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"Adipositas ist der beeinflussbare hauptsächliche Faktor für die Entwicklung von Herzschwäche bei erhaltener Auswurffraktion des Herzens (HFpEF). Es handelt sich dabei um die häufigste und am schnellsten wachsende Form der chronischen Herzinsuffizienz. Die derzeitigen, auf den Stoffwechsel zielenden Therapien wie Kalorienrestriktion und Inkretin-basierte Medikamente ("Abnehmenspritzen"; Anm.) haben Erwartungen für die Behandlung der Adipositas-abhängigen HFpEF hochkommen lassen. Diese Interventionen verbessern aber weder spezifisch noch selektiv den Stoffwechsel des Fettgewebes (...)", schrieben jetzt Simon Sedej von der kardiologischen Abteilung der Universitätsklinik für Innere Medizin der MedUni Graz und seine Co-Autoren in "Cardiovascular Diabetology" (https://doi.org/10.1186/s12933-025-02879-2).
An sich wären dringend gezielte Behandlungsstrategien für diese Form der chronischen Herzinsuffizienz notwendig. Schätzungen zufolge leiden weltweit mehr als 64 Millionen Menschen an chronischer Herzinsuffizienz, wovon etwa 50 Prozent an HFpEF erkrankt sind, mit zunehmender Tendenz in den vergangenen Jahrzehnten. Die Erkrankungshäufigkeit steigt mit dem Alter, etwas mehr als die Hälfte aller Betroffenen mit HFpEF ist weiblich. Etwa 45 Prozent aller Menschen mit HFpEF leiden an Diabetes mellitus (Typ-2-Diabetes), stellt der Österreichische Herzfonds zu dem Thema unter anderem fest. Bei HFpEF handelt es sich nicht primär um eine mangelnde Pumpfunktion der linken Herzkammer, sondern um ein "steifes Herz", das sich nicht ausreichend entspannt, um neues Blut zum Pumpen aufzunehmen.
Die bisherigen Behandlungsstrategien sind ungenügend. Wahrscheinlich reiche ein moderater Gewichtsverlust bei Adipösen mit dieser Form der Herzschwäche nicht aus, schrieben die Grazer Wissenschafter in ihrem Kommentar. Lebensstiländerungen zum Abnehmen würden oft nicht langfristig verfolgt. Starke Reduktion der mit der Ernährung aufgenommenen Kalorien habe auch einige negative Folgen. Klinische Studien mit den Diabetes-Medikamenten aus der Klasse der SGLT2-Inhibitoren und der Wirkstoffe auf der Basis der Inkretin-Mimetika (GLP-1-Rezeptoragonisten) wie Semaglutid etc. dürften zwar auch die Herzschwäche beeinflussen, ihren Effekt entfalten sie aber nur mittelbar.
Die Grazer Wissenschafter schlagen jedenfalls einen neuen Weg vor, den sie an Mäusen erprobt haben und der derzeit aber nur bei Nagetieren wirkt: die Hemmung des fettspaltenden Enzyms ATGL (Triglyceridlipase) in Fettzellen. Erst vor kurzem hätten sie gezeigt, dass das genetische Ausschalten dieses Lipase-Enzyms in Mäusen oder die Behandlung mit dem Wirkstoff Atglistatin, der ausschließlich in Fettzellen wirkt, zunächst einmal das Körpergewicht und das Bauchfett reduziere. Gleichzeitig habe sich bei den Tieren aber auch eine krankhafte Vergrößerung des Herzmuskels und - noch wichtiger - die Steifigkeit des Herzens verringert. Atglistatin sei im Vergleich zu weniger Kalorien in der Ernährung sowohl bei der Verbesserung der Funktion des Herzmuskels als auch bei der Verringerung des Bauchfetts wirksamer gewesen.
Der Wirkstoff Atglistatin ist bereits vor mehreren Jahren von Grazer Wissenschaftern entwickelt worden. Man wollte damit oder mit Substanzen auf der Basis des Wirkprinzips beispielsweise die Insulinresistenz als Vorstufe zu Typ-2-Diabetes oder die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung beeinflussen. Laut Sedej und seinen Co-Autoren beruht die Wirkung der Substanz in Sachen Herzinsuffizienz auch auf einer Dämpfung von Botenstoffen, welche für chronische Entzündungen im Fettgewebe verantwortlich sind: Tumornekrosefaktor Alpha, Interleukin-6 und Interleukin-1Beta.
Zur Umsetzung der Idee der Grazer Wissenschafter sind allerdings noch umfangreiche Studien erforderlich. Das in Graz entwickelte Atglistatin wirkt bei Nagetieren. Hier gibt es aber mit einem neu entwickelten kleinen Molekül bereits einen Wirkstoff-Kandidaten, den man auch beim Menschen untersuchen könnte. Erkenntnisse aus den Mausmodellen ließen sich nicht direkt auf den Menschen übertragen. Aber das Prinzip sei für zukünftige Forschungsarbeiten überlegenswert, schrieben die Wissenschafter: direkte Einflussnahme auf den Stoffwechsel der Fettzellen, Verringerung der durch adipöses Gewebe in Gang befindlichen unterschwelligen Entzündungsreaktionen und Hemmung von schädlichen Auswirkungen auf den Herzmuskel.
DRESDEN - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa-Zentralbild/Ralf Hirschberger