Generation Beziehungsunwillig?

Wie sehr junge Erwachsene bereit sind sich zu binden und woran Beziehungen scheitern

Partner kommen, Partner gehen. Wer nicht passt, wird ausgetauscht. Gegen den nächsten, mit dem es dann vielleicht besser klappt. Oder auch nicht. Ist die heutige junge Generation etwa nicht mehr bereit, sich zu binden? Sich auf eine ernsthafte Beziehung einzulassen, in der man nicht nur nehmen kann, sondern auch geben muss? Gibt mittlerweile die "Generation Beziehungsunwillig" den Ton an?

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Endstation Singledasein - Generation Beziehungsunwillig?

"Die Schwierigkeit, sich auf einen Partner einzulassen, hat es immer schon gegeben. In allen Kulturen und zu allen Zeiten", erläutert der Paartherapeut Dr. Michael Schmitz. Mit einem Unterschied: Heute sei der Einstieg in eine Beziehung leichter. Der Einstieg ebenso wie der Ausstieg. "Früher hat man eine Beziehung aufrecht erhalten, weil eine Trennung undenkbar war", erklärt die Wiener Psychotherapeutin Mag. Martina Bienenstein. Denn mit der Trennung einher ging nicht nur das Risiko, gesellschaftlich geächtet zu werden, sondern auch den finanziellen Boden unter den Füßen zu verlieren. "Das ist heute nicht mehr so. Es ist legitim, sich zu trennen." So wäre man heute eher dazu verleitet, eine Beziehung zu beenden, wenn Schwierigkeiten auftreten.

Schwindet die Kompromissbereitschaft?

Heißt das, dass man heute weniger dazu bereit ist, Kompromisse einzugehen? Bienenstein verneint. Ihr zufolge ginge es weniger ums Wollen als ums Können. "Ich glaube, dass viele gar nicht beziehungsfähig sind." Um beziehungsfähig zu werden, müsse man eine Reihe an Entwicklungs- und Lernprozessen durchlaufen. Nun sei es aber so, dass Eltern heute vermehrt versuchen, ihrem Kind sämtliche Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Mit der Folge, dass die Heranwachsenden kaum Bewältigungsstrategien lernen und eine niedrige Frustrationstoleranz haben. "Die Realität zeigt aber: Der Partner ist nicht immer das Gelbe vom Ei. Man muss sich zamstreiten können, gemeinsam Höhen und Tiefen durchwandern. Das muss man gelernt haben." Bienenstein sieht hier ein deutliches Manko, das es den Jugendlichen mitunter erschwert, empathisch aufeinander zuzugehen.

»Viele Jugendliche sind groß geworden mit dem Bewusstsein: Ich bin der Beste. Für mich kann gar nichts gut genug sein.«

Anderseits träfe man immer häufiger auf Personen mit überhöhtem Selbstbewusstsein. "Ganz viele Jugendliche sind groß geworden mit dem Bewusstsein: Ich bin der Beste, der Tollste. Für mich kann gar nichts gut genug sein." Für eine Beziehung, in der es darum geht, den Partner wertzuschätzen und zu lieben, eine schwierige Voraussetzung, mahnt Bienenstein. Schmitz spricht in diesem Zusammenhang vom Maximizing. Geleitet von dem Gedanken "Irgendwo finde ich noch etwas Besseres", verfolgt man stets das Ziel, in sämtlichen Lebensbereichen das Optimum zu erreichen. "Das ist in Wirklichkeit aber gar nicht möglich", gibt Schmitz zu bedenken. Und schon gar nicht in einer Beziehung, in die jeder Mensch Stärken wie Schwächen einbringt.

Die Illusion vom Traumpartner

Wer sich dennoch der Illusion hingibt, den Traummann, die Traumfrau zu finden, wird in Beziehungsangelegenheiten kaum erfolgreich sein. "Der Begriff sagt ja schon: Den gibt's nur um Traum. Im Traum ist alles ideal. Da gibt es nur Übereinstimmung, nur Zuneigung. Die Bedürfnisse und Interessen des anderen entsprechen den eigenen. Alles ist immer im Einklang. Das gibt es im wirklichen Leben aber nicht." Und spätestens, wenn man gewisse Unstimmigkeiten erkennt, sieht, dass die Bedürfnisse und Interessen des Partners nicht deckungsgleich mit den eigenen sind, platzt der Traum. Die Beziehung wird beendet. Dass das Problem damit aber nicht gelöst ist, wird gerne übersehen.

