Der Travolta und der blade Ogris, das sind zwei Paar Schuhe

Derzeit kein Trainerjob - nun ist Kultkicker Andreas Ogris "Dancing Star" im ORF. Flankiert von Gattin Michaela spricht er über seine Gratwanderung zwischen Fußballgott, Spaßvogel und Witzfigur

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Dancing Stars - Der Travolta und der blade Ogris, das sind zwei Paar Schuhe © Bild: Matt Observe/News
Andreas Ogris Geboren am 7. Oktober 1964 in Wien, spielte Ogris, genannt "Ogerl" oder "Roter Ferrari", 63 Mal im Nationalteam. Mit Toni Polster bildete der als überaus temperamentvoll bekannte Ogris ein legendäres Angriffsduo. Seine größten Erfolge auf Vereinsebene feierte er bei Austria Wien, für eine Saison kickte er bei Espanyol Barcelona. Bis 2019 coachte Ogris die zweite Mannschaft der Austria, seither ist er als Trainer vereinslos.

News: Bäuchlein, Schmäh, Trainingsanzug, leidenschaftliche Beziehung zum Bier: Im Grunde mögen die Österreicher Menschen wie Sie - aber nur die wenigsten Vereinspräsidenten wollen sich ihren Trainer so vorstellen. Ist das ungerecht?
Andi Ogris:
Die Außendarstellung des Trainers ist für die Vereine mittlerweile viel, viel wichtiger als das, was er am Platz zusammenbringt. Früher war das anders - aber heute gibt es ja auch viele Trainer, die in Anzug, Hemd und Krawatte an der Seitenlinie stehen, und das ist ja auch okay. Aber bitte eines nicht vergessen: Jürgen Klopp, zur Zeit der Kult-Trainer schlechthin, steht im Trainingsanzug da -und identifiziert sich so mit seiner Mannschaft. Und bleibt auch ungeschützt stehen, wenn es zu schütten beginnt. Und so mache ich das auch.

Ist das Grundproblem aber nicht, dass die Präsidenten eher jemanden wollen, der auch von der Figur her ein Vorbild ist?
A. Ogris:
Ich bin jetzt 55 Jahre alt, und solange ich Fußball gespielt habe, war ich austrainiert. Wenn du deine Karriere beendest, kommen pro Jahr zwei, drei Kilo rauf -das ist halt so. Momentan bin ich aber auf einem guten Weg, wieder zwei, drei Kilo runterzubringen. Aber das mache ich nicht für die Vereine. Ich sage: Entscheidend ist, was ein Trainer mit der Mannschaft weiterbringt, ob er einen Bauch hat, ist völlig wurscht.

Trotzdem: Die Fußball-Legende Ogris sitzt nicht auf der Trainerbank, sondern dribbelt bei "Dancing Stars" - was sagt uns das?
A. Ogris:
Das sagt uns, dass der ORF die Chance genutzt hat. Und nachdem ich gerade Freizeit hatte, habe ich mich dafür entschieden. Erstens, weil es etwas ist, was ich gar nicht kann

...und weil Sie jung sind und das Geld brauchen?
A. Ogris:
Fairerweise muss man sagen, dass das Schmerzensgeld wirklich okay ist. Und auch die mediale Präsenz ist höher als beim Spazierengehen. Vielleicht schaut auch nach "Dancing Stars" kein Trainerjob für mich raus -aber vielleicht tut sich was anderes auf. Ich war ja nicht immer nur Fußballer. Eine Zeit lang war ich an einer Baufirma beteiligt, eine Zeit lang habe ich ein Wettcafé im Prater betrieben -für einen gewissen Zeitraum, aber dann dachte ich mir: Das ist irgendwie doch nicht, was ich will.

Was wollen Sie denn?
A. Ogris:
Ich weiß es nicht, ich lasse es auf mich zukommen. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir beizeiten darauf geschaut haben, dass wir auch nach meiner Fußballkarriere noch etwas haben. Wir haben mittlerweile fünf Friseurbetriebe und können uns auch gut ernähren, wenn der Andi Ogris einmal keinen Trainerjob hat.

»Wenn ich die Verzweiflung in ihrem Gesicht sehe, komme ich, der alte Brummbär, und bitte um eine Rauchpause«

Michaela Ogris: Dieses zweite Standbein war immer unser Plan, damit er sein Paradiesvogelsein leben kann. Das Tanzen ist jetzt eine tolle Geschichte, er wird im Kopf klar -und das ist gut für einen Trainer, der sonst immer nur Druck hat. Aber natürlich weiß ich: Fußball ist dein Leben. Ich glaube, dass du dem Fußball trotzdem verbunden bleibst. Ich weiß, ja wie du tickst. Und wenn du was willst, dann ziehst du es durch bis zur bitteren Neige.

