Die zwei Gesichter
des Alois Schwarz

Auf der einen Seite leutselig, freundlich und kommunikativ -auf der anderen misstrauisch, zynisch, abgehoben und herablassend. Der umstrittene ehemalige Klagenfurter und nunmehrige St. Pöltener Bischof Alois Schwarz präsentiert sich äußerst zwiespältig. Ein Insiderblick hinter die Fassade des Kirchenfürsten.

von
THEMEN:
Kirche - Die zwei Gesichter
des Alois Schwarz

Das Kommunikationstalent von Alois Schwarz hat stets gewirkt und tut es heute noch. Er geht auf Menschen zu und kann sie im Handumdrehen für sich gewinnen. Bei Firmungen, Pfarrvisitationen und Begegnungswochen in den Dekanaten hat er das immer wieder bewiesen. Die Herzen fliegen ihm zu; er ist unkompliziert, freundlich, kommunikativ. Hat man ihm einmal die Hand geschüttelt, ein paar Sätze gewechselt, ist man seinem direkten Blick begegnet, dann wirkt das oft noch lange nach. Selbst nach Jahren erinnern sich Menschen an seinen Händedruck, seine ermutigenden Worte und sympathischen Gesten.

Ein Bischof zum Anfassen, kontaktfreudig, ohne Scheu. Ein in dieser Hinsicht hochbegabter Bischof, dem es in kürzester Zeit gelingt, Brücken von Mensch zu Mensch zu bauen. Wenn heute noch immer und trotz der vielen Schattenseiten, die seit seiner Versetzung nach St. Pölten bekannt geworden sind, Menschen für Alois Schwarz schwärmen, dann deswegen, weil sie genau diese Erfahrungen gemacht haben.

»Schwarz, ein zutiefst misstrauischer Mensch«

Und Bischof Schwarz weiß um diese seine Stärke. Nicht von ungefähr setzt er auch in seiner neuen Diözese genau auf diese Karte. "Er hat schon in den wenigen Monaten, seit er hier ist, mehr Pfarren besucht als Bischof Küng während seiner ganzen Amtszeit!", hört man euphorisch aus St. Pölten, und das ist gut vorstellbar. In Kontrast zu seinem doch eher zurückhaltenden Vorgänger spielt Schwarz seine Traumrolle, diesmal eben auf einer neuen Bühne. Er ist leutselig!", sagen beispielsweise Gastwirte; Niederösterreichs Journalisten greifen das gerne auf, und so mancher verbindet damit die Vorstellung, Schwarz sei auch als Bischof offen, fortschrittlich, liberal. Schwarz liebt Geselligkeit und Gemütlichkeit und sitzt gerne mit anderen auf ein Gläschen zusammen. Ob es dem Bauernbuben aus der Buckligen Welt angeboren war oder er das in Jägerkreisen gelernt hat, wissen wir nicht. Jedenfalls lässt er gerne das eine oder andere Fläschchen servieren; das lockert die Zungen und entspannt. Ein Achterl, vom Bischof spendiert, das ist doch ein Zeichen der Wertschätzung! Endlich ein Bischof, der weiß, was sich gehört. Endlich ein Bischof, der nach einem Sitzungsmarathon nicht gleich wegrennt, sondern zuhört, scherzt, lacht. "Wir sitzen alle im selben Boot", man spürt's, und es tut gut. In geselliger Runde fühlt sich Schwarz wohl. Er sammelt gerne "die Seinen" um sich und ist keineswegs kleinlich. Dass sich dabei einige an Bischofs Rockzipfel hängen, die man lieber nicht in seiner Nähe wüsste, ist eine andere Sache. Aus seiner Perspektive sind es Freunde, Vertraute, solche, die es werden könnten, oder die vielen anderen, von denen es gut ist, zu wissen, wie sie ticken. Und wo erfährt man mehr als in geselliger Runde?

