Rede war: Wie stark eine Demokratie tatsächlich ist, zeigt sich nicht zuletzt an ihrer Fähigkeit und Bereitschaft, Frauen und ihre Rechte zu schützen.

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