Klaus Eberhartinger: "Ich lebe im Jetzt"

Zum 70. Geburtstag machte Klaus Eberhartinger eine Ausnahme und teilt einige Anekdoten aus entscheidenden Lebensjahren. Lieber spricht der EAV-Star nach der Bandpension aber über das Heute und das Morgen.

von Rückblick - Klaus Eberhartinger: "Ich lebe im Jetzt" © Bild: Matt Observe

Der 70er scheint endlos entfernt, wenn Klaus Eberhartinger federnden Schrittes die Wiener Hotellobby durchquert. Laut Kalender war es dennoch am 12. Juni Zeit für das runde Jubiläum. Der Sohn des EAV- und ORF-Stars, der selbst vor wenigen Tagen 35 Jahre alt wurde, reist dafür aus Vorarlberg an. Gemeinsam feiern die beiden in "kleinstem Rahmen" Geburtstag. Rückschau zu halten ist nicht nach Eberhartingers Geschmack. "Ich bin jemand, der im Jetzt lebt", beschreibt der Jubilar die ablehnende Haltung zu "Ach, damals"-Erzählungen.

Die vergangenen Wochen des Lockdowns hat er im Haus seiner Schwester in Deutschland verbracht und die Rückkehr in seine zweite Heimat, Kenia, erwartet. Mit Bauvorhaben, die er dort umsetzt, wartet in Afrika einiges auf ihn. - Auch ein fittes Leben. Jeden zweiten Tag fährt er dort 25 Kilometer mit dem Rad. An manchen Tagen gehen sich 30 Kilometer aus. Mit Kilometerzähler und Geschwindigkeitsmesser ist er unterwegs, um die Tagesform zu checken. "Das motiviert mich", sagt er. Man sieht ihm den Sportsgeist dabei an.

Bis Anfang des Jahres war an Sport freilich kaum zu denken. Inmitten der triumphalen Abschiedstour seiner Band, der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, im vergangenen Herbst stürzte er und brach sich sieben Rippen. Das sei nicht so arg gewesen, wiegelt er ab. Er hat darin Routine. "Ich habe nur zwei Rippen, die noch nie gebrochen waren. Die anderen habe ich mir beim Kitesurfen, beim Windsurfen, bei der Leichtathletik beim Studium in den USA alle schon gebrochen", sagt er und erzählt von Krafttraining und Intervallfasten, das nun auf dem Plan steht.

Kritische Gedanken, viele Pläne

Schon ist er inmitten der ersten jener Anekdoten, die er sonst nicht preisgibt. Für News macht er eine Ausnahme - so die Abmachung - und erzählt von Meilensteinen im Leben. Nach der Matura war es, erinnert er sich, als er in Philadelphia mit einem trefflichen Spitznamen ausgezeichnet wurde.

Eberhartinger weilte mittels Stipendium an der Chestnut Hill Academy in Philadelphia, und im Jahrbuch sind die ersten gebrochenen Rippen so dokumentiert: Er ist als "Everhurtinger" in die Uni-Geschichte eingegangen. "Beim Sport bin ich schon immer an die Grenzen gegangen."

Es hat ihm nicht geschadet, denn zum runden Jubiläum geht es dem zweifach Romy-gekrönten ORF-Entertainer (u. a. "Dancing Stars") blendend. "Mir fehlt nix. Manchmal zwickt das Kreuz, ja", sagt er. "Ich lasse mich zweimal im Jahr ärztlich durchchecken und habe sehr gute Werte. Das ist Glück." So gut geht es ihm, dass er oft vergisst, dass er nun bei der Nummer sieben nach Jahrzehnten angekommen ist. "Nachdem der erste Schock überwunden ist, gebe ich zu: 70 ist die Zahl, bei der für mich früher das Altsein begonnen hat."

Auch im Anekdoten-Modus schwenkt er lieber zu Gedanken über das Heute und das Morgen. "Die politische Stimme zu erheben, ist schwierig geworden. Viele schimpfen jetzt auf Kanzler Kurz. Ich halte ihn für einen guten Kanzler. Er hat viel richtig gemacht. Eine Regierung mit den Grünen ist leiwand. Corona geht vorbei, die Umweltproblematik bleibt", sagt er.

»Was da auf uns zukommt, macht mir Angst«

"Was da auf uns zukommt, macht mir Angst. Gestern habe ich in den Nachrichten gehört, dass die Erderwärmung bei 1,26 Grad liegt. Bei 1,5 beginnen die Katastrophen." Ein Umdenken sei hier notwendig, urgiert er, "weil wir gerade die Welt an die Wand fahren". Die Umverteilungsdebatte sieht er dazukommen: "Das Thema wird die Menschen auf die Straßen treiben, weil es systemisch notwendig ist. Laut Finanzanalysten bewegt sich unser System schon seit zwei Jahren am Rand des Absturzes." Der Gedankensprung folgt einer Erinnerung an die Dissertation, die er wegen der EAV nie fertiggestellt hat. Das Thema lautete "Gewinnaufteilungsverhalten in Kleingruppen" und sollte behandeln, inwieweit das Teilen im Menschen angelegt ist.

