Ist das Kunst
oder kann das weg?

Die zahlreichen Lockdowns befördern viele Dinge zutage. Zum Beispiel Hausrat, der seit Jahrzehnten am Dachboden oder im Keller verstaubt. Experten erklären, welche Dinge Sie lieber ins Auktionshaus als zum Flohmarkt bringen sollten.

von Dorotheum-Expertin für Gemälde 19. Jahrhundert: Dimitria Reimüller (li), Junior-Expertin Kathrin Rauch (re) © Bild: Dorotheum

Ein geschultes Auge

Ausmisten wurde zum neuen Trend und zur vielleicht einzig sinnvollen Beschäftigung während der und zwischen den scheinbar endlosen nationalen Lockdowns. Viele Menschen nutzten die Zeit zu Hause, um Abstellkammer, Keller oder Dachboden gründlich zu entrümpeln, Frühjahrsputz zu machen und sich von Dingen zu trennen, die ohnehin nur Staubfänger waren.

»Nicht alles, was alt ist, ist wertvoll. Und dann ist ein unscheinbares Objekt das begehrte Sammelobjekt" «

Doch blindwütig wegzuwerfen, was einem in die Finger kommt, kann ein fataler Fehler sein. Denn gelegentlich entpuppt sich augenscheinlicher Krempel als durchaus profitabler Fund. Den tatsächlichen Wert eines Gegenstandes festzustellen, ist allerdings nicht ganz einfach. Ein Gang zum Auktionshaus kann sich lohnen. Das Dorotheum zählt zu den größten Auktionshäusern Europas und verfügt über insgesamt 300 Jahre Erfahrung im Schätzen von Antiquitäten, Kunst, Schmuck und Raritäten. Regina Herbst ist eine von 100 Experten, deren geschultes Auge Wertvolles und Trödel unterscheidet. Sie ist für Fayencen, Keramik, Kleinkunst und Vintage zuständig und weiß: "Nicht alles, was alt ist, ist wertvoll. Manchmal ist ein unscheinbares Objekt das begehrtere Sammelobjekt als das augenscheinlich auffälligere."

Das Spektrum an Sammel-und Kunstgegenständen, so Herbst, ist so groß, dass geschulte Spezialisten nötig sind, um den tatsächlichen Wert einer Sache verlässlich bestimmen zu können. Zudem richtet sich der Wert eines Gegenstandes nach der Nachfrage: "Wer hätte noch vor ein paar Jahrzehnten gedacht, dass Luxushandtaschen oder exklusive Sneaker zum Sammelobjekt und zur Geldanlage werden?"

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Material und Marke

Taucht beim Ausmisten also das längst vergessene Porzellanservice von Meissen, Augarten oder Herend auf, so verkauft man es besser nicht vorschnell auf dem Flohmarkt. Ein gut erhaltenes Speise-, Kaffee-oder Teeservice aus dem 20. Jahrhundert kann um die 800 Euro oder sogar mehr wert sein. Erzeugnisse von Manufakturen sind meist wertiger als Massenerzeugnisse. Sind Markennamen, Signaturen oder Hersteller auf dem Objekt erkennbar, kann man sich vorab im Internet informieren. "Bei Schmuck und Silber sind Punzen aufschlussreich, man kann auf Beschauzeichen achten, auf Seriennummern, Etiketten und bei Porzellan auf Manufakturzeichen", erklärt Regina Herbst. "Bei den Bildern hängt es selbstverständlich von den Künstlern ab, manchmal auch von der speziellen Werkphase." Auch die Beschaffenheit gibt Auskunft darüber, ob man einen potenziell wertvollen Gegenstand in den Händen hält. Edelmetalle, Porzellan und Edelsteine sprechen meist für einen höheren Wert. Doch nicht nur das Material ist entscheidend. "Eine Chanel-Halskette aus Metall und Imitationsperlen kann wertvoller sein als Goldschmuck!" Wichtige Indikatoren zur Wertbestimmung sind somit Marke, Material, Alter, Qualität und Seltenheit.

700 Auktionen

veranstaltete das Dorotheum im Jahr 2020.600 davon waren reine Onlineauktionen. Auch international erleben Onlineauktionen einen regelrechten Hype

Die genaue Schätzung überlässt man aber am besten den Profis und nicht den Internetsuchmaschinen. "Die Beratung durch einen Dorotheum-Experten ist kostenlos. Man ist dadurch nicht automatisch gezwungen, das Kunstobjekt in die Auktion zu geben." Anfragen können per Formular gestellt werden. Je genauer die Angaben und je besser das Bildmaterial, desto zuverlässiger können die Profis dann den Wert einschätzen.