A. Ogris: Na gut, wenn du eh alles weißt, dann kann ich ja jetzt aufstehen und gehen.

Was würden Sie denn im Fußball noch gerne erreichen? Oder soll ich die Gattin fragen?
M. Ogris:
Ich glaube, dass es das große Ziel von meinem Mann ist -denn umsonst hat er nicht die Uefa-Lizenz gemacht -, ein ganz, ganz großer Trainer zu werden und zu zeigen, was er kann. Zumindest in der Bundesliga. Was sagst du?

© Matt Observe/News Der Friseursalon von Michaela Ogris ist mit Fotos aus der Karriere des einstigen Flügelstürmers ausstaffiert

A. Ogris: Natürlich ist das immer das Ziel, wenn man sich zuerst sechs Jahre in einen Lehrsaal reinsetzt. Das Ziel ist, zu beweisen: Du kannst was erreichen, du kannst mit jungen Menschen bei einem Verein was weiterentwickeln. Eine Mannschaft zu bekommen, die jung ist und unroutiniert und in der es an vielen Ecken hapert -das wäre nicht mein Problem. Ich will was weiterentwickeln, das ist mein Ziel.

Sie verlangen also Zeit -aber genau die hat ein Trainer heute nicht mehr.
A. Ogris:
Nein, nein, du kriegst bei manchen Vereinen schon eine gewisse Zeit. Das ist eine Vertrauensgeschichte. Wenn ich mir Wattens anschaue und ihren Trainer -die konnten nur durch Mattersburgs Pleite die Liga halten, aber die Präsidentin ist trotzdem sehr ruhig, sehr besonnen, die lässt den einfach arbeiten. Dasselbe passiert in Hartberg. Vielleicht ist es kein Zufall, dass auch dort eine Präsidentin im Amt ist. Anscheinend sind die Frauen in dieser Beziehung ein bissel ruhiger und reagieren emotionsloser.

M. Ogris: Geh bitte!

A. Ogris: Ich rede vom Fußball! Die haben meist nicht selber Fußball gespielt und halten sich nicht wie die meisten Männer für Teamchefs.

Es heißt, als Spieler hätten Sie sich nie so richtig gequält. Ist das jetzt anders?
A. Ogris:
Wer das sagt, kennt mich nicht einmal ein Stückerl! Ich bin ein geselliger Mensch, ich lache gerne und trinke gerne das eine oder andere Bier, kein Problem. Ich rauche auch gerne meine Zigaretten, auch kein Problem. Aber, und da kannst du alle meine ehemaligen Trainer anrufen und nachfragen: Wenn ich auf den grünen Rasen raus bin, egal, ob im Training oder zum Spiel, da hat es nie was gegeben. Das war Arbeit, da habe ich gehackelt ohne Ende. Mir ist nichts geschenkt worden. Wenn meine Haberer am Wochenende weggegangen sind, habe ich heim müssen, weil ich am nächsten Tag Match hatte. Aber ich sage auch: Wenn man dann im Fußball schon etwas erreicht hat, kann man sich schon ab und zu was leisten. Diese Burschen haben so einen immensen Druck, Woche für Woche, beim Training, beim Match, da muss ab und zu das Ventil aufgehen. Der Unterschied zu früher sind nur die Smartphones -egal, wo du hingehst, jeder macht Fotos oder Videos von dir. Zu unserer Zeit ist halt ein Paparazzo herumgerannt, und wenn er echtes Glück hatte, hat er uns erwischt. Aber wir haben uns fast nie erwischen lassen.

M. Ogris: Der frühere Teamchef Hickersberger hat einmal gesagt: "Mit dem Ogris kann man in den Krieg ziehen." Und das ist genau so.

»Fußball-Vereinspräsidentinnen reagieren emotionsloser als Männer, bei denen sich die meisten für Teamchefs halten«

Aber was machen Sie als Trainer, wenn Sie das Video eines Spielers sehen, der um drei in der Früh in der Disco herumkugelt?
A. Ogris:
Was ich mache? Ich beobachte, wie er sich die nächsten zwei, drei Tage beim Training verhält. Wenn er da nicht Gas gibt, dass die Schwartln krachen, dann kriegt er ein Problem mit mir. Dann hole ich ihn mir und führe ein Gespräch mit ihm: "Horch zu, fortgehen ist gut -aber am nächsten Tag heißt's Hackeln." Und wenn das nicht geht, gibt's Probleme. Aber wenn's am Platz funktioniert, ist mir egal, was er privat macht.