»Im Traum gibt es nur Übereinstimmung, nur Zuneigung. Alles ist im Einklang. Das gibt es im wirklichen Leben aber nicht.«

Womit wir wieder bei der Frustrationstoleranz wären: Man müsse aushalten können, dass nicht alles realisierbar ist, was man sich wünscht, so Schmitz. Man müsse lernen, mit Frustration und Konflikten umzugehen, die überall dort entstehen, wo Menschen unterschiedliche Ideen, Vorstellungen und Wünsche haben. Sprich in jeder gesunden Beziehung. Und man müsse vertrauen können. Denn jemand, der Angst hat, verlassen zu werden, scheut automatisch davor zurück, sich auf eine Beziehung einzulassen. Je ernsthafter nämlich die Beziehung, desto stärker wird sie als Bedrohung wahrgenommen. Bis man dann doch lieber einen Schritt zurück macht, um nicht zu sagen, den Schritt aus der Beziehung heraus.

Die Angst, enttäuscht zu werden

Meist wurzelt diese Angst in schlechten Erfahrungen. Entweder weil man bereits von einem geliebten Partner verlassen wurde oder aber in der Kindheit keine gute, stabile Beziehung zu den Eltern erlebt hat. "Eltern, die sehr umtriebig leben, berufstätig sind, einen nervenaufreibenden Alltag haben, widmen ihren Kindern weniger Aufmerksamkeit, Zeit und Energie. Den Kindern fehlt dann der Rückhalt. Sie lernen, dass man sich nicht auf andere einlassen darf, sich schützen muss, weil man sonst enttäuscht wird, sich eine Abfuhr einholt. Das ist schon ein gewisses Problem", erklärt Schmitz. Wer in der Kindheit entsprechende Erfahrungen gemacht habe, sei weniger bereit, sich später auf eine Beziehung einzulassen.

»Junge Frauen haben es nicht mehr notwendig, sich einem Mann an den Hals zu werfen, um versorgt zu sein.«

Und wie steht es um den Wunsch nach Unabhängigkeit? Junge Frauen sind heute, so Schmitz, selbstbewusster, eigenständiger und unabhängiger. "Sie haben es nicht mehr notwendig, sich einem Mann an den Hals zu werfen, um versorgt zu sein." Damit wären sie auch kritischer und freier, was die Partnerwahl betrifft. Sie nehmen ihre beruflichen Möglichkeiten wahr und wären nicht mehr dazu bereit, sich in eine Rolle drängen lassen, in der sie auf all das verzichten müssen. Männer, auf der anderen Seite, täten sich schwer mit dieser Veränderung. Die Tatsache, dass ihnen ihre ursprüngliche Rolle, nämlich die des Machers, abhanden kommt, führe zu Irritation. Abgesehen davon müssten sich mehr anstrengen, um eine Beziehung herzustellen. Was nicht immer leicht fiele.

Welche Rolle spielt der Wunsch nach Unabhängigkeit?

Auch Bienenstein sieht den Wunsch nach Unabhängigkeit stark ausgeprägt. Bei Männern wie bei Frauen. Ihr zufolge ist er aber nicht hinderlich, wenn es darum geht, sich auf eine Beziehung einzulassen. Im Gegenteil: Wer sich heute ein gemeinsames Leben aufbauen will, muss hart arbeiten. Und wie ist es nun um die Bereitschaft bestellt, sich zu binden? Der Expertin zufolge schreiben gerade die jungen Erwachsenen Beziehungen groß. Man bindet sich früh, will heiraten. Alles in allem schlagen hier sehr konservative Werte durch. "Es geht um Wohlstand und Wohlstandserhaltung. Junge Erwachsenen sehen sich existenziell gefährdet, weil alles am Krachen ist. Sie suchen nach sicheren, stabilisierenden Werten. Und dazu gehört eben auch die Beziehung."

»Junge Erwachsenen suchen nach sicheren, stabilisierenden Werten. Und dazu gehört eben auch die Beziehung.«

"Verschiedene Umfragen zeigen, dass jungen Menschen Treue sehr wichtig ist", bestätigt Schmitz. "Sie wollen nicht unverbindlich durch die Gegend schwirren, sondern sich auf eine Beziehung einlassen." Wobei die aktuelle wirtschaftliche Lage natürlich nicht der einzige Grund für die Bereitschaft ist, sich zu binden. "Letztlich", so Bienenstein, "geht es doch darum, dass man nach Geborgenheit, Rückhalt und Schutz sucht." Oder, um es mit Schmitz' Worten zu sagen: "Wir alle haben den Wunsch, die wahre Liebe zu finden. Einen Menschen, mit dem wir Freude und Leid teilen können." Einen, auf den wir uns verlassen können und von dem wir wissen, dass er uns gut behandelt und liebt.