Gleichzeitig ist Alois Schwarz ein zutiefst misstrauischer Mensch. "Trau, schau, wem!" scheint ihm in die Wiege gelegt oder in Kindheitstagen eingebläut worden zu sein. Dass zeigt sich u. a. darin, dass sich Frau G., seine aus Wien mitgebrachte "Hausfrau", immer wieder als "Spionin" versuchen musste. Fuhr man beispielsweise zu einer dieser eingangs erwähnten Firmungen, die viele in so guter Erinnerung behielten, dann musste Frau G. ein paar Hundert Meter vor dem Ziel aussteigen, sich unter die Menschenmenge mischen und ihre Ohren spitzen. Denn der Bischof wollte wissen, was in den Pfarren über ihn geredet und gemunkelt wurde. Das betraf natürlich nicht nur die Pfarren. Frau G. war das Ohr des Bischofs auch im Ordinariat. Dort blieb das natürlich nicht unentdeckt; die Mitarbeiter waren bald auf der Hut.

Freunde, Fürsprecher, Einflüsterer

Dass sein Misstrauen sich so steigern würde, dass er eines Tages sogar einen Ex-Geheimdienstchef auf seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansetzten würde, hätte man ihm freilich in früheren Jahren noch nicht zugetraut. Es scheint fast so, als wäre dieses Misstrauen mit seiner Amtszeit mitgewachsen. Eigentlich gar nicht verwunderlich. Je mehr sich sein fürstbischöflicher Lebensstil entfaltete, je mehr Einfluss sein "Küchenkabinett" auf ihn hatte, je häufiger sein Lebenswandel zum allgemeinen Gesprächsstoff wurde, desto größer wurde sein Misstrauen gegen alles und jeden. Wer so misstrauisch ist, sucht Verbündete, braucht Seilschaften.

In der Männerwelt gibt es da bekanntlich eine reiche Palette. Wer hier die richtigen Verbindungen aufbaut, ist nicht mehr allein. Der hat Freunde, Fürsprecher, Einflüsterer. Ob in wirtschaftlichen Fragen oder in personellen, die Freunde sind immer zur Stelle. Man darf gewiss sein, sie haben selbst viele weitere Freunde, die gerne einspringen, wenn Not am Mann ist oder Rat gebraucht wird. Letzterer kommt dann oft, bevor man sich überhaupt darum bemüht. Gute Freunde wissen eben vorweg, wo der Schuh drückt. Sie sind selbstlos und wollen nichts für sich. Außer vielleicht einmal einen kleinen Auftrag oder ein Hirschlein aus einer der Jagden des Bistums und so ab und zu einen gut bezahlten Posten für wieder einen anderen Freund. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?

Das Bistum, das bischöfliche Mensalgut, hält solches aus. Die fast endlosen Wälder des Bistums machen es möglich. Es wird gemunkelt, dass die Bäume nicht mehr gezählt werden können, die etwa für Fehlinvestitionen oder die Großfrausucht der bischöflichen Lebensfrau gefällt wurden. Dass die Heilige Hemma von Gurk, die vor ca. 1.000 Jahren in Kärnten als Kirchenförderin gewirkt und ihr gesamtes Erbe den Gurker Bischöfen überlassen hat, das wollte, darf stark bezweifelt werden. Glücklicherweise wachsen Wälder nach. Und wenn man im persönlichen Umgang so begabt und eben auch bauernschlau ist, gelingt es auch heute noch einem Bischof, Menschen zu überzeugen, ihre Vermögenswerte nicht der Diözese, sondern besser dem Bistum zu überlassen, das der Bischof allein und ohne lästige Kontrollorgane regiert. So soll es mit einem mehrstöckigen Haus in der Wiener Innenstadt geschehen sein, das letztlich in die Hände des Bistums und nicht - wie ursprünglich intendiert -in die der Diözese gelangte. Dieses Haus bot auch für den Bischof und seine Lebensfrau eine ihrem Rang adäquate Wohnung als vierter Wohnsitz neben dem bischöflichem Palais in Klagenfurt, der Bischofswohnung in St. Georgen und der Jagdresidenz auf der Flattnitz.

