Das Jagd-Netzwerk des Bischofs

Kärntens Ex-Bischof Alois Schwarz lud jahrelang Promis aus Politik, Wirtschaft und Kultur gratis zur Jagd ein. Dadurch entgingen dem Bistum wesentliche Einnahmen – was nun ebenfalls Gegenstand der päpstlichen Visitation in Kärnten ist. News liegt die Einladungsliste vor

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Chronik - Das Jagd-Netzwerk des Bischofs © Bild: Heinz Stephan Tesarek

Brisante Entwicklungen in der Causa Alois Schwarz: Der ehemalige Kärntner und seit Juli des Vorjahres niederösterreichische Bischof ist nicht nur wegen seines persönlichen Lebens- und Führungsstils umstritten, sondern auch wegen seiner wirtschaftlichen Entscheidungen und Gebarung. Laut dem von der kirchlichen Interimsführung in Klagenfurt in Auftrag gegebenen externen Prüfbericht sind allein in den letzten vier Jahren der Ära Schwarz in Kärnten wegen fragwürdiger Projekte 3,9 Millionen Euro Verlust im Bistum Gurk angefallen. Dort hatten Schwarz und mit seinem Sanktus auch seine enge Vertraute, Andrea E., de facto das alleinige Sagen. Und dort wurde investiert, um- und ausgebaut und wurden unliebsame Mitarbeiter aus dem Job vertrieben, als gäbe es kein Morgen, so der Tenor der Kritiker.

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Dabei hätte der finanzielle Abgang auch weniger hoch ausfallen können, hätte sich der Bischof bei seinen Aktivitäten mehr an ökonomischen denn an gesellschaftsträchtigen bzw. leidenschaftlichen Maßstäben orientiert. Denn der Spitzenkleriker hat jahrelang zahlreiche Promis aus Politik, Wirtschaft, Kultur und auch aus der Kirche zur Jagd eingeladen. Gratis, wohlgemerkt, wie aus einer News vorliegenden Einladungsliste hervorgeht. Dadurch seien dem Bistum wesentliche Einnahmen entgangen, heißt es in kirchlichen Kreisen. Bischof Schwarz habe mit den Einladungen „ihm treuhändisch anvertrautes Vermögen“ sozusagen „freihändig verteilt“.

244 Abschüsse

Tatsächlich sind laut der Liste, die News zugespielt wurde, im Zeitraum von Juli 2007 bis November 2017 insgesamt 244 Abschüsse registriert worden. Nur einer ­davon – ein im September 2010 erlegter 112 Kilo schwerer Hirsch – wurde auch bezahlt. Alle anderen getöteten Tiere nicht. Darunter finden sich mehr als 50 Hirsche und davon 23 der Klasse I, also der größten und ältesten Tiere mit entsprechenden ­Geweihen. Rund 125 Tiere waren ­diverse Reh- und Rotwildexemplare wie Rehböcke, -kälber, -geiße oder sogenannte Spießer. Auch 37 Gämsen, zehn Auerhähne, 13 Birkhähne, zwei Wildschweine und sogar ein putziges Murmeltier wurden von den Jagdgästen des Bischofs erlegt.

Teure Tarife

Legt man diesen Zahlen Abschusstarife ­zugrunde, die üblicherweise für derartige Strecken bezahlt werden müssen, so ergibt sich eine erkleckliche Summe. Wie hoch die genau ist, lässt sich nur schwer sagen, weil die Tarife regional durchaus variieren können. Laut informierten Kreisen fallen in Kärnten bzw. im Bistum Gurk aber für den Abschuss eines Hirsches je nach Kategorie – also nach Alter und Gewicht – im Schnitt zwischen 1.500 bis 8.000 Euro an. Ein Gamsabschuss kostet zwischen 1.500 bis 2.500 Euro, der eines – heute schon recht seltenen – Auerhahns 4.000 Euro, der eines Birkhahns 2.000 Euro. Lediglich ein Murmeltier ist mit 100 bis 200 Euro ­relativ günstig. Rechnet man diese Kosten hoch, so ergibt sich jedenfalls ein Schätzbetrag jenseits einer halben Million Euro.

Auffallend an der Abschussliste ist auch, dass nach dem Wechsel von Bischof Schwarz von Klagenfurt nach St. Pölten mit 1. Juli 2018 lediglich zwei Abschüsse angeführt werden. Nämlich ein Hirsch und eine Gamsgeiß, die am 20. und 21. September 2018 geschossen – und vom Jäger auch bezahlt – wurden.