Wie geht der alte Tanzbär Ogris damit um, dass plötzlich die 27-jährige Vesela Dimova als Trainerin die Befehle gibt, die vier Jahre jünger als die eigene Tochter ist?
A. Ogris:
Da treffen zwei Sportler aufeinander. Ich begebe mich auf ein Terrain, das mir gänzlich unbekannt ist, und sie ist der Profi -egal, ob sie 17 ist, 27 oder 47. Sie ist Profi und sagt, was zu tun ist. Ich bin Profi und begebe mich in ihre Hände. Mein Problem sind ja nicht mehr die Schritte und Figuren, sondern die richtige Reihenfolge. Es ist wie ein Trockenskikurs: Ohne Musik und im Schritttempo funktioniert es, aber dann kommt die Musik dazu, und dann muss alles in Schallgeschwindigkeit passieren. Zumindest für mich. Und dann kommen die Probleme. Ein falscher Schritt, und meine Festplatte löscht sich im selben Augenblick. Aber diese Frau hat eine Engelsgeduld mit mir

M. Ogris: Ja, was soll sie denn machen? Ich habe ihr eh schon ein paar Tipps gegeben, von Frau zu Frau.

A. Ogris: Wenn ich in ihrem Gesicht erste Spuren der Verzweiflung sehe, dann komme ich, der alte Brummbär, und bitte um eine Pause -Rauchpause.

© Matt Observe/News Andi Ogris selbst macht keinen schlanken Fuß - wohl aber Tanzpartnerin Vesela Dimova

Und wie ist das jetzt mit der Ernährung?
M. Ogris:
Er isst ja ur wenig. Aber er isst falsch. Wenn er am Abend zu Hause ist, dann nascht er sehr gerne, und das ist schlecht. Und er isst so viel Obst, das hat ja auch so viel Zucker! Er isst den ganzen Tag nichts, aber das er auch schon als Spieler so gemacht. Er ist um sieben in der Früh zum Training und hat nichts gegessen. Jetzt isst er vorm Training zumindest Gurken und Karotten.

Hat Tanzen aus Ihrer Sicht auch etwas Erotisches?
A. Ogris:
Tanzen ist harte Arbeit, die nichts mit Erotik zu tun hat.

M. Ogris: Noch nicht, lass dich überraschen.

Haben Sie denn eine gemeinsame Tanzvergangenheit?
M. Ogris:
Wir waren so frisch verliebt, wir sind gar nicht zum Tanzen gekommen.

A. Ogris: In der Disco ja. Nach fünf Bier tanze ich alles. Das war aber nicht die Lust an der Bewegung, sondern das Mittel zum Zweck -zum Näherkommen. Wenn sie eine langsame Nummer gespielt haben, hast du einen Nabelpresser getanzt, und der Fall war erledigt. Das kann jeder Stocki.

Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie den alten Tanzbären in die Arme einer so jungen Frau geben?
M. Ogris:
Ach, wir sind 30 Jahre verheiratet, da muss es so viel Vertrauen geben, dass ich über so was gar nicht nachdenke. Die Vesela könnte ja unsere Tochter sein. Wir haben so viel Höhen und Tiefen miteinander erlebt. Wenn ich Zweifel hätte, hätten wir beschlossen, dass er nicht tanzt - wir haben uns ja beide darauf eingelassen. Aber ich bin kein eifersüchtiger Mensch

Aber früher war der "Ogerl" doch ein wilder Hund, oder?
M. Ogris:
Darüber könnte ich ein dickes Buch schreiben - später, dann wenn ich's für den Rosenkrieg brauche (lacht). Der Andi war immer ein Typ Mann, der seinen Weg gegangen ist, egal, ob er richtig war oder falsch. Eigentlich ist er ja ein sehr gefühlsbetonter Mensch und ganz extrem bei seiner Tochter und seinem Enkerl: Wenn er den Dress überstreifte, war er ein wilder Hund, aber zu Hause war er immer ruhig und entspannt. Wenn du jung bist, streitest du ja auch -aber mein Mann hat mich eigentlich nie gekränkt oder beleidigt, ich muss sagen, das war, wenn, eher umgekehrt.

Tanzen ist ja auch Kokettieren mit Äußerlichkeiten - wie würden Sie denn Ihren Stil beschreiben?
A. Ogris:
Ball flach halten! Wenn ich mich in diesen verspiegelten Tanzsälen sehe, denke ich mir - Alter, wie geht das? Wenn mir die Vesi sagt, komm, mach es wie der Travolta, und ich sehe mich im Spiegel, dann kriege ich einen Lachanfall. Wenn du den Travolta siehst auf Zehenspitzen und den bladen Ogris -das sind zwei paar Schuhe.

Die Leute lachen mit dir, die Leute lachen über dich -das ist doch ein schmaler Grat, oder?
A. Ogris:
Darauf musst du dich einlassen. Schlank wie bei der WM 1990 werde ich nimmer daherkommen, außer, ich bade mich in Salzsäure. Wenn wer sagt: "Schau, der Blade!", dann ist mir das wurscht.

M. Ogris: Wenn der Andi im Schweizerhaus sitzt und ein Bier trinkt, sagen die Leute: "Schau, der ist b'soffen " Entweder, man mag ihn, oder man mag ihn nicht, wäre ja fürchterlich, wenn ihn alle mögen würden. Ich kann mich erinnern: Ich hatte einmal einen Journalistenanruf -"Ihr Mann sitzt vollfett in einem Innenstadtlokal." Da habe ich gesagt: "Das kann's jetzt aber nicht sein, nicht böse sein, der sitzt neben mir und hat sein Kind am Arm."

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 39/2020

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