Alle Macht
dem Sultan

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist am Ziel. Die Wahl hat er für sich entschieden. Ein Herrscher ohne Volk ist er keineswegs.

von Recep Tayyip Erdogan - Alle Macht
dem Sultan © Bild: Bulent Kilic / AFP

Die Sensation ist aus- und Recep Tayyip Erdogan die Schmach der Stichwahl erspart geblieben. Dabei schien er schon angezählt, nervös, unruhig, unsicher. Zurecht. Noch am Samstag waren in Istanbul über zwei Millionen Menschen zur Abschlusskundgebung seines wichtigsten Herausforderers Muharrem Ince gekommen. Die Liveübertragung dazu und die Bilder davon, suchte man in den meisten türkischen Medien jedoch vergeblich. Dort ging es von Anfang an nur um Erdogan und sonst niemanden. Am Wahltag selbst fand ein Wahlkampf unter mehr als ungleichen Bedingungen seine Vollendung. Internationale Beobachter berichteten von massiven Unregelmäßigkeiten, gerade in den kurdischen Gebieten im Osten des Landes. Bald machten gar Bilder von Säcken die Runde, in denen die im Müll entsorgten Stimmen für die Opposition lagen. So noch von einer völlig freien und fairen Wahl zu sprechen, fällt schwer.

Und doch: Erdogan hat weiter viel Rückhalt unter den Türken. Zwar mag er sich um eine Stichwahl herumgeschummelt haben. Doch ein Herrscher ohne Volk ist er keineswegs. Nun sichert ihm die neue Verfassung eine noch nie dagewesene Machtfülle. Er ist fortan Präsident und Premier in Personalunion, kontrolliert das Parlament, setzt Richter direkt ein und auch wieder ab und hat Zugriff auf die Zentralbank des Landes. Er ist der gewählte Sultan, der Herrscher, der er immer schon sein wollte. Und das aufs Erste bis ins Jahr 2023, dem magischen Datum der Türken, an dem die Republik hundert Jahre ihrer Existenz feiert.

Erdogan will bis dahin Vollzug melden und seinen großen Plan, eine andere Türkei zu schaffen, abgeschlossen haben. Es wird ein Land sein, das einem Führerstaat gleicht. In dem die Opposition noch stärker an den Rand gedrängt sein wird, Kritiker mundtot gemacht wurden, flohen oder im Gefängnis landeten und der politische Islam weitere Bereiche des Alltags erobert hat. Die Wahl gestern wäre die vielleicht letzte Chance gewesen, Erdogan aufzuhalten. Nun fühlt er sich bestätigt und wird sich an jenen rächen, die ihn noch stoppen wollten. Für Europa ist das keine gute Nachricht. Fortan ist es mit einem gestärkten Erdogan konfrontiert, der noch unnachgiebiger und unverschämter seinen Vorteil sucht. Da man sich gerade in der Flüchtlingsfrage zu seiner Geisel machte, schwindet so auch die Möglichkeit, sich ihm entgegen zu stellen. Erdogan wird die sich ihm bietende Gelegenheiten weidlich nutzen.

Was meinen Sie?
Schreiben Sie mir bitte: lehermayr.christoph@news.at

Kommentare