Rendi-Wagners Frontalangriff: "Kurz hat zwei Gesichter"

SPÖ-Chefin attackierte Altkanzler in ORF-Duell hart: Informierte er Presse über Hofers Krankheit?

Die letzten ORF-Duelle vor der Nationalratswahl verliefen teils freundschaftlich mit der Suche nach Gemeinsamkeiten, doch vor allem das Duell SPÖ-ÖVP zwischen Pamela Rendi-Wagner und Sebastian Kurz fiel sehr angriffig und emotional aus.

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Das letzte ORF-Duell des gestrigen Abend war mit Abstand das härteste - und wohl nicht umsonst als Finale gewählt. Rendi-Wagner startete damit, dass sie zum wiederholten Mal den Misstrauensantrag gegen Kurz und seine Regierung verteidigte. Anfangs betonte sie noch, es gebe eine persönliche "sehr höfliche" Ebene zwischen ihr und dem Altkanzler. Doch dann wurde es emotional: Kurz habe ein freundliches Gesicht, wenn die Kamera eingeschaltet ist, sagte Rendi-Wagner. Aber er habe auch ein anderes Gesicht, das erst zum Vorschein komme, wenn die Kameras weg sind.

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Ließ Kurz Presse über Hofers Krankheit informieren?

Auch "in der Sekunde nach dem Ibiza-Video" habe Kurz "nur an sich selbst gedacht und nicht an die Zukunft von Österreich", warf sie dem Parteichef vor. Dann kam der wohl unerwartetste Vorwurf des Abends. Kurz habe nach den letzten Duellen am Küniglberg, als FPÖ-Chef Norbert Hofer diese mit über 39 Grad Fieber durchgestanden hätte, in der Sekunde danach seinem Pressesprecher gesagt, er solle die Presse von Hofers Krankheit informieren, so Rendi-Wagner. Kurz zeigte sich kurz sprachlos, bevor er meinte: "Das hat jetzt alles getoppt" - mit dem Hinweis, dass Verschwörungstheorien normalerweise eher aus der FPÖ kommen würden. Die Anschuldigungen seien "absurd", die "Einleitung war so ziemlich das skurrilste, das ich im Wahlkampf erlebt habe", zeigte sich Kurz überrascht.

Rendi-Wagner äußerte sich am Donnerstag erneut dazu: Wer unehrlich und unaufrichtig ist, müsse damit rechnen, dass auch einmal jemand den Mut habe, das auszusprechen. Sie sei entsetzt gewesen, wie Kurz vergangene Woche auf die Nachricht, dass Norbert Hofer mit 39 Grad Fieber im ORF-Studio medizinisch versorgt werden musste, reagiert habe. "Statt an Hilfe und Unterstützung zu denken, hat Kurz um ca. 20 Uhr – vor dem gemeinsamen Gruppenfoto im ORF-Studio – seinen Pressesprecher damit beauftragt, eine Zeitung darüber zu informieren. Ich war in unmittelbarer Nähe und habe es selbst gehört. Meine Überzeugung ist: Jemandem, der Unterstützung braucht, ist rasch zu helfen. Kritische Situationen anderer Menschen für den eigenen Vorteil zu nützen, ist unanständig und unmenschlich", teilt Rendi-Wagner in einer Aussendung mit. Dieses Vorgehen zeige die zwei Gesichter des Sebastian Kurz.

Kurz-Pressesprecher Johannes Frischmann wies dieser Behauptung via Twitter schon Mittwochabend zurück. Er verwies darauf, dass Hofer-Sprecher Volker Höferl am besagten Abend selbst die Öffentlichkeit auf Twitter um 20.28 Uhr informiert hatte. "@norbertghofer gerade am Küniglberg medizinisch versorgt worden. Fieber gemessen: 39,4 Grad", schrieb Höferl dazu am 11. September.

Hofer-Sprecher Volker Höferl wollte sich zu den Aussagen Rendi-Wagners am Donnerstag nicht weiter äußern. "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak, der am Tag von Hofers Fieberschub ebenfalls am Küniglberg war, hielt unterdessen in seinem täglichen Wahlbriefing fest, dass er an diesem Abend von Hofer unter vier Augen persönlich informiert worden sei. Kurz danach habe Hofers Pressesprecher getwittert.

»Sie sind sehr jung, sie können noch was lernen«

Trotz aller Angriffslust schlossen weder Rendi-Wagner noch Kurz eine Zusammenarbeit auf politischer Ebene aus. Die SPÖ-Chefin wolle "professionell" arbeiten. Kurz sei "sehr jung, er kann ja noch was lernen", sagte sie. Kurz meinte, es gebe sehr wohl Gesprächsebenen, aber inhaltlich sehr große Unterschiede zwischen ÖVP und SPÖ - vor allem in der Migrationspolitik und beim Umgang mit dem politischen Islam. Kurz nannte als oberstes Ziel eine konsequente Linie gegen illegale Migration, während sich Rendi-Wagner für ein Österreich, das sozial stark ist, einsetzt. Einziger Konsens der beiden: Für ein besseres Gesundheitssystem brauche man mehr Geld.

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Meinl-Reisinger vs. Hofer ebenfalls sehr hart

Im ersten Duell des Abends zwischen NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und FPÖ-Chef Norbert Hofer war es davor ebenfalls zur Sache gegangen. Hofer lobte erneut die türkis-blaue Koalition und sagte: "Wir haben in dieser Regierung keine Schulden gemacht". "Sogar ein Hydrant hätte dieses Budget zusammengebracht", konterte Meinl-Reisinger mit Blick auf die positive Wirtschaftsleistung, die der Regierung in die Karten gespielt habe.

