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Van der Bellen warnt Journalisten vor Selbstabschaffung

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Präsident Van der Bellen bei der Preisverleihung
©APA, GEORG HOCHMUTH
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch die renommierten Auszeichnungen Kurt-Vorhofer-Preis und Robert-Hochner-Preis sowie erstmals den Robert-Hochner-Nachwuchspreis in der Präsidentschaftskanzlei verliehen. Prämiert wurden Politikjournalist Josef Votzi, ORF-TV-Journalistin Nora Zoglauer und "Wiener Zeitung"-Redakteurin Nora Schäffler. Bei der Veranstaltung fand Van der Bellen deutliche Worte für die Branche, die er an einem Scheideweg sieht.

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Mit Journalistinnen und Journalisten sei man einst von der Gerüchte- auf die Sachebene gewechselt. "Eine Errungenschaft", so Van der Bellen in seiner Rede. Heute würde auf Social Media ein Paukenschlag den nächsten übertönen, reißerische Headlines kursieren und mit Clickbaiting um Aufmerksamkeit geworben. "Willkommen zurück auf der Gerüchteebene", sagte der Bundespräsident. "Viele Medien sehen in ihrem Überlebenskampf keine andere Möglichkeit, als sich der Logik sozialer Medien zu beugen", konstatierte Van der Bellen.

Doch Journalismus und Social Media würden in einem Widerspruch zueinanderstehen. "Läuft der Journalismus der Logik dieses neuen Mediums hinterher, schafft sich der Journalismus selbst ab", warnte er. Denn Gerüchte würden sich dort bereits von alleine verbreiten, dafür brauche es keine Journalistinnen und Journalisten. "Wir brauchen sie für die Sachebene, für Qualität, Fakten und Wahrheitssuche. Wirklich dringend", so Van der Bellen.

Im Umfeld von sozialen Medien fallen jene positiv auf, "die sich Zeit nehmen, erklären und gewichten". "Sie alle tragen dafür Verantwortung. Sie haben Macht. Noch", sprach der Bundespräsident den zahlreich anwesenden Medienvertretern ins Gewissen. Angesichts der Berichterstattung über den Amoklauf an einer Schule in Graz habe er den Eindruck gewonnen, "dass sie insgesamt als Branche verunsichert und verwirrt sind". "Es gab keinen gemeinsamen Sinn dafür, was geht und was nicht geht", stellte Van der Bellen fest.

"Nur guter Journalismus wird bestehen können. Und nur dann, wenn er auf starken eigenen Beinen steht - unabhängig davon, was Algorithmen vorgeben", sagte das Staatsoberhaupt.

Der mit 7.500 Euro dotierte und von der Journalistengewerkschaft ausgeschriebene Kurt-Vorhofer-Preis ging dieses Jahr an Josef Votzi. Der einstige Chefredakteur von "profil" und "News" wie auch frühere Innenpolitik-Ressortleiter des "Kurier" schreibt gegenwärtig im Magazin "trend" die Kolumne "Politik Backstage". Er vereine "sprachliche Brillanz, Leichtfüßigkeit und analytischen Tiefgang", befand die Jury.

Einst habe es deutlich mehr Zeit für umfassende Recherche gegeben, blickte Votzi auf die Anfänge seiner Karriere zurück. Heute sei oft nur noch Zeit für Pflicht und nicht mehr Kür. "Unter solchen Bedingungen droht unabhängiger, guter Journalismus zur Ausnahme zu werden", warnte der 70-Jährige. Man mache sich Sorgen um die Energieversorgung oder den öffentlichen Verkehr, aber es brauche dringend auch mehr Aufmerksamkeit für die mediale Infrastruktur. "Sie ist maroder als die Deutsche Bahn", so Votzi. "Medien sterben einen ignorierten Tod. Dieser Satz darf nicht endgültig wahr werden", sprach er der Bundesregierung ins Gewissen. Diese habe die "einmalige Chance, Österreichs Medienbranche zukunftsfit zu machen".

Nora Zoglauer nahm den mit 7.500 dotierten Robert-Hochner-Preis entgegen. Sie erhielt die von der Journalistengewerkschaft ausgelobte Auszeichnung für ihre couragierte Berichterstattung, im Rahmen derer sie etwa in der ORF-Sendung "Am Schauplatz" umstrittene Immobiliengeschäfte aufdeckt.

"Ich versuche, eine Anlaufstelle für Menschen, die sich nicht gehört fühlen, zu sein", erklärte die 48-Jährige. Sie fertige mittlerweile seit 13 Jahren Reportagen zur Verbauung in Österreich an. Die Angst vor Konsequenzen, die Betroffene häufig quält, wenn sie sich über Unrecht äußern, ziehe sich wie ein roter Faden durch die Jahre. Viele würden Interviews absagen, jene, die sich äußern, häufig als Verhinderer diskreditiert.

"Auch mein Team und ich sind immer wieder mit Einschüchterungen konfrontiert", sagte Zoglauer. Häufig würden mächtige Immobilienentwickler mit einer Armada an Rechtsanwälten ihre Einschüchterungen starten, noch lange bevor Sendungen ausgestrahlt werden, monierte sie und regte strengere Gesetze zur Verhinderung von Einschüchterungsklagen an. Denn: "Kritischer Journalismus ist nur mit Strukturen, die ihn ermöglichen, machbar."

Erstmals verliehen wurde der von ORF und Journalistengewerkschaft vergebene Robert-Hochner-Nachwuchspreis. Nora Schäffler nahm die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung, die Leistungen junger Journalistinnen und Journalisten im digitalen Raum würdigt, entgegen. Die Redakteurin der "Wiener Zeitung" überzeugte die Jury mit ihrer "großen Entschlossenheit, analytischen Tiefe und journalistischem Mut". Redezeit war für sie nicht vorgesehen.

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