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Im "Marietta-Blau-Institut" (MBI) gehen die zwei traditionsreichen Teilchenphysik-Institute der ÖAW auf: das 1966 gegründete Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) und das Stefan-Meyer-Institut für Subatomare Physik (SMI; früher: Institut für Mittelenergiephysik), eine Nachfolgeeinrichtung des renommierten Wiener Instituts für Radiumforschung, das weltweit erste Institut zur Erforschung der Radioaktivität. Über die Zusammenlegung sei schon jahrelang diskutiert worden, ausschlaggebend für die Fusion sei nun die Übersiedlung beider Einrichtungen in den neuen ÖAW-Standort Postsparkasse gewesen: "Die Entscheidung wurde von allen Seiten als sinnvoll gesehen - dass man Synergien findet und die Kräfte vereint", erklärte der bisherige HEPHY-Chef Jochen Schieck laut Akademie. Erwartet wird auch noch mehr internationale Sichtbarkeit.
Im Mittelpunkt der Arbeit des MBI steht Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Elementarteilchenphysik. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter beschäftigen sich mit der Erforschung der kleinsten Bausteine des Universums und der zwischen ihnen wirkenden Kräfte. "Verstehen wir das Universum vollständig", ist laut dem bisherigen SMI-Chef Eberhard Widmann eine der großen Fragen, die im Zentrum der Arbeit stehen. Weiters wollen die Forscher wissen, woraus das Universum besteht, welche unsichtbaren Kräfte seine Bestandteile lenken, wo die rätselhafte Dunkle Materie steckt und wo die geheimnisvolle Antimaterie geblieben ist, die nach den Gesetzen der Physik ebenso zahlreich sein müsste wie Materie.
So wie seine beiden Vorläufer beteiligt sich das MBI an den größten Teilchenphysik-Experimenten der Welt. Dazu zählen der Large Hadron Collider (LHC) und der Antiproton Decelerator/ELENA am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf (Schweiz), das Labor für Hochenergiephysik KEK in Japan oder das weltweit größte Untergrundlabor, das Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS) in Italien. Die Expertise des Instituts liegt dabei u.a. in der Entwicklung von Teilchendetektoren.
So werden die Wissenschafterinnen und Wissenschafter des MBI künftig gemeinsam Beiträge zur nächsten Version des ALICE-Detektors am LHC liefern, ein riesiges Experiment, das die Spuren der Teilchenkollisionen am großen CERN-Teilchenbeschleuniger erfasst. "ALICE-3, das Folgeprojekt des aktuellen Experiments, soll ein zum Großteil neuer Detektor werden, mit neuartigen gebogenen Siliziumdetektoren mit einer deutlich verbesserten Ortsauflösung für Teilchenspuren", erklärte Schieck gegenüber der APA.
Für das MBI werden zwei wichtige neue Forschungsinfrastrukturen geschaffen: ein Kryolab mit einem Kühlgerät (Kryostat), das mit zwei Helium-Isotopen (3He/4He) betrieben wird. Der Kryostat kann ultratiefe Temperaturen, nur ein Hundertstel Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius erreichen. "Damit wollen wir Detektoren für Dunkle Materie entwickeln und testen, sowie mit ultra-kaltem Wasserstoff nach Verletzungen in der Symmetrie von Naturgesetzen suchen", so Widmann. Neu ist auch ein Reinraum, der primär für die Entwicklung von Silizium-basierten Teilchensensoren für zukünftige Experimente dient, so Schieck. Die beiden bisherigen Institutsleiter werden das MBI als gleichberechtigte Direktoren führen.
Mit der Einbindung in aktuelle Forschungsprojekte engagiert sich das MBI in enger Kooperation mit der Technischen Universität (TU) Wien und der Universität Wien auch bei der Ausbildung junger Physikerinnen und Physiker. Rund ein Viertel der mehr als 100 Mitarbeiter sind Doktoranden.
Service, Marietta-Blau-Institut: https://www.oeaw.ac.at/mbi
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/ÖAW/Klaus Pichler






