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"Die Swarovskis haben Strömungen unterstützt, die autoritär waren, einen Führerstaat forcierten und die Demokratie abschaffen wollten", nannte Schreiber im APA-Gespräch das Engagement einiger führender Mitglieder der Familie Swarovski bei der Heimwehr - einer dem christlichsozialen Lager nahestehenden bewaffneten paramilitärischen Einheit in der Zwischenkriegszeit - als Argument. Zudem führte er die niedrigen Parteinummern ins Treffen, die auf eine illegale Mitgliedschaft während der Verbotszeit hinweisen. Auch wenn sie sich nicht illegal betätigt hätten, "wollten sie Illegale sein und die Vorteile haben."
Tatsächlich waren alle männlichen Swarovski-Familienmitglieder bei der NSDAP. "1938 hat es einen Familienbeschluss gegeben, dass im Interesse der Firma alle zur Partei gehen", berichtete Stiefel, der für eine umfassende Biografie von Firmengründer Daniel Swarovski unter anderem im firmeneigenen Archiv im Tiroler Wattens recherchiert hatte, der APA. Der Seniorchef sowie der Geschäftsleiter Alfred Swarovski traten 1938 bei. Seine beiden Brüder Wilhelm und Friedrich sowie dessen Söhne erhielten jedoch bereits in den Jahren 1932 und 1933 die Parteimitgliedschaft. "Während der Verbotszeit hat aber keiner etwas gemacht", wusste Stiefel. Die niedrigen Parteinummern wurden dem Wirtschaftshistoriker zufolge als eine Art "Auszeichnung" vergeben, man wollte sich quasi mit den Swarovskis schmücken.
Als deutlichen Hinweis für das Engagement zum Vorantreiben des Nationalsozialismus wertete indes Schreiber ein Ereignis, das sich im Februar 1938 zugetragen haben soll: Ein Fackelzug unter starker Beteiligung der Arbeiterschaft von Swarovski sowie von Friedrich und Wilhelm sollen mit "Sieg Heil" und "Heil Hitler"-Rufen für den Anschluss demonstriert haben. Laut Stiefel müsse man sich aber eher fragen: "Wie haben sich die Swarovskis während des Krieges verhalten" und hier sei eigentlich nichts "extrem Unfaires" geschehen.
Die antisemitische Haltung der NSDAP sei für die Swarovskis eigentlich eine "Katastrophe" gewesen, meinte Stiefel. Immerhin habe man in den USA jüdische Geschäftspartner gehabt. Ein Miteigentümer und Financier der ersten Stunde - Armand Kosmann - und dessen Erbe und Neffe Jean Crailsheimer waren Juden: "Während des Krieges haben sie es geschafft, die jüdische Beteiligung aufrecht zu erhalten". In den Bilanzen schien Crailsheimer nicht mehr auf, damit habe man eine Arisierung verhindert. Auch Schreiber räumte ein: "Die Swarovskis sind in diesem Bereich anständig geblieben". Dass dies gelungen sei, führte der in Tirol umtriebige Zeitgeschichtler jedoch auf die "guten Verbindungen" insbesondere Alfreds zu den Spitzen der Tiroler NSDAP zurück.
Alfred Swarovski nahm nämlich während der NS-Zeit in der Standesvertretung wichtige Positionen ein und war etwa Präsident der Gauwirtschaftskammer. Dadurch sei Alfred ein "führender Unterstützer des Nationalsozialismus in einer der höchsten Wirtschaftsfunktionen gewesen", sagte Schreiber. Auch Stiefel meinte, dass dies wohl eine "politische Funktion" gewesen sei. Alfred verwies im Rahmen seiner Entnazifizierung - er wurde wie alle Swarovskis als Minderbelasteter eingestuft und wurde schließlich mit dem Sanktus des Bundespräsidenten entregistriert - darauf, dass er in seinen Funktionen niemandem geschadet habe und die Firma nur erhalten werden konnte, "wenn sie nicht mit der jeweiligen Staatsgewalt in Konflikte kommt und immer ihre Pflicht tut". Immerhin agiere die Firma Swarovski bereits unter dem fünften politischen System.