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Hofer: Rechnungshof soll keine Einblicke in Finanzen haben

Ein Hickhack entwickelte sich auch beim Thema Parteispenden. Hofer bekräftigte, er wolle dem Rechnungshof (RH) keinen Einblick in die Parteifinanzen gewähren - und wenn, dann solle dieser gleich alle Medien mitprüfen, sagte er. Die FPÖ habe ihren Schuldenstand zuletzt bekanntgegeben, außerdem gebe es "keine Zuwendung von irgendeinem Verein an die FPÖ", so Hofer. "Sie finanzieren sich über Haselsteiner", warf er den NEOS vor, Meinl-Reisinger konterte mit Verweis auf das Ibiza-Video und dem "wichtigen Thema Korruption", was Hofer nur ein Augenrollen kostete.

Leichtfried vs. Pilz: Wie gute alte Freunde

In die Konfrontation mit Peter Pilz von der Liste JETZT schickte die SPÖ ihren Vize-Klubchef Jörg Leichtfried. Die beiden unterhielten sich anfangs wie gute, alte Freunde, zelebrierten das Du-Wort und sprachen einander mit ihren Vornamen an. Die beiden betonten Gemeinsamkeiten, wie etwa beim bedingungslosen Grundeinkommen. Pilz fordert zwar kein allgemeines bedingungsloses Grundeinkommen, sondern eines im Alter und eines für Kinder - um Alters- und Kinderarmut zu verhindern. "Da sind wir gar nicht so weit weg", sagte Leichtfried und sprach auch den von der SPÖ geforderten Mindestlohn von 1.700 Euro an.

Unterschiedliche Positionen zwischen Pilz und Leichtfried gab es bei der Lebensmittelproduktion. Pilz kritisierte, dass ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen aus der Tierproduktion komme, deswegen möchte er auf regionale Bio-Landwirtschaft setzen. Außerdem verlangte er die Einführung einer Mehrwertsteuer auf Fleisch und eine CO2-Steuer. In diesem Punkt nahm Leichtfried die EU in die Pflicht - und so wurde es am Ende doch noch etwas emotionaler: "So kenne ich die SPÖ seit 20 Jahren", sagte Pilz. "Aber wenn wir immer auf Brüssel warten, wird es oft zu spät sein", meinte er. Leichtfried konterte mit der Frage, ob es nicht die SPÖ gewesen sei, die den öffentlichen Verkehr in den letzten Jahren so gut ausgebaut habe. "Halte diese Reden am Parteitag", wies Pilz ihn in die Schranken.

Meinl-Reisinger zu Kurz: "Ausbildung statt Abschiebung"

Vor allem um Lehre und um Bildung ging es im Aufeinandertreffen von NEOS-Chefin Meinl-Reisinger mit ÖVP-Chef Kurz. Der türkise Parteichef verteidigte die von ihm geforderte "pragmatische Lösung" für Altfälle von Asylwerbern in Lehre. Die ÖVP-Linie sei, dass Asylwerber in Zukunft erst in Lehre gehen dürfen, wenn sie einen positiven Asylbescheid haben. Schließlich wolle man "die Zahl jener, die zu uns kommen, reduzieren und sie nicht auch noch anlocken", so Kurz. Meinl-Reisinger plädierte für "Ausbildung statt Abschiebung". Asylwerber sollten ihre Lehre auch bei einem negativen Bescheid fertig machen dürfen und danach sogar noch ein, zwei Jahre bleiben dürfen, weil Unternehmer ja auch in die Lehrlinge investieren würden.

»Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, die Regierungsarbeit zu bejubeln«

Der Vorwurf von Kurz, die NEOS hätten den Deutschklassen nicht zugestimmt, wurde von Meinl-Reisinger quittiert mit: "Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, die Regierungsarbeit zu bejubeln". Auch die Einführung der Ziffernnoten kritisierte sie. Da half auch Kurz' Aussage "Meine Mutter ist Lehrerin" nichts, Meinl-Reisinger hielt die Ideen der NEOS in Sachen Bildung für die "besseren Vorschläge".

Kogler und Hofer über das Heer

Im Gespräch zwischen FPÖ-Chef Hofer und dem Grünen Werner Kogler ging es vor allem um das Bundesheer. Kogler ist der Ansicht, das Bundesheer müsse auf ein absolut notwendiges Maß reduziert werden. Mehr Geld sollte es für den Katastrophenschutz geben, für die Bekämpfung von Cyberkriminalität und für internationale friedenserhaltende Einsätze. Der Grünen-Spitzenkandidat sieht keinen zusätzlichen Bedarf bei der Ausrüstung wie etwa bei Panzern - und holte zum Rundumschlag gegen die Eurofighter aus: "Wenn es nach uns gegangen wäre, wären die Eurofighter nie angeschafft worden", sagte er. "Da ist ja das Schmiergeld schon auf den Flügeln draufgepickt", beschwerte er sich und beklagte: "Wir haben Luft-Ferraris gekauft, obwohl wir nur einen Kleinwagen gebraucht hätten".

Kogler: Geld für sinnvollere Projekte als das Heer

Hofer möchte ebenfalls mehr Geld für Cybersicherheit und Katastrophenschutz und vor allem auch Mittel für die Miliz, sagte er. Mit dem Geld, das in einem Bericht vom Dienstag für das Bundesheer gefordert wird, könne man jedoch sinnvollere Projekte unterstützen, konterte Kogler. "Ein Prozent des BIP hätte ich gern einmal für den Klimaschutz", sagte er. Man könne nicht einfach Klimaschutz gegen das Bundesheer tauschen, wischte Hofer den Gedanken vom Tisch und stellte klar: "Wir werden an einer Koalition nicht teilnehmen, wenn das Bundesheer nicht ordentlich finanziert wird".