Es sind Themen, die den wortgewaltigen Bühnenmenschen beschäftigen. Gut möglich, dass sie zu einer Neuerfindung des Unterhalters führen. "Mit 70 sehe ich schon das Dunkel am Ende des Tunnels, deswegen muss ich mich beeilen, wenn ich noch Ideen umsetzen will", so Eberhartinger. Eine Infotainment-Show wäre nach seinem Geschmack. Für die Generation 50 plus sei er doch endlich im besten Alter, so der Jubilar. Wer würde wagen zu widersprechen?

Sein Sohn Christoph

»Ein cooler Bursch!«

Das Foto ist beim "Dancing Stars"-Finale entstanden. Er war mit seiner Mama beim dort, Thomas Spitzer und Wolfgang Ambros waren auch da. Der Bub hatte sich extra ein Tattoo auf den Arm geklebt, um mich anzufeuern. Das Gaukler-Gen hat sich aber nicht vererbt. Er hat zwar dieselbe Kunstausbildung wie der Thomas absolviert, dann aber eine Business-School gemacht. Ein cooler Bursch! Der kann Mangas zeichnen! In Spanien und London hat er studiert, den Master gemacht und ein Praktikum in San Francisco. Heute arbeitet er in der Marketingabteilung der Aspiag. Wobei ich glaube, die Computerbranche war lange sein Traum. Das ist seine Welt, das Computerspielen, die bleibt mir verschlossen. Da vergehen so viele Stunden. Die Zeit habe ich nicht!

EAV-Partner Thomas Spitzer

»Die Freundschaft ist geblieben«

Ich habe damals Straßentheater gespielt und wir haben uns gekannt, weil ich mit Thomas' Schwester unterwegs war. Ich habe keine Bühnenerfahrung gehabt, aber Thomas hat Talent in mir gesehen. Drei Tage lang haben wir Brainstorming im wahrsten Sinn des Wortes gemacht, dann war ich überredet, bei der EAV einzusteigen. Thomas hat das gegen den Willen der Band durchgesetzt. Ich habe meine Dissertation auf Eis gelegt und blitzartig gemerkt: Die Bühne ist ein Wohlgefühl.

Die Meisterbastler. Alles haben wir selbst gemacht, von den Kostümen bis zum Bühnenbild. Dieser Gout des Selbstgemachten, dieser Anflug von Trash war als Stilmittel ein wichtiger Ausdruck und Teil unserer Kunst. Mit dem Erfolg mussten wir lernen, abzugeben. - Das ist schwer, wenn du bei jemandem vorbeigehst, der die Nietenzange falsch in der Hand hält. "Schau, Thomas ", sag ich damals. Und er: "Ich weiß, wir brauchen bald eine neue Zange " Thomas ist der Meisterbastler. Bei unserem Busumbau sind unsere verschiedenen Charaktere zu Tage getreten. Ich habe gesagt: "Wir brauchen Metallwinkel, ich fahr nach Graz und hole Aluprofile." "Na, na, keine Zeit", sagt der Thomas. "Was haben wir da?" In der Zeit, in der wir dann Eisenprofile zusammengeschweißt haben, wäre ich dreimal nach Graz gefahren. "Was hamma, das nemma" ist Thomas. "Was brauch ma, das kauf ma" ist Klaus. Unsere Freundschaft ist geblieben, mit losem Kontakt. Er hat seine Familie, ich meine. Wir sind dieses Ehepaar, das schon länger getrennte Schlafzimmer hat.

Die zweite Heimat Kenia

»Zur richtigen Zeit am richtigen Ort«

Kenia ist seit 1994 meine zweite Heimat, die immer mehr zur ersten geworden ist. Am Anfang wollten Thomas und ich dem Winter entfliehen, heute habe ich meinen Lebensmittelpunkt, mein Privatleben dort. Das ist mir wichtig. Privat ist privat. Ich war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und habe ein Grundstück am Meer erworben. Das wird nun mit einer Firma entwickelt, ein Immobilienprojekt.

