So wird das Wetter im Jahr 2050

Der Bericht des Weltklimarats IPCC (2018) zeichnet ein düsteres Bild. Folgt keine Trendumkehr, wird die Erwärmung bis zum Jahr 2100 bei mindestens fünf Grad liegen. Experten prognostizieren bis zu 80 Hitzetage mit mindestens 30 Grad jährlich für Österreich. Die dramatischen Folgen des ungebremsten Klimawandels werden aber nicht erst am Ende dieses Jahrhunderts zu spüren sein. News entwirft ein Szenario, was der Klimawandel bereits im Jahr 2050 bewirkt haben könnte.

von Klimakrise - So wird das Wetter im Jahr 2050 © Bild: Merridee Stein

Dass Sommer sich für sie irgendwann einmal schlecht anfühlen wird, kann sich die siebenjährige Hanna überhaupt nicht vorstellen. In der Schule, die im Moment sehr, sehr uninteressant für sie ist, oder von Erwachsenen hört sie manchmal etwas von "Klimawandel" und "Temperaturanstieg". Doch was das für sie heißt, wissen nicht einmal die Großen so ganz genau. Warum sollte es also Hanna wissen?

Dabei betreffen die Szenarien, vor denen Klimaforscher warnen, die Welt, in der Hanna leben wird, wenn sie erwachsen ist. Für sie und ihre Generation macht es einen großen Unterschied, ob es die Staatengemeinschaft hinbekommt, ihr Klimaziel weniger als zwei Grad Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu erreichen. Ob die Durchschnittstemperatur in den nächsten Jahrzehnten also um eineinhalb oder zwei Grad oder vielleicht sogar mehr ansteigen wird. Wobei das Problem weniger der Durchschnitt sein wird, sondern Wetterextreme wie Hitzewellen, Dürren und darauf folgende Gewitter, Starkregen und "Jahrhunderthochwasser". Die Frage ist: Wie sehr wird sich Österreich über die Jahrzehnte mit dem Klima ändern? Wie wird Hanna im Jahr 2050 leben?

© Merridee Stein Die Gletscher in den Alpen waren schon bedroht, ihr Verschwinden nur eine Frage der Zeit
© Merridee Stein Regen statt weißer Pracht, zu warm für die Schneekanonen. Die Pisten bleiben grün.

Aufenthalt im Freien nicht mehr angenehm

"Im Jahr 2050 werden 80 Prozent der Österreicher in Städten leben", sagt der Klimaforscher Herbert Formayer. Also an Orten, wo es wenig Grün, durch Asphalt und Beton versiegelte Flächen und Mauern gibt, die die Sommerhitze auch noch in der Nacht speichern. "Von Juni bis August wird es in den Städten so heiß sein, dass ein Aufenthalt im Freien nicht mehr angenehm ist", sagt Formayer. Ein Stadtbummel am Nachmittag? Nicht auszuhalten. Eigentlich müsste man wie in mediterranen Ländern ein paar Stunden Siesta halten und dafür am Abend länger arbeiten. Ein Wandel der Lebensgewohnheiten, der in Österreich noch schwer vorstellbar ist. Formayer sagt: "Fünf Wochen Urlaub und drei Monate Hitze muss man mit der Arbeitswelt erst einmal in Einklang bringen."

Wenn Hanna erwachsen ist, wird sie sich wohl tagsüber im klimatisierten Büro aufhalten und dann mit der klimatisierten U-Bahn oder dem gekühlten Auto nach Hause fahren. Ihre eigenen vier Wände sind natürlich auch längst durch Außenjalousien und Klimaanlagen temperiert. Und es wird genau deswegen völlig neue Berufsfelder geben, von denen ihre Eltern, als Hanna sich für eine Ausbildung entscheiden musste, noch wenig Ahnung hatten. Fassaden, die ihre Energie selbst produzieren, Verkehrsmittel und Industrie, die ohne fossile Energieträger auskommen, brauchen Erfindergeist und neue Jobs. Hanna muss bloß in zehn Jahren den richtigen Berufsweg einschlagen.