Darüber, inwieweit der Kristallkonzern schließlich vom Zweiten Weltkrieg profitiert hatte, gehen die Meinungen ebenfalls auseinander. Swarovski stellte auf Kriegsproduktion um und lieferte etwa Feldstecher und Rückstrahler in großer Zahl an die Wehrmacht. Laut Schreiber wurde dafür ein neuer Maschinenpark finanziert, Know-how geschaffen und die Swarovski Optik sowie die Herstellung von Schleifmittel professionalisiert - Geschäftszweige, die über den Zweiten Weltkrieg hinaus und bis heute Bestand haben. "Der Umsatz hat sich 1944 im Vergleich zu 1937 verdoppelt", zitierte er die von ihm - teils ebenfalls im Swarovski-Archiv - recherchierten Zahlen. "Dass ein Glasschmuckhersteller vom Zweiten Weltkrieg profitiert hat, muss man schon um die Ecke argumentieren", meinte wiederum Stiefel und fügte hinzu: "Wenn sie weiter Glasschmuck produzieren hätten können, hätten sie mehr verdient."
Für Stiefel - der als Wissenschafter nicht die Position eines "Richters" einnehmen will - blieb zusammenfassend übrig: "Die Swarovskis waren echte Mitläufer aus rationalen und wirtschaftlichen Gründen. Es wäre ein Heldentum gewesen, es nicht zu tun. Aber dann wäre die Firma wahrscheinlich weg gewesen", bezog er sich auf eine mögliche Enteignung durch die Nationalsozialisten. Für die aus dem böhmischen Gablonz stammende Unternehmerfamilie sei stets "die Firma die Politik" gewesen. Von Firmengründer Daniel Swarovski soll der Satz stammen: "Jeder kann eine politische Haltung haben, aber die soll er beim Arbeiten beim Portier abgeben". Während es laut Schreiber in Quellen Hinweise darauf gibt, dass in der Arbeiterschaft der Firma Swarovski Nationalsozialisten besonders willkommen waren, entgegnete Stiefel wiederum, dass die Zahl der NSDAP-Mitglieder sich im österreichischen Schnitt bewegt hätten.
Die Aufarbeitung der NS-Zeit nahm indes einiges an Zeit in Anspruch. Das von Swarovski selbst vor über zehn Jahren in Auftrag gegebene über 400 Seiten starke Werk Stiefels "Daniel Swarovski (1862-1956)" wird nun erst im Herbst nach mehreren Anläufen im Böhlau Verlag publiziert, zuvor hatte sich innerhalb der weit verzweigten und an Köpfen reichen Familie Widerstand geregt. Dabei sei es weniger "um die Nazi-Geschichten" gegangen, sondern die Notwendigkeit wurde infrage gestellt. "Wenn man so eine Firma in so einem Ort hat, dann ist das aber keine Privatsache mehr", hielt Stiefel indes fest.
Laut Schreiber, der im Frühsommer sein Werk "Das Unternehmen Swarovski im Nationalsozialismus" im StudienVerlag publiziert hatte, war der Umgang der Swarovskis mit der NS-Zeit eine "vollkommene Verleugnung bis heute" - zumal sie in der Präsentation des Kristallkonzerns nach außen ausgeblendet werde. Insgesamt seien die Swarovskis sicher nicht "besonders nationalsozialistisch" im Vergleich zu anderen Unternehmern gewesen. Dass aber die jüdischen Anteile nicht arisiert worden seien, weise auf einen "Handlungsspielraum" hin, der damals bestanden habe. Für ihn gehe es darum aufzuzeigen, dass man - auch als Unternehmer - "immer eine Wahl" und eine "Verantwortung" habe.
WATTENS - ÖSTERREICH: FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER