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René Benko: Zwischen Sein und Schein

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René Benko

©APA/Georg Hochmuth

Über viele Jahre pflegte der Signa-Gründer das Image eines wirtschaftlichen Seriensiegers, dem kein Deal zu groß schien. Doch spätestens mit den kostspieligen Ausflügen in den Handel hat der Immobilienunternehmer auch massive Reputationsverluste erlitten. Teil 1 einer News-Serie*.

*Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 41/2023 erschienen und wird jetzt erstmals online veröffentlicht.

Ende 2018 wähnte sich René Benko auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen Schaffenskraft: Der Mann aus Innsbruck, der sich in 20 Jahren vom Schulabbrecher zum Immobilienmagnaten hocharbeiten konnte, hatte neben seinen Liegenschaften in bester europäischer Innenstadtlage zuletzt ein beachtliches Handelsimperium zusammengekauft: In Deutschland gelang die Fusion von Galeria mit Karstadt und Kaufhof, in Österreich übernahm er mit tatkräftiger Unterstützung der damaligen Bundesregierung unter Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache den angeschlagenen Kika/Leiner-Konzern. Und dann setzte er sich im November, just am Tag der Feierlichkeiten zu 100 Jahre Zweiter Republik, mit dem Einstieg bei Österreichs größtem Massenmedium endgültig die Krone auf.

René Benko, von Österreich im Boulevard damals noch als Immobilienkaiser und Handelsimperator gefeiert, war nun drittreichster Österreicher, zum zweiten Mal Mann des Jahres, eine Auszeichnung, die selbst Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz nur einmal zuteil werden sollte. Nur wenige Monate später notierte die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass ebendieser Dietrich Mateschitz dem Unternehmer René Benko als Vorbild diene.

Gegensätze

Ein interessanter Hinweis. Fünf Jahre später ist zumindest der interessierten Öffentlichkeit bewusst, dass die Unterschiede zwischen René Benko und dem vor einem Jahr verstorbenen Dietrich Mateschitz nicht größer sein könnten: Der eine, Mateschitz, mied die Politik, wo er nur konnte; der andere, Benko, suchte immer wieder ihre Nähe, vor allem in den Hinterzimmern. Der eine, Mateschitz, baute von Österreich aus einen Weltkonzern auf, der in der Heimat pro Jahr Hunderte Millionen an Steuern bezahlt; der andere, Benko, schuf ein verschachteltes Konstrukt aus weltweit rund 1.000 Firmen, deren Verflechtungen wohl nicht einmal seine engsten Mitarbeiter zu durchschauen vermögen und in welchem viele Millionen an Steuergeldern versenkt wurden.

Der eine, Mateschitz, agierte als Alleingeschäftsführer stets transparent und veröffentlichte Jahr für Jahr eine konsolidierte Unternehmensbilanz; der andere, Benko, nimmt in seinem Konzern offiziell nicht einmal eine Organfunktion wahr und verletzt laufend Firmenbuchvorschriften – offenbar um die Öffentlichkeit in Sachen Jahresabschluss im Dunkeln tappen zu lassen: Seit 2019 hat etwa seine Signa Holding keinen Jahresabschluss mehr im Firmenbuch veröffentlicht. Der wohl größte Unterschied zwischen den beiden Unternehmern aber ist: Der eine, Mateschitz, hatte Zeit seines Lebens eine blütenweiße Weste; der andere, Benko, muss seit 2013 mit einer – mittlerweile getilgten – Verurteilung aufgrund eines „Musterfalls von Korruption“ (O-Ton der Richterin) leben.