Österreich besonders betroffen

Unser Land ist vom Klimawandel besonders betroffen, zeigt der erste österreichische "Klimasachstandsbericht", an dem 240 heimische Klimaforscher drei Jahre lang gearbeitet haben. Seit 1880 ist die Temperatur hier bereits um fast zwei Grad gestiegen, während die globale Erwärmung bei 0,85 Grad hält. Ohne Gegenmaßnahmen würden bis 2050 noch einmal bis zu zwei Grad dazukommen, bis Ende des Jahrhunderts könnten es 3,5 Grad sein. Gab es in den letzten Jahren im Schnitt nur sechs aufeinanderfolgende Hitzetage mit mehr als 30 Grad, werden es, wenn Hanna erwachsen ist, bis zu 27 Tage Hitze in Folge sein, bevor es eine kurze Abkühlung gibt, sagt eine Studie von Wissenschaftlern der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt.

© Merridee Stein Die Krähen bleiben daheim in Russland, weil die Winter dort nicht mehr so kalt sind
© Merridee Stein Flanieren ade: 2050 wird man sich im Sommer in klimatisierte Räume flüchten

1.000 Hitzetote zusätzlich pro Jahr

Im Forschungsprojekt "Coin" des Climate Change Centre Austria, das die Kosten des Klimawandels analysiert, wird bereits mit 1.000 Hitzetoten zusätzlich pro Jahr gerechnet. Wenn wir schon bei den Kosten sind: Laut Coin schlagen sich die klimabedingten Schäden schon seit 2015 mit einer Milliarde Euro zu Buche, bis zur Jahrhundertmitte werden es jährlich 4,2 bis 5,2 Milliarden sein. Dabei sind die Folgekosten der globalen Auswirkungen des Klimawandels noch gar nicht berücksichtigt. Schreiten die Klimaerwärmung und das Bevölkerungswachstum ungebremst voran, werden zur Jahrhundertmitte 200 Millionen Klimaflüchtlinge in begünstigte Regionen drängen. Kaum vorstellbar in einem Land, das schon 2015 mit 70.000 Asylanträgen von Kriegsflüchtlingen komplett überfordert war, während weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind.

Palmen statt Laubbäume?

Am Wochenende flüchtet die mittlerweile erwachsene Hanna, wie die meisten Städter, ans Wasser und in die Wälder. Es ist freilich ein anderer Wald, als ihn Hanna aus ihrer Kindheit kennt. Weniger Fichten, denn die halten Hitze und Trockenheit nicht so gut aus. Dafür mehr Laubbäume oder Kiefern, die allerdings für die Bauern schwieriger zu vermarkten sind. Der Botaniker und Ökologe Georg Grabherr wagt die Prognose: "Hanfpalmen, die wir vom Lago Maggiore kennen, könnten auch im Wienerwald heimisch werden." Wenn Hanna bei ihren Spaziergängen ganz leise ist und Glück hat, wird sie vielleicht einen Goldschakal zu Gesicht bekommen. Diese scheuen Tiere waren in Österreich bereits ausgestorben und begannen, als Hanna noch ein Kind war, mit ihrer Rückkehr aus Südeuropa Richtung Norden. Den Wald als Naherholungsgebiet wird man allerdings nicht mehr ganz so sorglos betreten können wie früher. Die Trockenheit erhöht das Risiko von Waldbränden. Am Waldrand werden entsprechende Warntafeln mit Verhaltensmaßregeln stehen.

© Merridee Stein Die Hanfpalme, heute aus dem Mittelmeerraum vertraut, wird auch hier heimisch

Landwirtschaft profitiert

Die wärmeren Sommer werden allerdings nicht nur Nachteile haben. Die Landwirtschaft kann von den höheren Temperaturen profitieren, sofern es genug Wasser gibt, um die Felder zu bewässern, sagt Meteorologe Formayer. Wo kein Grundwasser vorhanden ist, wird das Wasserpumpen die Produktionspreise aber in die Höhe treiben. Das Marchfeld, immer schon ein wichtiger Gemüselieferant Österreichs, wird noch bessere Bedingungen für die Bauern bieten. Saisongemüse wie Erdbeeren und Spargel wird es früher im Jahr geben. Die Spargelfelder müssen nicht mehr beheizt werden. Totalausfälle bei der Wachauer Marillenernte wird man auch kaum mehr fürchten müssen, weil die Frostgefahr zur Marillenblüte ziemlich gering sein wird. Dafür steigt die Hagelwahrscheinlichkeit.