Die Rolle im "Watzmann"

»Gailtalerin? Eine Alpin-Schlampe!«

Die Gailtalerin! Im Herbst ist es wieder so weit, wir spielen "Der Watzmann ruft" noch einmal in der Originalbesetzung. Dem Wolfgang (Ambros, Anm.) geht es endlich wieder gut! Nach einem langen Leidensweg ist er endlich schmerzfrei, das freut mich wahnsinnig für ihn. Meine Rolle, die Gailtalerin, war ursprünglich eine Nebenrolle, die Manfred Tauchen gespielt hat. Ich habe mich erst so richtig für sie begeistert, als der Joesi Prokopetz noch zwei Lieder für die Gailtalerin geschrieben hat. (Prokopetz schuf "Watzmann" 1974 mit Ambros und Tauchen als Konzeptalbum, Anm.). Dazu habe ich die blonde Perücke gefunden und die roten Stiefeletten, und dann war klar: Wir machen eine Hochalpin-Schlampe aus ihr! Hoffentlich bin ich, wenn wir's endlich wieder spielen dürfen, nicht so alt, dass ich mit langem Rock und Gesichtsschleier spielen muss

Der Durchbruch mit "Geld oder Leben!"

»Ein Erfolg - trotz Plattenfirma«

"Geld oder Leben!"(das fünfte und erfolgreichste EAV-Album, 1985, Anm.) war der Durchbruch. Ein Meilenstein auf vielen Ebenen: Die Plattenfirma in Köln hat damals nicht verstanden, was wir tun und warum das Erfolg hat. Es war die Mischung aus Rock-Comic, politischer Bissigkeit, Humor und dem Geruch von Anarchie, die es im Popbereich damals nicht gegeben hat. Uns wurde ein internes Rundschreiben zugespielt, in dem sinngemäß stand: Kann sein, dass die Erfolg haben, aber bei uns finden sie nicht statt. Bei der Platinverleihung habe ich mich entsprechend bedankt: "Ich danke allen, die diesen Erfolg trotz Plattenfirma ermöglicht haben -also uns!" Da geht ein Traum in Erfüllung, klar. Wir sind aber davor schon auf Knien durch so viele Erfolgstäler gerobbt, dass wir nach dem Erfolg nie abgehoben sind. - Was nicht heißt, dass wir nicht gefeiert haben.

Keine Gold-Sammlung. Die Platinplatten und Auszeichnungen haben bei mir alle verschiedene Ehrenplätze. ( Eberhartinger hat auch zwei Romys und das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, Anm.). Manches ist bei meinem Sohn in Vorarlberg, manches in meiner Grazer Wohnung, manches im Haus meiner Schwester in Deutschland. Ich hatte nie einen festen Wohnsitz und mir bedeutet es nichts, Preise zu betrachten. Ich hänge nicht an Dingen. Vom Gegessenen wird man nicht satt, sagt man. Ich lebe im Moment, ich plane für morgen. Pläne für übermorgen zu machen, finde ich schon schwierig.

Der "Dancing Stars"-Triumph

»Ich war immer das Zirkuspferd«

Bei der ersten Anfrage, bei "Dancings Stars" mitzutanzen, habe ich abgesagt. Ich habe gedacht, da wird man vorgeführt. Dann habe ich Toni Polster, Andi Goldberger und Marika Lichter gesehen und gemerkt: Das ist erstklassige Unterhaltung! Dass es so knallhart wird, habe ich nicht gewusst. Ohne Kelly Kainz als Partnerin hätte ich das nie geschafft. Sie war streng und hat mich oft mit Verachtung gestraft, wenn ich daneben getanzt habe. Da sind die Fetzen geflogen. "Today we go home", hat Kelly ab der sechsten Sendung gesagt. Dass wir gewinnen, hat niemand geglaubt. Auch im Studio nicht. Wir haben zum Blues-Brothers-Medley eine Choreografie gebastelt und ich habe - als Showeffekt und um Zeit zu schinden - die Idee geboren, Kelly nach dem ersten Teil ihren Anzug wegzureißen.

Der Sieg mit der Unterhose. Daraus ist die Idee entstanden, dass sie mir am Ende auch die Hose wegreißt. Darunter habe ich billige Männerunterhosen getragen. Der Regisseur Kurt Pongratz war so erschrocken, dass ich gewusst habe: Das ist der Effekt, den wir brauchen. Man kann sagen, ich habe es mit der Unterhose gewonnen. Die Moderation hat sich ergeben. Offenbar habe ich die Zuschauer gut unterhalten und Alfons Haider wollte zeitgleich die Musicalshow moderieren. Natürlich ist das Arbeit, sich einen Witze-Vorrat zuzulegen. Ich bereite für jeden Kandidat zwei Seiten mit Themen vor und arbeite mit Gregor Barcal und einem Freund an möglichen Gags. Welche dann in der Sendung funktionieren, weißt du natürlich nicht. Es war eine Weichenstellung für diese Art der Moderationskarriere. Ich probiere gerne Dinge aus. In der Monokultur der EAV war ich immer schon das Zirkuspferd.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 24+25/2020.