»Da glotzen die Leute nicht so blöd wie hier in Kärnten!«

Die Anonymität der Großstadt hatte viele Vorteile. "Wenn wir in Wien sind, führt mich Alois zuerst schick zum Abendessen aus, dann gehen wir in die Oper. Da glotzen die Leute nicht so blöd wie hier in Kärnten!", hat Frau Bischöfin einer Mitarbeiterin anvertraut. Bischof und Bischöfin weilten oft in Wien, genossen die Großstadt. Die Wohnung am Rabensteig war der ideale Ausgangspunkt für ihre vielfältigen Unternehmungen. Sie war den beiden so ans Herz gewachsen war, dass der Bischof rechtzeitig vor seinem Wechsel nach St. Pölten noch schnell einen Mietvertrag abschloss, der ihm die Weiterbenützung der Wohnung sicherte. Zu unvergleichlich günstigen Konditionen, versteht sich.

Das war nun aber doch ein Zuviel an Bauernschläue. Als dieses Pflaster zu heiß wurde, die ersten Journalistenanfragen kamen, hat Schwarz den Mietvertrag ebenso schnell wieder gekündigt, wie er ihn geschlossen hatte. Aus dieser üblen Optik hätte ihn wohl auch keiner seiner Freunde retten können. Der Bischof, der immer glänzende Augen bekam, wenn ihm irgendjemand von einem Geschäft vorschwärmte, und dann ethische Einwände gerne gedanklich zurückreihte, hatte sich hier einmal selbst überdribbelt. Sein ursprünglich gutes Gespür für Investitionen, sein anfängliches Bemühen um ethische Geldveranlagung waren längst einer plumpen Gier und einem Suchen nach persönlichen Vorteilen gewichen. Das von ihn gegründete Ethikinstitut änderte daran absolut nichts: im Gegenteil.

Fragt man heute, was vom priesterlichen Wirken eines Alois Schwarz in Erinnerung geblieben ist, dann werden oft seine eindrucksvollen Predigten genannt. Er ist -das ist unbestritten -ein wirklich guter Prediger, der sich mit Empathie in seinen Zuhörerkreis einfühlte und das Herz der Menschen erreichte. Seine Redegewandtheit kam ihm dabei zugute. In den letzten Jahren aber holten ihn sein Lebenswandel und die sich darum rankenden Gerüchte auch auf der Kanzel ein. Seine Predigten und sein Lebensvollzug passten nicht mehr zusammen. "Er predigt Wasser und trinkt Wein!", entdeckten viele und verweigerten ihm deshalb auch die gedankliche Gefolgschaft. Ein guter Prediger spürt, wenn er nicht mehr "ankommt", so auch Bischof Schwarz. Immer häufiger griff er zu Worthülsen, seine Worte klangen hohl, manchmal banal, die Begeisterung kam abhanden. Der Funke ist oft nicht mehr übergesprungen. Schade eigentlich.

Jagd und Spiel

Ob Bischof Schwarz eher dem liberalen oder dem konservativen Lager der Katholischen Kirche zuzurechnen ist, darüber scheiden sich die Geister. Hört man seine Worte, könnte man ihn der fortschrittlicheren Fraktion von Geistlichen zuordnen. Misst man ihn aber an seinen Taten, an den pastoralen Akzenten, die er gesetzt hat, kann man durchaus auch zu einem gegenteiligen Befund kommen. Schwarz zitiert zwar gerne Papst Franziskus, aber begriffen, worum es diesem geht, hat er offenbar keineswegs. Die Option für die Armen, der Einsatz für die, die keine Stimme haben, der Kampf des Papstes für Gerechtigkeit und Frieden, das alles war Schwarz, auch im krassen Gegensatz zur Stifterin des Bistums, der Heiligen Hemma, kein wirkliches Anliegen.

Er ließ zwar Bäume fällen, um die Wünsche seiner Lebensfrau zu erfüllen; es fiel aber kaum ein Baum im Bistum Gurk zugunsten von sozial Schwachen, Flüchtlingen oder anderen Hilfsbedürftigen. Seine soziale Ader war "verstopft". Seine Empathie erschöpfte sich bei den "Seinen"! Die Patronate, also die finanziellen Zuwendungen an Pfarren für besondere Bedürfnisse, wurden im Gegensatz zu seinen Vorgängern schwer vernachlässigt.

