Haie: Warum viele Mythen
und Vorurteile falsch sind

Wie die als Monster und Killer verrufenen Tiere wirklich ticken

Haie sind oft als Monster, Killer und Menschenfresser verschrien. Doch wie sieht die Realität aus? Seit 400 Millionen Jahren schwimmen Haie durch die Weltmeere. Und das soll auch so bleiben. Denn eigentlich ist nicht der Hai, sondern der Mensch das blutrünstige Raubtier. Walter Buchinger, Präsident von "Sharkproject Austria", erklärt, woher der schlechte Ruf des Meeresräubers kommt, welche Vorurteile und Mythen falsch sind und warum die Welt Haie braucht.

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Meeresräuber - Haie: Warum viele Mythen
und Vorurteile falsch sind

1. Ihr schlechter Ruf eilt ihnen voraus

Mythos: Haie, insbesondere der Weiße Hai, sind geborene Killer, die alles und jeden angreifen.

Realität: Man dürfe nicht vergessen, dass Haie Wildtiere sind und an der Spitze der Nahrungsketten stehen, sagte Hai-Experte Walter Buchinger. "Aber wenn man sich die Mühe macht, die Tiere kennenzulernen, mit ihnen taucht - ich tauche seit 40 Jahren mit Haien - und man sich zu benehmen weiß, beginnt man die Eleganz dieser Tiere zu verstehen", teilte der Experte mit.

Für ihn ist klar, woher das schlechte Image der Haie kommt: Filme wie der "Der Weiße Hai" haben eben einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. "Ich habe in den 1970er Jahren zu tauchen begonnen. Als ich den Film damals gesehen habe, habe ich mir gedacht: 'Ich werde sicher nicht im Ozean tauchen'". Und dieses Vorurteil vom Killerhai habe sich bei vielen bis zum heutigen Tag gehalten.

2. Haie und ihr Gefahrenpotenzial

Mythos: Alle Haie sind potenziell gefährlich und greifen auch Menschen an.

Realität: Weltweit gibt es etwa 500 verschiedene Haiarten. "Nur 20 Prozent der Haiarten werden größer als zwei Meter. Unfälle passieren meist mit Haien, die zwischen drei und vier Meter groß sind", sagte Buchinger. Wenn etwas passiere, dann meistens mit Bullenhaien, Tigerhaien oder dem Weißen Hai.

Diese Arten weisen eben die entsprechende Größe auf, um einem Menschen überhaupt gefährlich werden zu können. Und warum kommt es nun zu solchen Unfällen?

3. Das Vorurteil vom Menschenfresser

Mythos: Der Mensch fällt ins Beuteschema größerer Haiarten, wie beispielsweise dem Weißen Hai.

Realität: "Das stimmt definitiv nicht", erklärt der Präsident von "Sharkproject Austria". Es sei eine Rarität, dass ein Hai etwas von einem Menschen abbeiße, ihn quasi zum Fressen gern habe. "Kommt es zum Biss, handelt es sich um einen sogenannten Probebiss", sagte der Experte.

Haie haben insgesamt sieben Sinne. Neben dem Seh-, Gehör-, Geschmacks-, Geruchs-, und Tastsinn verfügen sie noch über Drucksensoren und einen Elektro-Sinn (Lorenzinischen Ampullen). Mit ihren elektrischen Sensoren können Haie Temperaturunterschiede und elektrische Felder wahrnehmen. Den Geschmackssinn setze der Hai laut Buchinger erst ein, wenn er mit den übrigen Sinnen nicht mehr zurande komme. "Die Geschmacksnerven sitzen im Gaumen, also kommt es zum Probebiss", und das kann fatale Folgen haben, wie er erklärte. "Erwischt der Hai ein größeres Blutgefäß, kann auch ein Probebiss tödlich sein". Für den Experten ist es daher wichtig, nicht von Haiattacken, sondern von Unfällen zu sprechen.