Seit einigen Monaten lichten sich auch für die breitere Öffentlichkeit die Nebel rund um den Privatjet-Liebhaber aus Tirol, der mit dem Ausbau von Dachböden ganz hoch hinaus wollte. Erst musste Galeria Karstadt Kaufhof zwei Mal binnen zweier Jahre Insolvenz anmelden, dann – wenige Tage nach dem Verkauf von Kika/Leiner durch Benkos Signa-Gruppe am 31. Mai 2023 – schlitterte auch der traditionelle, mehr als einhundert Jahre alte Möbelkonzern in die Zahlungsunfähigkeit. Beide Male zahlten die deutschen wie österreichischen Steuerzahler einen hohen Preis und also bedeutende Lasten der Verluste. Beide Male büßte Benko viel an Reputation ein. Beide Male zeigte sich eine Hilflosigkeit der aktuellen Spitzenpolitik, die bei der Vernichtung Zigtausender Arbeitsplätze nur hilflos zusehen konnte.

Hausdurchsuchungen

Vor ziemlich genau einem Jahr fanden in den Büros der Signa Holding Hausdurchsuchungen statt. Spätestens seit damals läuft nichts mehr rund im Benko-Reich, das offensichtlich auf Wetten auf steigende Immobilien-Preise samt Niedrigzins-Politik der EZB aufgebaut war. Wie sonst wäre es zu erklären, dass René Benkos Gruppe derzeit alles zu verkaufen versucht, was – im sprichwörtlichen Sinne – nicht niet- und nagelfest ist. Der Mann, der weitgehend davon lebte, sich über Immobilien-Aufwertungen laufend frisches Kapital vom Kapitalmarkt zu holen, erlebt seine wohl dunkelsten Stunden als Unternehmer. Selbst Investor Klaus Michael Kühne, der mit einem Vermögen von zumindest 40 Milliarden Euro als reichster Deutscher gilt, ließ ihm jüngst über seinen Statthalter via Spiegel ausrichten: Die Bonanza-Zeit der letzten Jahre sei definitiv vorbei. „Risiko muss raus, Solidität rein.“ Das Geschäft von Benkos Signa Prime müsse nicht ausgebaut, sondern gesichert werden. Ähnlich wie Kühne denken derzeit offenbar mehrere von Benkos Co-Investoren. Ähnlich wie Kühne sehen sie den Kurs des Konzerns, der zuletzt bei den wichtigsten Gesellschaften einen Verlust von etwa einer Milliarde vermelden musste, besonders kritisch.

Ähnlich wie Kühne haben sie dem Vernehmen nach große Sorge, dass sich Benko unter anderem mit dem Börsegang der Signa Sports United, die in weniger als zwei Jahren beinahe unglaubliche drei Milliarden an Börsenwert und damit Investorengeld vernichtet hat und nun mit 22. Oktober von der New York Stock Exchange genommen werden soll, übernommen haben könnte.

Einstieg bei Kika/Leiner

Nicht zum Kerngeschäft Benkos gehörte jedenfalls auch die Übernahme von Kika/Leiner durch die Signa-Gruppe, die eine gesonderte Betrachtung verdient: Im Dezember 2017, wenige Tage nach der Angelobung der Regierung Kurz I, übernimmt René Benkos Signa-Gruppe den Kika/Leiner-Flagshipstore in der Wiener Mariahilfer Straße 10-18. Der Kaufpreis? Ein echtes Schnäppchen! Gerade einmal 60 Millionen Euro überweist Benko über eine Zwischengesellschaft (Laura Daphne) einer seiner Privatstiftungen (Laura Privatstiftung) an den damaligen Noch-Eigentümer Leiner.

Kika/Leiner, der damals zweitgrößte Möbelhändler des Landes, ist aufgrund von Bilanztricks seines weltweit agierenden Mutterkonzerns Steinhoff unverschuldet in finanzielle Schieflage geraten, rund 5.500 Mitarbeiter fürchten um ihre Löhne und Gehälter, viele davon um ihren Job. In so einer Situation ist der neue Kanzler Kurz gefragt, auch der damalige Justizminister involviert sich. Man sperrt zur raschen Abwicklung des Deals über die Feiertage eigens das grundbuchmäßig zuständige Bezirksgericht in Wien-Josefstadt auf und wird dies später, auf Nachfragen, mit „serviceorientierter Verwaltung“ begründen.