Besonders auffallend an der Liste ist jedenfalls, dass sich unter den eingeladenen Jagdgästen immer wieder prominente und einflussreiche Personen finden. „Da waren viele Nützlinge, Freunde und Promis, aber kein einziger ‚Normalsterblicher‘ dabei“, sagt dazu ein Insider. Eine Feststellung, die in das umstrittene Bild von Schwarz passt, das seine Kritiker zeichnen: In kirchlichen Kreisen waren der Hang von Schwarz zur besseren Gesellschaft, zu Wirtschaftsmagnaten und zur Wörthersee-Society und sein aufwendiger Lebensstil seit jeher scheel betrachtet worden. Bezugnehmend auf das Motto von Papst Franziskus: „Ein Bischof soll demütig und gerecht sein, ein Diener und kein Fürst.“ Alois Schwarz dagegen soll der Macht und Prominenz indes nicht abhold gewesen sein, heißt es.

Minister und Manager

Und so finden sich auf der Abschussliste des Bischofs auch bekannte Politiker, Unternehmer und Vertreter von Interessenvertretungen: Beispielsweise Josef Pröll. Der ehemalige Landwirtschafts- und ­Finanzminister sowie ÖVP-Chef und nunmehrige Raiffeisen-Topmanager war am 24. Oktober 2011 ins Felfernig-Revier auf der Flattnitz im kärntnerisch-steirischen Grenzgebiet eingeladen. Und er hat damals einen Hirsch der Kategorie I mit einem ­Gewicht von 92 Kilo (ohne Haupt) geschossen. Problem hat Pröll, der zu dem Zeitpunkt bereits als Politiker zurückgetreten war und gerade beim Raiffeisen-Konzern Leipnik-Lundenburger begonnen hatte, damit keines: „Ich war damals kein Amtsträger. Das war eine reine Privatangelegenheit“, so Pröll, der 2012 niederösterreichischer Landesjägermeister wurde und auch selbst eine Jagd hat: „Einladungen zu Jagden gibt es immer wieder, und ich spreche selbst auch welche in mein ­Revier aus.“ Bischof Schwarz habe er als Niederösterreicher kennengelernt, auch weil Schwarz in der Bischofskonferenz für wirtschaftliche bzw. agrarische Agenden zuständig gewesen sei.

Ebenfalls eingeladen war Andrä Rupprechter – und zwar am 16. Juni 2017. „Es war das Wochenende nach Fronleichnam, und Bischof Alois hat am Samstag einen Mitarbeiter von mir getraut und dessen Sohn, meinen Taufgöd getauft“, nennt Rupprechter, der heute auf EU-Ebene tätig ist, den Grund der Einladung. Obwohl er zu dem Zeitpunkt noch ÖVP-Landwirtschaftsminister und damit Amtsträger war, sieht er kein Compliance-Problem: „Der erlegte Rehbock war ein ‚Knöpfler‘, ein Jahrling, für den keine Trophäengebühr anfällt, weil es keine Trophäe gibt.“ Den Trophäenbock habe er „leider verfehlt“. „Selbstverständlich hätte ich die anfallende Trophäengebühr entrichtet, falls ich einen solchen erlegt hätte“, so Rupprechter, den mit Schwarz „ein freundschaftliches Verhältnis“ verbindet: „Ich kenne Bischof Alois seit Anfang 2015, er ist in der Bischofskonferenz für Umwelt und Wirtschaft zuständig, daher ergaben sich mehrere Anknüpfungspunkte, Begegnungen und Gespräche.“ Er schätze ihn persönlich als Gesprächspartner und als Priester.

Auch Christoph Leitl, bis 2018 Präsident der Wirtschaftskammer und jetzt Euro­chambres-Chef, war Gast von Bischof Schwarz. Leitl war am 29. September 2011 auf der Flattnitz und hatte dabei Abschussglück: Er erlegte einen Hirsch mit 67 Kilo und zwei weibliche Rotwildtiere mit 45 bzw. 60 Kilo. Die Einladung sei aus „freundschaftlichen Motiven“ erfolgt, sagt Leitls Sprecher. Leitl und Schwarz würden einander seit vielen Jahren kennen und hätten zudem „eine gemeinsame Erklärung zu Ethik in der Wirtschaft erarbeitet und veröffentlicht“. Der WKO-Präsident habe einen angebotenen Hirsch nicht angenommen, sondern lediglich drei Hegeabschüsse vorgenommen. Dabei habe sich „keinerlei materieller Wert – kein Wildbret, keine Trophäe – ergeben“, so Leitls Sprecher. „Deshalb liegt kein Verstoß ­gegen Compliance-Bestimmungen vor.“

Komplexe Gesetzeslage

Der niederösterreichische Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf war ebenfalls ein Gast des Bischofs; in der Jagdliste ist er für den 26. Mai 2014 mit ­einem Birkhahn eingetragen. Zu dem Zeitpunkt war Pernkopf Landesrat. Er habe den Bischof 2013 kennengelernt, als dieser von ihm 2013 als Referent für eine Veranstaltung des Ökosozialen Forums einge­laden worden war, erklärt sein Sprecher. In der Folge sei er als Präsident des Öko­sozialen Forums von Schwarz eingeladen worden. „Die Annahme dieser Einladung war – auch im Hinblick auf den Zusammenhang mit dem Ökosozialen Forum – aus Compliance-Sicht in Ordnung“, so der Sprecher von Stephan Pernkopf.

