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"Das Kinderkopftuch schränkt die Sichtbarkeit und Freiheit von Mädchen ein, damit ist es ganz klar ein Zeichen von Unterdrückung", begründete Plakolm die Maßnahme im Pressefoyer. Begründet wird das Vorhaben, das auf das muslimische Kopftuch abzielt, von der Regierung mit dem Kindeswohl: "Unmündige minderjährige Mädchen sollen vor Segregation und Unterdrückung geschützt werden", heißt es im Ministerratsvortrag.
Bei Verstößen soll es ein abgestuftes System geben: Zunächst soll die Schulleitung das Gespräch mit der Schülerin suchen, zugleich wird ein Informationsschreiben an die Erziehungsberechtigten übermittelt. Fruchtet dies nicht, wird die Bildungsdirektion eingeschaltet. Im äußersten Fall sind Verwaltungsstrafen vorgesehen mit Geldbußen zwischen 200 und 1.000 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen.
Es ist bereits der zweite Anlauf für ein gesetzliches Kopftuchverbot. 2020 hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein 2019 von der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) beschlossenes Kopftuchverbot an den Volksschulen gekippt. Die Regelung ziele nur auf Muslime ab, was dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates widerspreche, kritisierte der VfGH.
Um den Bedenken des VfGH entgegenzutreten, werden nun auch begleitende Maßnahmen beschlossen, die auf die Stärkung von Mädchen abzielen, aber auch Eltern, Lehrkräfte, Burschen sowie die Islamische Glaubensgemeinschaft aktiv einbinden sollen. So ist etwa eine zielgerichtete Burschen- und Männerarbeit geplant, um Bewusstsein für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung zu schaffen. Verwiesen wird zudem auf eine Studie aus Frankreich, wonach ein dort 1994 eingeführtes Verbot nicht zum Rückzug muslimischer Mädchen aus dem Bildungssystem geführt hat, sondern zu einer Verbesserung ihrer schulischen Leistungen und eine integrationsfördernde Wirkung zur Folge hatte.
Man habe sich bemüht, alle Bedenken des VfGH aufzugreifen, betonte NEOS-Klubobmann Yannik Shetty. Seit 2019, als die NEOS noch gegen das Kopftuchverbot gestimmt hatten, habe sich Österreich verändert. "Es ist leider keine Randerscheinung mehr", so Shetty. "Das Kopftuch ist kein neutrales Kleidungsstück", sondern sei ein Symbol der Frühsexualisierung und der Abwertung von Mädchen.
"Wir machen uns diese Debatte nicht leicht, weil natürlich geht es um Eingriffe in persönliche Freiheiten", meinte SPÖ-Klubobmann Philipp Kucher. Es gehe darum, allen Kindern in Österreich die gleichen Chancen zu ermöglichen. Denn es gebe Druck auf Mädchen, meist von Vätern, Brüdern und Gleichaltrigen, das Kopftuch zu tragen, so Kucher.
Verankert werden soll das Kopftuchverbot durch eine Änderung des Schulunterrichts- und des Privatschulgesetzes. Vorgesehen ist eine sechswöchige Begutachtung. In Kraft treten soll das Gesetz nach dem Willen der Regierung mit dem zweiten Semester.
Skeptisch zeigte sich Verfassungsexperte Heinz Mayer. Er hält eine verfassungskonforme Umsetzung des Kopftuchverbots für schwierig, wie er am Rande einer Pressekonferenz erklärte. "Der VfGH hat 2020 sehr enge Grenzen gesetzt. Es geht um die Unterdrückung von Mädchen, und da hat der VfGH völlig richtig gesagt, warum setzt man nicht bei den Unterdrückern an? Warum setzt man bei den Mädchen an?" Geldstrafen von 1.000 Euro hält er für keine gute Idee. "Das Kopftuch ist ein Symbol, aber das (Verbot, Anm.) bekämpft ja nicht die Ursache."