Auch im Fall Kika/Leiner pendelt René Benko permanent zwischen Sein und Schein. Nach außen hin ist bald alles eitel Wonne, vermeintlich. Zwar müssen zwei Monate nach der Übernahme vier Möbelhäuser geschlossen und 1.100 Mitarbeiter vor die Tür gesetzt werden, doch spätestens mit der Installierung des hemdsärmeligen deutschen Managers Reinhold Gütebier im November 2018 bricht bei Kika/Leiner wieder ein Zeitalter der Frohbotschaften an. Es werde keinen weiteren Personalabbau mehr geben, verkündet Gütebier vollmundig: In spätestens drei Jahren werde man Kika/Leiner wieder in der Gewinnzone vorfinden. Und: Er, Gütebier, wolle Kika/Leiner in die „Champions League“ des Möbelhandels zurückführen.

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Gusenbauer, Benko und Kurz

Politisches Netzwerk. Mit beiden Altkanzlern ist Benko bestens bekannt. Alfred Gusenbauer sitzt bei der Signa-Gruppe seit vielen Jahren in diversen Aufsichtsräten, Sebastian Kurz soll laut Medienberichten zuletzt bei der Suche nach Geldgebern aktiv geworden sein.

 © imago/SKATA

Frohbotschaften

Im Februar 2020 weckt Reinhold Gütebier erneut Hoffnungen: „Die schwarze Null werden wir wie geplant 2021 erreichen“, behauptet Benkos Statthalter und vergisst dabei, konkrete Umsatzzahlen auf den Tisch zu legen. Der „Turnaround“ solle jedenfalls mit Zuwächsen im Küchengeschäft, höherem Eigenmarkenanteil und mehr Online-Umsatz erreicht werden. Auch die Mitarbeiterzahl von 4.500 werde mittelfristig wieder wachsen. Der guten Nachrichten aus dem Hause Leiner noch nicht genug, setzt René Benko persönlich noch eines drauf: Nur acht Monate später verkündet der Signa-Gründer im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, als Zeuge unter Wahrheitspflicht: „Das neu eingesetzte Management hat diesen so wichtigen Turnaround geschafft und die beiden Traditionsmarken Leiner und Kika im wahrsten Sinne neu erblühen lassen.“

Und dann sagt Benko etwas, das aus heutiger Sicht beinahe wie eine Verhöhnung klingt, zumindest für jene 1.600 Kika/Leiner-Mitarbeiter, die im Sommer 2023 ihre Jobs verlieren sollten: „Wir sind bei Kika/Leiner nicht als kurzfristiger Investor eingestiegen, sondern mit der Perspektive als langjähriger, verantwortungsvoller Eigentümer. Und nur eine nachhaltige Sanierung sichert auch langfristig Arbeitsplätze.“

23 geschlossene Häuser

Keine drei Jahre später wird das traditionelle, von Rudolf Leiner vor mehr als 100 Jahren gegründete Möbelhaus, von Benkos Signa-Gruppe an den Handelsexperten Hermann Wieser um einen symbolischen Kaufpreis von einem Euro weiterverkauft. Wenige Tage nach der Übernahme meldet der neue Eigentümer Insolvenz an. Von dem von Benko verkündeten Turnaround ist tatsächlich weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil beläuft sich der monatliche Liquiditätsbedarf auf zuletzt acht bis zehn Millionen Euro; 23 von insgesamt 40 Möbelhäusern müssen in der Insolvenz gerichtlich geschlossen werden, die Republik Österreich sieht sich als Hauptgläubiger plötzlich mit einem Verlust in dreistelliger Millionenhöhe konfrontiert.