Tatsächlich ist es schwierig festzustellen, ob eine Einladung einen Verstoß gegen die Compliance-Gesetzgebung darstellt oder nicht. Diese ist zwar im Strafgesetzbuch in den Paragrafen 304 bis 309 geregelt, der­artige „Sachverhalte“ seien aber „nicht pauschal beantwortbar“, heißt es dazu aus dem Justizministerium. „Ob es einen Compliance-Verstoss gibt und ob etwas eine Vorteilsannahme oder ein Bestechung ist, hängt ganz von den jeweiligen Umständen ab. Etwa ob sich jemand dadurch einen ­bestimmten Vorteil erhofft oder ob eine Amtshandlung dadurch beeinflusst wird“, sagt eine Ministeriumssprecherin. In solchen Fällen gebe es „langwierige Verfahren und dann ein Urteil“.

In Unternehmen, in denen es ebenfalls strenge Compliance-Regeln gibt, ist diese Beurteilung oft einfacher – besonders wenn der Chef auch Gesellschafter ist. Zum Beispiel bei Karl-Heinz Strauss, dem Vorstandvorsitzenden und Miteigentümer des Baukonzerns Porr. Der war am 14. Mai 2015 auf der Flattnitz auf einen Birkhahnabschuss eingeladen. Aus Sicht der Porr-Compliance-Organisation gibt es bei derartigen Einladungen für Vorstandmitglieder aber „keine Bedenken“, sagt ein ­Unternehmenssprecher: „Einladungen zur Jagd sind im Topmanagement nicht unüblich.“ Zudem sei die konkrete Einladung durch ­einen Vertreter der Kirche erfolgt.

Auch Veit Sorger, Aufsichtsratsvorsitzender der Mondi AG und bis Juni 2012 Präsident der Industriellenvereinigung, sieht in der Einladung von Bischof Schwarz im August 2012 kein Problem. Er hat damals eine Gamsgeiß und ein weibliches Gamskitz geschossen. Sorger: „Seit 2004 übe ich keinerlei operative Tätigkeit aus, daher kann auch keine Verletzung der Compliance-Regeln stattgefunden haben.“

Breites Beziehungsgeflecht

Das Beziehungsnetz des Bischofs beschränkte sich aber nicht nur auf Politiker und Unternehmer – der Südtiroler Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder war ebenso eingeladen wie Helmut Petschar, Chef der Kärntnermilch und Präsident der Vereinigung der Österreichischer Milchverarbeiter, anlässlich seines 50. Geburtstages –, sondern umfasste auch Kulturschaffende. So steht etwa auch der Radio- und TV-Moderator Arnulf Prasch auf der Liste. Er war zwei Mal – am 19. Oktober 2013 und 28. Oktober 2016 – eingeladen und hat ­dabei drei Stück Rotwild mit 33, 61 und 65 Kilo geschossen. Auch Paradeschauspieler Tobias Moretti war ein Gast des Bischofs – und zwar am 8. August 2014. Schwarz habe sich Anfang 2014 an ihn gewandt, um ihn als Diskussionsteilnehmer und Referenten für das Ethik Forum St. Georgen 2014 zu gewinnen, erklärt ­Moretti: „Zu unserer ersten Begegnung am 8. August desselben Jahres hat Bischof Schwarz mich und meine Frau in das Jagdhaus eingeladen, zum einen, um mit uns eine Messe anlässlich unseres Hochzeitstages zu feiern, an die ich mich sehr gern erinnere. Und zum anderen, um die Teilnahme am Ethik Forum zu besprechen.“ Im Zuge dessen habe auch ein Pirschgang mit dem damaligen Berufsjäger stattgefunden, bei dem ein Kalb, der Rotwild­reduktionsauflage entsprechend, erlegt worden sei, so Moretti.