Ungeahnter Weltrekord

Zu viele Hoffnungen sollte man sich allerdings nicht machen. "Es passiert leider häufiger, dass man etwas zu hoch einschätzt, weil Oma und Opa gesagt haben, dass etwas wertvoll ist", mahnt Dorotheum-Expertin Herbst. Gelegentlich passiert so ein Millionenfund aber doch. Ohne das geschulte Auge der Experten hätten die Eigentümer eines verschollen geglaubten Gemäldes von Frans Francken vermutlich niemals geahnt, dass ihr Bild einen Rekordpreis erzielen würde. "Die Eigentümer hatten es jahrelang nicht wirklich beachtet. Es war verschmutzt und nicht aufgehängt gewesen. Sie entschlossen sich, das Gemälde vom Dorotheum schätzen zu lassen. Dabei stellte sich nach Recherchen unserer Experten heraus, dass es sich um ein dokumentiertes, aber verschollen geglaubtes Hauptwerk des Flamen Frans Francken handelte. Über sieben Millionen Euro wurden 2010 damit erzielt", so Herbst. Äußerst lukrativ können auch Designer-Accessoires wie die berühmte "Kelly Bag" von Hermès sein. Sagenhafte 37.800 Euro erzielte die "Kelly 35" aus glänzendem Krokodilleder im Jahr 2019.

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Ablauf einer Auktion

Wer sich dazu entschließt, ein Objekt zu verkaufen, sollte sich vorab telefonisch, per Mail oder Videostream über den Ablauf einer Auktion und über anfallende Kosten beraten lassen. Nach der Schätzung wird üblicherweise der Rufpreis, der zugleich Startpreis bei der Auktion ist, beziehungsweise der Schätzwert für ein Objekt festgesetzt. Dann wird das Objekt zum nächstmöglichen Termin online oder live versteigert. Bei erfolgreicher Auktion erhält der Verkäufer den höchsten gebotenen Preis, das Meistbot, abzüglich Kommission und eventuell angefallener Kosten für Fotos und Punzierung.

Aufgrund der Corona-Krise wurden 2020 viele Auktionen online abgehalten. Die Teilnahme an diesen ist relativ einfach: Nach vorhergehender Registrierung kann der Interessent sein maximales Gebot auf der Website des Dorotheums abgeben. Jedes Gebot übersteigt das vorhergehende um etwa zehn Prozent. Der Verlauf der Auktion kann online mitverfolgt werden. Die Teilnehmer werden automatisch über die Höhe des aktuellen Gebots informiert und haben so die Möglichkeit, ihr Gebot zu ändern. Der Meistbietende erhält letztendlich den Zuschlag. Auf das Meistbot wird je nach Höhe eine Käufergebühr zwischen 15 und 28 Prozent aufgeschlagen. Nach der Zahlung kann der Käufer sein Objekt abholen oder liefern lassen.

Frans Francken II
© Dorotheum Wien SELTENER FUND. Das verschollen geglaubte Werk des Flamen Frans Francken wurde von seinem ursprünglichen Besitzer nie wirklich beachtet. 2010 erzielte das Bild einen Rekordpreis von über sieben Millionen Euro

Die Jagd nach dem Schatz

Auktionen sorgen nicht nur bei Investoren und passionierten Sammlern für Herzklopfen, sondern auch bei Verkäufern. Der prüfende Blick eines Experten kann in jedem Fall dabei helfen, die Wertigkeit besser zu eruieren und auch zwischen Original und Kopie zu unterscheiden. Mode, Schmuck, Gemälde, Kleinkunst, Einrichtungsgegenstände, Briefmarken und Münzen gelten als beliebte Auktionsobjekte und sollten deshalb nicht leichtfertig als Ramsch abgetan werden. International gelten auch Konsumprodukte, zum Beispiel Whisky, als besonders trendy und erzielen teilweise unglaubliche Summen bei Versteigerungen.

Die Jagd auf kleine und große Schätze kann sowohl auf Flohmärkten als auch bei Auktionen ein großer Spaß mit ungewissem Ausgang sein. Die nächsten Auktionstermine sind auf der Website des Dorotheums einsehbar.

Der Beitrag erschien ursprünglich in der News-Ausgabe 05/2021.