René Benko, der mit Kika/Leiner laut Presse ein „gutes Investment“ gemacht haben will, weil er die Kika/Leiner-Immobilien an die Supernova-Gruppe weiterreichen konnte, wird von Vertretern der leidgeprüften Belegschaft via Ö1 nachgerufen: „Er hat immer gesagt, wir sind eine Familie. Er ist irgendwie die Vaterfigur. Und wir sind alle in einem Boot.“ Doch nun habe sich gezeigt, dass Benko kein Familienvater sei. „Das Boot war nicht für Kika/Leiner gedacht, sondern für etwas anderes. Er hat uns einfach im Stich gelassen.“

Besonderer Verwalter

Bemerkenswert: Das Landesgericht St. Pölten setzt im Insolvenzfall Kika/Leiner einen „besonderen Verwalter“ ein – vermutlich nicht zuletzt, um zu prüfen, warum Benko mit Kika/Leiner ein gutes Geschäft gemacht haben will. Denn dieser besondere Verwalter soll – unabhängig vom und zusätzlich zum gerichtlich bestellten Sanierungsverwalter – mit Argusaugen auf jene Zeit blicken, in der René Benkos Signa-Gruppe Kika/Leiner führte. Gibt es aus der Zeit der Benko-Herrschaft über den Möbelkonzern sprichwörtliche Leichen im Keller?

Ende Juli 2023, etwa sechs Wochen nach Insolvenzanmeldung, berichtet dieser besondere Verwalter jedenfalls dem Gläubigerausschuss, dass er Verhandlungen mit der Signa-Gruppe aufnehmen werde. Es stehen Vorhaltungen wie etwa Schädigung von Gläubigerinteressen im Raum. Wenig später, Ende September, wird sich Benko auch von allen Vorwürfen, die in der gerichtlich beauftragten Prüfung durch den besonderen Verwalter offenbar zutage getreten sind, freikaufen. Die Signa Gruppe zahlt nachträglich 20 Millionen Euro zugunsten der geschädigten Gläubiger in das Insolvenzverfahren ein. Allerdings in vier Raten zu je fünf Millionen, bis Ende Juni 2024.

Laut News-Recherchen sind bis dato keine konkreten Details aus dem schriftlichen Bericht des besonderen Verwalters bekannt. Das Landesgericht St. Pölten und der besondere Verwalter Riel teilen zwar auf Anfrage mit, dass ein schriftlicher Bericht erstattet wurde; dieser sei aber – „wie der ganze Insolvenzakt“ – nicht öffentlich. Die breite Öffentlichkeit soll offenbar nicht erfahren, von welchen konkreten Vorwürfen Benkos Signa Holding sich mit diesen 20 Millionen freikaufte und warum dieser Betrag von Signa nicht auf einmal bezahlt werden kann.

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Schweizer Sanierer. Laut dem Insolvenzakt hat die Unternehmensberatungsgesellschaft Retail Capital Partners (RCP) detaillierte Sanierungskonzepte erarbeitet, die laufend überwacht werden sollten

 © NEWS Magazin

Bemerkenswert jedenfalls: Laut dem Insolvenzakt, der News auszugsweise vorliegt, wurden an eine Schweizer Beratungsfirma namens Retail Capital Partners in den letzten Jahren Millionenbeträge aus dem insolventen Möbelhandelsunternehmen überwiesen. Alleine in den Jahren, in denen René Benkos verschachtelte Firmengruppe Kika/Leiner führte, dürften mehr als 20 Millionen Millionen Euro aus dem sanierungsbedürftigen Unternehmen zu den Unternehmensberatern geflossen sein.

Tatsache ist: René Benko braucht weiterhin dringend Liquidität. Warum sonst würde er etwa das Wiener Hotel Hyatt am Hof zuletzt wieder mit Nachdruck zum Verkauf anbieten.

*Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 41/2023 erschienen und wird jetzt, zwei Jahre später, erstmals online veröffentlicht.

Causa René Benko

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