Jäger vor dem Herrn

Bemerkenswert an der Abschussliste ist auch, dass zahlreiche Kleriker an den ­Jagden teilgenommen haben. Allen voran Bischof Schwarz selbst, der als leidenschaftlicher Jäger gilt. Der als Landwirtesohn in der Buckligen Welt aufgewachsene Schwarz fiel schon als Student durch seine Jagdbegeisterung auf, wie sich seine ­ehemalige Studienkollegin und bis 2018 ­Präsidentin der Katholischen Aktion, Gerda Schaffelhofer, erinnert. Wenig verwunderlich, dass der Bischof in der Abschussliste 13 Mal aufscheint. Er hat mit einem 108-Kilo-Hirsch auch das schwerste Exemplar erlegt – mit Ausnahme eines 112-Kilo-Kalibers, das sein Vater Alois Schwarz sen. geschossen hat. Der war zwei Mal – im August 2007 und 2008 – eingeladen.

Andrea E., die enge Vertraute des Bischofs, teilte mit ihm auch dessen Hingabe an die Jagd. Sie hielt nicht nur im aufwendig ausgebauten bischöflichen Jagdanwesen auf der Felfernigalm Hof, sie tätigte in den Jahren 2013 bis 2017 acht Wildabschüsse.

Aber auch noch eine Reihe anderer Geistlicher war in den Revieren des Bistums als Jäger unterwegs. Darunter etwa Äbte wie Martin Felhofer vom Stift Schlägl, der zwischen 2008 und 2017 sieben Mal zu Gast war. Oder der Dompfarrer und -kapitular von St. Stephan in Wien, Toni Faber. Der war am 28. August 2017 eingeladen und erlegte einen 70-Kilo-Hirsch. Alois Schwarz sei ab 1981 einer seiner Ausbildner im Priesterseminar gewesen und „mit ihm seit Jahrzehnten befreundet“, sagt Faber. Seit über 15 Jahren veranstalte er die Jägermesse im Stephansdom, wo er mit dem jagdlichen Gedanken vertraut wurde, so der Dompfarrer: „Im Zuge dessen habe ich auch die Ausbildung zur Jagdprüfung gemacht und durfte neben vielen Einladungen, die ich aus zeitlichen und pastoralen Gründen nicht annehmen konnte, die eine oder andere auch annehmen.“ Kirche und Jagd sind aus seiner Sicht – und der zahlreicher anderer Kleriker – kein Widerspruch: Die jahrtausendealte menschliche Kulturtradition der Jagd sei auch in den letzten beiden Jahrtausenden christlich durchleuchtet und gerade in christlichen Stiften und Pfarren höchst segensreich ­angewendet worden. „Sofern die Jagd nicht zur reinen Trophäenjagd verkommt, ist sie grundsätzlich nicht verwerflich, sondern für die naturnahe Forstwirtschaft wichtig“, heißt es dazu seitens der Bischofskonferenz.

Keine Vorgaben

Tatsächlich wird in den einzelnen Bistümern die Jagd nach wie vor hochgehalten – und zwar nach dem Ermessen des jeweiligen Bischofs. Konsequenterweise gibt es kirchenintern auch keine genauen Vorgaben, wie mit derartigen Jagdeinladungen umzugehen ist. „Es gibt dazu keine kirchlichen Regeln, aber staatliche Vorschriften, die eingehalten werden müssen“, sagt der Sprecher von Kardinal Christoph Schönborn. Wie ein Geistlicher mit der Jagd an sich umgehe, sei letztlich dessen persönliche Entscheidung.

Für Bischof Schwarz selbst ist „der wertschätzende und weidmännische Umgang mit dem Wild und die Ausübung der Jagd sowohl von der ethischen als auch moralischen Komponente mit dem christlichen Glauben in Einklang zu bringen“. Zu den Abschusslisten will er jedoch keine Auskunft geben, da diese dem „Datenschutz unterliegen“ würden.

Auch seitens der kirchlichen Interimsführung in Klagenfurt hält man sich zu den Jagdeinladungen bedeckt: Fragen dazu seien nämlich „auch Gegenstand der derzeit laufenden apostolischen Visitation“.

Und auch Erzbischof Franz Lackner, der als päpstlicher Visitator die Ära Schwarz in Kärnten nochmals unter die Lupe nimmt, schweigt zu inhaltlichen Details. „Es fließt aber alles aus den letzten zehn Jahren in die Untersuchung ein und wird vertrauensvoll geprüft“, sagt Lackners Sprecherin Heidi Zikulnig.

Somit heißt es wohl, auf den Visitationsbericht zu warten, der bis Ostern vorliegen soll. Oder auf die Staatsanwaltschaft in Graz, die bereits gegen den ­Bischof und dessen Vertraute Andrea E. wegen anderer Vorwürfe ermittelt und immer wieder neue Unterlagen anfordert. Bleibt die Frage, ob der leidenschaftliche Jäger Alois Schwarz nun auch wegen seiner Jagdeinladungen in das Visier der ­Ermittler gerät.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 9/2019