von
"Zimtsterne, Orangenöl, Fichtennadeln: Düfte begleiten die Weihnachtszeit. Weniger bekannt ist jedoch, dass auch die Niere über 'Geruchsrezeptoren' verfügt - allerdings nicht, um Aromen wahrzunehmen, sondern um zentrale Körperfunktionen zu steuern", schrieb die Fachgesellschaft der deutschen Nierenspezialisten. Olfaktorische Rezeptoren fänden sich nach neuen Erkenntnissen auch in den Nieren und hätten offenbar wichtige Funktionen. Mittlerweile seien in diesen Organen bereits mehr als hundert solcher Rezeptor-Typen nachgewiesen worden.
Ein Effekt betrifft die Regulation des Blutdrucks. Hier gebe es offenbar über die olfaktorischen Rezeptoren ein Zusammenspiel zwischen dem Mikrobiom des Darms und den Blutgefäßen. Der Riech-Rezeptor OR51E2 erkenne beispielsweise kurzkettige Fettsäuren, die Darmbakterien bei der Verdauung von Ballaststoffen bilden. Seine Aktivierung steigert die Freisetzung von Renin - einem Schlüsselenzym des Blutdrucksystems, welches den Druck in den Arterien erhöht.
Damit entstehe eine direkte Mikrobiom-abhängige Verbindung zwischen Darmbakterien und Blutdruckregulation, so die Fachgesellschaft. "Zum ersten Mal sehen wir einen Mechanismus, bei dem Darmbakterien über chemische Signale in der Niere den Blutdruck beeinflussen können", sagte Sylvia Stracke, Leiterin der Abteilung für Nephrologie, Dialyse und Hochdruckkrankheiten der Universitätsklinik in Greifswald. "Das könnte erklären, warum Menschen sehr unterschiedlich auf Salz, Diäten oder bestimmte Medikamente reagieren."
Bei den Riech-Rezeptoren gibt es auch geschlechtsspezifische Unterschiede. Die deutsche Fachgesellschaft: "Eine seltene Variante im Gen des Riechrezeptors OR51E1 beeinflusst den Blutdruck bei Frauen und Männern gegensätzlich. Während Trägerinnen einen höheren diastolischen Blutdruck aufweisen, zeigt sich bei Männern eine Senkung. "Das ist eine bemerkenswerte Entdeckung, die Blutdruckunterschiede zwischen den Geschlechtern erklären kann," so die Greifswalder Nephrologin. "Das eröffnet neue Wege in der Forschung und zu geschlechtssensiblen Therapien."
Der Riechrezeptor OLFR1393 wiederum reguliert Transporter, die Zucker aus dem Primärharn zurück in den Körper holen. Fehlt dieser Riechrezeptor, wird mehr Zucker über den Urin ausgeschieden - ein Prinzip, auf dem moderne Antidiabetika (SGLT-2-Hemmer) beruhen. "Diese Sinnesrezeptoren eröffnen völlig neue Forschungsansätze," sagte Sylvia Stracke. "Wir beginnen erst zu verstehen, wie fein abgestimmt die Niere unseren Stoffwechsel wahrnimmt und reguliert."
Die Erkenntnisse könnten bedeutende Auswirkungen auf die zukünftige Forschung haben. Die olfaktorischen Rezeptoren gehören zur Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs), die als besonders gut medikamentös beeinflussbar gelten. Das ist bereits das Wirkprinzip vieler millionenfach verwendeter Arzneimittel. "Damit eröffnen sich neue Perspektiven für innovative Therapien bei Bluthochdruck, Diabetes und chronischer Nierenkrankheit", erklärte die Expertin.
HANNOVER - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Jochen Lübke





