Christina Seewald: Die junge Designerin aus Graz

Die Grazer Modemacherin Christina Seewald zelebriert in ihren Entwürfen die Liebe zu Strick und will Looks unabhängig von Geschlecht und Körpertyp kreieren. Ihre ersten Sporen hat sich die Grazerin in London verdient.

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Graz war Christina Seewald bald einmal zu klein. Um Erfahrungen in der Modewelt zu sammeln, zog es Christina Seewald nach der Schulzeit nach London, wo die Absolventin der Modeschule Graz unter anderem ein Praktikum beim georgischen Modelabel Tata-Naka absolvierte und schließlich am renommierten Central Saint Martins College ihr Wissen vertiefte. "An der Uni ist auch die Verknüpfung von Kunst und Mode verstärkt zum Thema geworden", sagt Seewald. Auf dem Weg zum Bachelor im Textildesign entwickelte sie mehr und mehr Passion für Strick.

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Christina Seewald: Liebe für Strick

Strick schätzt die Grazerin nicht zuletzt wegen der unendlichen Möglichkeiten in der Gestaltung: "Ob Struktur, Farbe oder Material -man kann vom Faden bis zum Endprodukt alles selbst entscheiden. Das ist um ein Vielfaches spannender für mich als einen Stoff zu kaufen und daraus etwas zu machen. Mit den heutigen Technologien eröffnen sich zudem viele Optionen, man kann von Schuhen über Accessoires bis zum nahtlosen Teil aus einem einzigen Garn alles realisieren. Ich denke, dass sich auf diesem Gebiet noch viel entwickeln wird, denn mit Strick zu arbeiten ist auch nachhaltiger, weil man keinen Stoffverschnitt produziert."

Karriere-Anfänge in London

Mit 19 Jahren nach London zu gehen war für Seewald, die von Kindesbeinen an ziemlich genau wusste, was sie werden will, die richtige Entscheidung - aber durchaus auch mit Herausforderungen verbunden. "Ich war ja ohne Familie und Freunde vor Ort auf mich allein gestellt. Jahrelang habe ich mir in einer WG ein Zimmer geteilt." Von Anfang an genossen hat sie den Einfluss der vielen verschiedenen Kulturen in der britischen Metropole, "ich habe die Menschen als sehr hilfsbereit und die Stadt als sehr offen kennengelernt".

Master-Abschluss auf der London Fashion Week

Die Abschlussshow im Rahmen ihres Masterstudiums "Fashion for Knitwear" wurde sogar auf der London Fashion Week gezeigt. Internationale Anfragen von Presse und Verkäufern bestärkten Seewald darin, ihr eigenes Label zu gründen: "Das Modebusiness ist so schnelllebig, da muss man einfach schnell reagieren und Gelegenheiten nützen."

»Mir ist wichtig, dass Kleidung zeitlos ist, aber trotzdem mit dem Zeitgeist geht. «

Christina Seewalds Studio in Wien und ihr Stil

Nach sieben Jahren in London entschied sie sich aber, 2019 zurück nach Österreich zu gehen und ihr Studio in Wien anzusiedeln. Das Masterstudium hatte ihr dabei geholfen, sich als Designerin selbst zu finden. "Mir ist wichtig, dass Kleidung zeitlos ist, aber trotzdem mit dem Zeitgeist geht. Die Problematik von Fast Fashion besteht darin, dass die Designs so sehr im Trend liegen, dass sie nach drei Monaten schon wieder out sind. Ich möchte dagegen mit Langlebigkeit spielen, mit hochwertigen Materialien. In meinen Entwürfen soll man sich gut, sinnlich, sexy und kompetent fühlen." Seewald entwirft für "die Frau, die selbstbewusst durch das Leben geht und der egal ist, was andere über sie denken. Wir arbeiten mit verschiedenen Bodytypes und feiern den weiblichen Körper".

Genderneutrale Mode

Seit zwei Saisonen werden auch Männer in den Kleidungsstücken fotografiert, seit vergangenem Winter spezifische Looks für den Mann gefertigt, "der offen mit seiner Sexualität umgeht. Wir möchten Mode machen, die genderneutral ist, und kreieren Looks, die bei Männern und Frauen funktionieren. Wir brechen Rollenbilder auf und spielen mit Konträrem - beispielsweise, dass ein Mann einen Rock trägt. Wir wollen Vielfalt zeigen, egal welches Geschlecht man hat oder welcher Körpertyp man ist."

Christina Seewalds Design-Prozess

Die kreative Energie beginnt stets mit einer umfassenden Recherche zu fließen, mit Ideen zu einem generellen Leitthema. "Das können Bilder aus den Bereichen Mode, Kunst und Kultur sein, aber auch politische Texte, Essays oder Gedichte. Und Objekte." Das Designen selbst ist ein "Back-Forward-Prozess", umreißt es Seewald. Es wird gezeichnet und drapiert, Samples mit Strick werden ausprobiert und die Modelle dann an die Manufakturen in Italien und Slowenien geschickt. Mit einem Schnittzeichensystem können Schnitte auch gescannt beziehungsweise direkt am Computer gezeichnet und das Endprodukt auf einem Avatar visualisiert werden. Die Materialien, die zum Einsatz kommen, reichen von Wolle, Kaschmir und Alpaka im Winter bis zu Viskose, Baumwolle und Seide im Sommer. "Mir ist wichtig, dass die Garne hochwertig und langlebig sind und sich gut anfühlen."

Mode von Berlin bis Miami: Esoterik und Hexen

Die aktuelle Herbst-Winter-Kollektion, die von Berlin bis Miami erhältlich ist, taucht in die Welt der Hexen ein. Esoterik spielt in den Kreationen keine unwesentliche Rolle, Sternzeichen und Geburtssteine für zwölf Charaktere vervollständigen das gestalterische Mosaik. "Wir zeigen auf, dass eine Hexe männlich und weiblich sein kann. Zumeist werden Hexen ja als böse und unnahbar dargestellt, wir wollen sie in ein positives Licht rücken."

Seewald über den Standort Wien

Wie gut ist Wien als Pflaster für eine internationale Karriere im Modedesign? "Ich würde sagen: Der Standort ist im Endeffekt egal, man muss einfach international vertreten sein -durch virtuelle Shows, aber auch Reisen auf die Fashion Weeks. Networking ist wichtig. In Wien gibt es zwar weniger Angebot an Materialien und Märkten, da war ich in London sehr verwöhnt, aber die Stadt ist eine gute Base für Lebensqualität." Mittlerweile arbeitet Seewald im Team mit Lisa Knoll und Tamina Katz, "ich wünsche mir, dass wir weiterwachsen können, unsere Bandbreite erweitern und bald auch Schuhe und Accessoires machen".