Die Fotos vom Händeschütteln mit dem Papst können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hier zwei Kirchenmänner gegenüberstanden, die nicht viel gemeinsam haben. Weder der Lebensstil des Papstes noch seine Aufforderung, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen, haben sichtbare Spuren im Leben des Alois Schwarz hinterlassen. Unbeirrt baute er das aufwändige Leben eines Salonbischofs immer weiter aus. Die vom Papst immer wieder eingeforderte Transparenz, gerade auch in wirtschaftlichen Dingen, war ihm ein Gräuel. Er ließ sich nicht in die Karten des Bistums schauen. Der Appell des Papstes, Geistliche müssten sich mitten unter die Herde mischen und den Geruch der Schafe annehmen, erreichte die bischöfliche Jagdresidenz auf der Flattnitz nicht. Dort vertrieben sich Schwarz und seine Lebensfrau die Zeit mit einer feudalen Gästeschar bei Jagd und Spiel, auf dem Berg und in der Sauna. Geschützt vor den Blicken derer, deren Hirte Alois Schwarz sein sollte. Kann man eigentlich noch mehr und gezielter am Papst, seiner Vision von Kirche und seinen Erwartungen an Geistliche, insbesondere auch Bischöfe, vorbeisteuern?

Abgehoben, standesbewusst, renaissancefürstlich

Die eingangs beschriebene Leutseligkeit des Bischofs hat viele zunächst darüber hinweggetäuscht, wie abgehoben, standesbewusst, renaissancefürstlich dieser Bischof in Wirklichkeit ist. Dass die Frau Bischöfin dabei eine zentrale Rolle gespielt hat, erklärt manches, entschuldigt aber nichts. Die zwei Chauffeure, die er zu brauchen glaubte, hat nicht sie, sondern er angestellt! Seelsorgliche Projekte haben ihn vor allem dann interessiert, wenn die Frau Bischöfin die Projektleitung übernehmen sollte.

Für manchen Priester von vornherein ein Grund zum Boykott. Aber die Priester seiner Diözese haben Bischof Schwarz ohnedies nicht sonderlich interessiert. Es genügte für ihn, dass die Pfarren "besetzt" waren, also einen Priester hatten. Wie es dort lief, war dann schon wieder Nebensache. Es wäre auch schön gewesen, hätte er so manchem alten Priester noch vor dessen Sterben einen Besuch abgestattet. Doch dafür blieb neben Jagd und Musikverein wohl zu wenig Zeit.

Dass Bischof Schwarz, dem viele ein freundliches und leutseliges Gemüt zuerkennen, auch zynisch, herablassend und verletzend sein konnte, haben vor allem all jene erfahren, durch die er sich selbst oder seine Lebensfrau in Frage gestellt sah. Er konnte Mitarbeiter, die unter diesem Verdacht standen, niederbrüllen, sie umfassend fertigmachen, mit Drohungen sowie Rufschädigungs-und Verleumdungsklagen konfrontieren und dabei jede Achtung der Menschenwürde vermissen lassen. Die Janusköpfigkeit dieses Bischofs zeigt sich gerade im Umgang mit seinen Mitarbeitern. Er teilte sie in "gute" und "böse". Und mit den vermeintlich bösen ging er alles andere als zimperlich um.

Könnte man einem Bischof rückwirkend ein Wappen zuschreiben, so würde das in diesem Fall wohl ein Januskopf sein; allerdings dürften beide Seiten nicht gleich groß ausfallen. Janus war ja ursprünglich ein Licht-und Sonnengott. Dass er später zur Symbolgestalt der Zwiespältigkeit wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Der Beitrag erschien ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 4/2019)

Kommentare

Lucas Di Lorenzo

Bischof Schwarz fügt sich in eine lange Reihe von St. Pöltner Bischöfen ein, die sehr janusgesichtig agierten: Krenn, Küng und nun er. Die Kirche ist einfach nicht lernfähig was die Bestellung von Bischöfen betrifft. Degradieren auf Ministrantenniveau wäre angesagt.

Seite 1 von 1