Durch die Wärme gedeihen auch jene Pflanzen früher, länger und mit größerer Ausbreitung, unter denen Allergiker leiden. Die hochallergene Ragweed-Pflanze wird auch auf über 1.000 Metern Seehöhe wachsen, wo sich Asthmatiker bisher sicher fühlten. Auch Krankheiten, die von Insekten übertragen werden, wie die Leishmaniose oder die Malaria, könnten in Österreich Fuß fassen.

Mehr Weinbau

Fährt Hanna im Sommerurlaub an den Wörthersee, kann sie in den Weingärten um den See spazieren gehen und den Tag beim Heurigen ausklingen lassen. Denn der Klimasachstandsbericht prognostiziert, dass es in Österreich künftig wesentlich mehr für den Weinbau geeignete Regionen geben wird. Kärnten und Oberösterreich könnten großflächig Weinbaugebiete werden. Sogar im Tiroler Inntal und am Bodensee wäre Weinbau möglich. Die Österreicher hätten allerdings andere Sorten im Glas als früher. Die leichten, spritzigen Weißweine kommen zur Jahrhundertmitte wohl eher aus Oberösterreich, haben wegen des Bodens dort aber einen anderen Charakter. Das Weinviertel würde eine Rotweingegend, im Burgenland könnten Aramon-und Carignan-Trauben wachsen, die früher in Frankreich beheimatet waren.

Gönnt sich Hanna eine Flasche Wein aus anderen Ländern, so wird sie vielleicht bei Weißwein zu Bouteillen aus Polen, dem Baltikum oder der Ukraine greifen. Und der Bordeaux könnte wegen der Hitze nicht mehr in Frankreich wachsen, sondern aus England oder aus Asien kommen.

Alles anders für Biertrinker

Umgewöhnen müssen sich auch Biertrinker: Die warmen Temperaturen schmälern die Hopfenernten und ändern auch noch den Geschmack. Kaffee ist nicht mehr das Frühstücksgetränk der Massen. Eine Studie der Humboldt-Universität Berlin rechnet damit, dass bis zur Jahrhundertmitte die Hälfte der Kaffeeanbauflächen verschwunden sein wird. Ähnliches gilt für den Anbau von Kakaobohnen. In Ghana und der Elfenbeinküste, wo derzeit noch 70 Prozent des Kakaos wachsen, könnte es 2050 schon zu heiß dafür sein. Für Hanna bleibt zum Frühstück also nur Tee -oder Traubensaft.

Die Tourismusbranche wird im Sommer davon profitieren, dass es weiter im Süden einfach viel zu heiß zum Urlaubmachen ist. Allerdings werden die Einbußen im Wintertourismus bis dahin wesentlich höher sein. Die Coin-Studie rechnet mit Verlusten von 300 Millionen Euro jährlich. Denn Schneesicherheit in den Skigebieten gibt es schon lange nicht mehr, und sogar für die Schneekanonen könnte es bis dahin zu warm sein.

Keine weißen Weihnachten mehr

Die Gletscher der Alpen werden bis zur Jahrhundertmitte wohl weggeschmolzen sein. Das beeinträchtigt nicht nur das Landschaftsbild. Im Juli und August lieferten schmelzende Gletscher früher jenes Wasser, das einerseits Flusskraftwerke antrieb und andererseits die Temperatur in Flüssen wie Inn und Salzach stabilisierte. Für Forellen und Äschen wird es nun zu warm sein.

Überhaupt, der Winter: Weiße Weihnachten gab es schon in Hannas Kindheit kaum mehr. Der Winter wird grau-braun, und er wird ganz anders klingen. Viele Zugvögel werden nämlich nicht mehr Richtung Süden wandern. Die Grasmücken und die Störche werden wohl ganzjährig nisten. Die Krähen allerdings müssten im Winter ebenfalls nicht mehr in den Süden, in diesem Fall nach Österreich, ziehen. Ihr krächzendes Rufen wäre damit verstummt. Wenn Hanna erwachsen ist, wird sie den Winter nicht mehr hören.