Weltreise
Kontrollverlust
in Chemnitz
Was an den Vorfällen in Deutschland rund um den Mord an einem 35-Jährigen wirklich schlimm ist
Als alles entglitt, stand erst der Schock, dann das Rätseln und am Ende das schnelle Schlausein. Ein 35-jähriger Deutscher war am Sonntag im ostdeutschen Chemnitz, einer Stadt so groß wie Graz, auf offener Straße erstochen worden. Die Verdächtigen: zwei vorbestrafte Asylwerber aus Syrien und dem Irak. Während die Polizei in Sachsen mit Informationen über die Tat zögerlich blieb, schraubten rechte Seiten auf Facebook mit "Fake News" rasch an der Spirale der Wut. Ihr Ziel, den Hass vom Netz auf die Straße zu bringen, ging auf. Aus einer Protest-und Trauerkundgebung wurde ein Massenaufmarsch. Ganz an der Spitze: ein Mob aus Neonazis. Über Stunden hinweg kontrollierten die rechten Recken die Straßen der Stadt. Videos zeigen, wie einige zur Hetzjagd auf Menschen ansetzten, die "fremd" wirkten. In Liveschaltungen eilig angereister TV-Sender streckten Männer die Hand zum Hitlergruß. So weit, so schlimm, so normal. Wenn sich "Wessi-Journalisten" in ihren Instant-Analysen nun geschockt über den robusten rechten Untergrund im Osten geben, belegen sie damit vor allem die Unkenntnis ihres eigenen Landes. Denn all die Asylheime dort fingen kaum von alleine Feuer, und all die Neonazi-Märsche durch die ostdeutsche Provinz fanden auch früher nicht ohne Teilnehmer statt. Man musste es nur sehen wollen. Auch die Suche nach Gründen ist müßig. Wer "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" grölend durch Städte zieht, ist ein Rassist. Punkt.