Pro Jahr sterben weltweit zehn bis maximal 13 Menschen an den Folgen von Hai-Bissen - im Vergleich zu anderen Todesursachen ist das eine geringe Zahl. So sterben beispielsweise jährlich laut WHO-Bericht zwischen 473.000 bis 789.000 Menschen an Malaria, die von der Anopheles-Mücke übertragen wird. Etwa 1,2 Millionen Menschen weltweit verunglücken jedes Jahr bei Verkehrsunfällen tödlich. Die Liste von Dingen, die deutlich gefährlicher sind als Haie, ist jedenfalls lang.

4. Der Hunger eines Raubtieres

Mythos: Haie sind ständig hungrig und auf der Suche nach Beute.

Realität: "Das Fressverhalten ist von Hai zu Hai verschieden", teilte der Experte mit. Haie würden aber im Unterschied zum Menschen nur dann essen, wenn sie Hunger haben. Ein Hochseehai, der ein gute Beute gemacht habe, komme auch zwei Tage oder länger damit aus. Das sei ganz von der Fischmenge oder dem Fang abhängig.

5. Was es mit dem Blutrausch auf sich hat

Mythos: Sobald Blut im Spiel ist, verfällt der Hai in einen Blutrausch.

Realität: Haie reagieren durchaus auf Blut. Sie können mit Fischresten angelockt werden. Allerdings hat der Hai nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kein Faible für menschliches Blut. Das liege nicht in seiner Natur und habe mit der evolutionären Entwicklung zu tun. "Der Hai ist in seiner 400 Millionen alten Entwicklungsgeschichte erst spät auf Menschen gestoßen", sagte der "Sharkproject Austria"-Präsident.

6. Vom Jäger zum Gejagten

Mythos: Haie töten jedes Jahr unzählige Menschen, ohne sie wären die Strände sicherer.

Realität: In Wahrheit jagt der Mensch den Hai. 2010 sind laut einer Studie des Meeresbiologen Boris Worm 97 Millionen Haie getötet worden. Vermutet wird mangels ausreichender Daten zum Haifischfang, dass jährlich zwischen 63 Millionen und 273 Millionen Haie durch menschliche Hand sterben. Entweder um an ihre Flossen und das Fleisch zu gelangen oder weil sie als Beifang in den Netzen von Fischern landen. Die EU nimmt beim Haifischfang einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. "Die Flossen gehen zwar nach Hongkong, die Reste der Haie werden aber zum nicht unbeträchtlichen Anteil in Europa verteilt", berichtete der Hai-Experte.

7. Warum die Welt Haie braucht

Mythos: Im offenen Meer wimmelt es nur so von Haien, auf ein paar Haie weniger kommt es nicht an.

Realität: "Das ökologische Gleichgewicht würde enorm darunter leiden, falls die Top-Räuber des Meeres ausgerottet werden", sagte Buchinger. Einige Haiarten stehen bereits auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN). Doch selbst bedrohte Haiarten seien noch zur Jagd freigegeben, ärgert sich der Tierschützer.

Welche Auswirkungen die Ausrottung der Haie auf unser Ökosystem haben kann, zeigen wissenschaftliche Studien. Diese haben belegt, dass ohne die Haie, kleinere Beutetiere wie Rochen Überhand nehmen und wiederum die Muschelpopulationen gefährden. "So einen Fall hat es bereits an der nordamerikanischen Ostküste gegeben. Dort haben die Behörden die Küste für Surfer und Badegäste haifrei gehalten. Die Folge war, dass sogenannte Kuhnasenrochen die Austernbänke in der Region leergefressen haben", erzählte der Experte.

Für den Schutz der Haie einzutreten ist also dringend notwendig. "Man muss anfangen, darüber nachzudenken, welche Folgen es hat, wenn dieses elegante Lebewesen aus unseren Meeren verschwindet", sagte Buchinger.

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© Video: News.at/Fotos:IStockfoto

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