Wir müssen reden

Statt einer Einladungs-und Informationspolitik nach Gutdünken könnte die Regierung ihre Kommunikationspolitik auf neue Beine stellen. Sie will aber offensichtlich nicht.

von Kathrin Gulnerits © Bild: News/Matt Observe

Vielleicht war es ja ganz anders. Viel simpler und jedenfalls nicht strategisch geplant. Ein bisschen patschert eben. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Also wurden zu einem Hintergrundgespräch mit dem Bundeskanzler in der Vorwoche nur ausgewählte Journalistinnen und Journalisten eingeladen. Möglicherweise eben nur jene, die zuvor um ein Interview angefragt hatten - für ein Porträt, eine Bilanz zu ein Jahr Kanzlerschaft von Karl Nehammer. Vielleicht war es aber auch so, wie es in der Vergangenheit immer war: Ein paar Auserwählte -die Auswahlkriterien variieren, je nachdem, wer gerade im Kanzlersessel sitzt -bekamen eine Einladung. Andere nicht. In Zeiten von diversen WhatsApp-Gruppen ein netter Versuch, die Kontrolle über das Kommunikationsgeschehen zu behalten. Er ist schiefgegangen.

Wohl auch, weil die erratische Einladungspolitik zeitgleich mit einer Personalie in der ÖVP zusammengefallen ist. Denn hier hat Gerald Fleischmann, der frühere Kommunikationschef von Sebastian Kurz, plötzlich wieder als Chefkommunikator das Sagen. Ein Vollprofi. Ein Medienstratege. Ein Mann fürs Grobe. Der Erfinder der Message Control. Die Alarmglocken bei den Beteiligten leuchteten zu Recht auf. Der guten Ordnung halber: Wer im Metternich-Zimmer nicht dabei war, hat nichts verpasst. Eine als "Kanzlergespräch" getarnte, nüchterne Pressekonferenz. Kein Kuscheln. Kein Verhabern. Kein nennenswerter Erkenntnisgewinn: Der Kanzler habe alles im Griff. Die Regierung bewährt sich in der Krise und ein Korruptionsproblem habe die ÖVP auch weiterhin nicht. So weit. So gut. Und trotzdem müssen wir reden. Über die Kommunikationspolitik dieser Bundesregierung, die zwischen Kamin- , Kanzler-und Hintergrundgesprächen, Door Steps und gewöhnlichen Pressekonferenzen sowie dem Erscheinen in TV-Nachrichtensendung des Landes nach Belieben, Lust und Laune und gefühlt nicht nach Dringlich-und Notwendigkeit. Will man nicht? Kann man nicht? War es bis jetzt ganz praktisch, so wie es gelaufen ist? Weil (fast) alle mitgespielt haben. Einzelne. Nicht alle. Aber wir alle sind am Ende Teil dieses Problems und müssen uns den Vorwurf der Hofberichterstattung gefallen lassen.

»Informationsgleichheit für alle Medien gibt es in Deutschland seit 1949«

Wie so eine Kommunikation auf Augenhöhe und ganz ohne Verrenkungen bei der Einladungspolitik funktionieren kann, lässt sich in Deutschland in der Bundespressekonferenz beobachten. Hier bestimmen allein die Journalisten die Spielregeln: Wer zu welchen Themen was gefragt wird, wer fragt und auch, wann Schluss ist. Gleich dreimal die Woche müssen der Regierungssprecher sowie Sprecherinnen und Sprecher der Bundesministerien den Pressevertretern Rede und Antwort stehen. Die Idee: Informationsgleichheit für alle Medien herzustellen. Ganz ohne bereitgestellte Brötchen auf dem Kaminsims, ohne Tamtam. Bereits seit 1949 übrigens. Diese Woche saß der Gesundheitsminister am Podium; letzte Woche die Innenministerin.

Auch das Informationsfreiheitsgesetz, das die Transparenz und Rechenschaftspflicht von Politik und Verwaltung erhöhen soll, gibt es in Deutschland bereits seit 2006. Das "Amtsgeheimnis" ist seither damit de facto abgeschafft. Eben jenes Amtsgeheimnis, das auch hierzulande abgeschafft werden soll. Irgendwann. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Also eher nicht so schnell.

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