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Tech-Faschismus: Wie Thiel, Zuckerberg, Bezos, Musk & Co. die Welt verändern wollen

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Mark Zuckerberg, Lauren Sánchez, Jeff Bezos, Sundar Pichai und Elon Musk

©IMAGO / Newscom / AdMedia

Offiziell geben sich die Tech-Milliardäre um Donald Trump als Libertäre. In Wahrheit aber geht es ihnen nur um eines: mehr Macht, mehr Geld. Thiel, Zuckerberg, Bezos, Musk & Co. gleichen modernen Rockefellers – nur mit gewaltigem Einfluss. Autor Douglas Rushkoff warnt in seinem neuen Buch „Survival of the Richest“: Ihr destruktives Mindset gefährdet sowohl den Planeten als auch die Menschheit. Von Christian Neuhold

Offiziell geben sich die Tech-Milliardäre um Donald Trump als Libertäre. In Wahrheit aber geht es ihnen nur um eines: mehr Macht, mehr Geld. Thiel, Zuckerberg, Bezos, Musk & Co. gleichen modernen Rockefellers – nur mit gewaltigem Einfluss. Autor Douglas Rushkoff warnt in seinem neuen Buch „Survival of the Richest“: Ihr destruktives Mindset gefährdet sowohl den Planeten als auch die Menschheit

Douglas Rushkoff weiß, wovon er spricht. Seit Jahrzehnten zählt der Medienforscher zu den einflussreichsten Intellektuellen der Welt – Begriffe wie „Digital Natives“ und „virale Medien“ gehen auf ihn zurück. Als Berater großer Unternehmen hat er miterlebt, wie das Internet von einer Vision digitaler Basisdemokratie zu einem von wenigen Tech-Milliardären und ihren Milliardenkonzernen dominierten Markt werden konnte – beherrscht von IT-Dagoberts, die längst auch die Politik dominieren.

Heute sind sie nicht nur Unternehmer, sondern Strippenzieher: Als Finanziers und Ideengeber von Donald Trump verfolgen sie ihre Interessen mit rücksichtsloser Konsequenz. Dabei verstecken sich Peter Thiel, Elon Musk oder Mark Zuckerberg gerne hinter dem Begriff Libertarismus. Doch Ökonom Rüdiger Bachmann, Wirtschaftsprofessor an der University of Notre Dame, widerspricht klar: „Sie vertreten eigentlich das genaue Gegenteil von libertär. Sie vertreten weder einen minimalistischen Staat noch einen freien Welthandel, sondern wollen einen von ihnen gelenkten Staat, der ihnen hilft, ihre Monopole, und damit ihre Macht, weiter auszubauen. Ich nennen das gerne Bastard-Libertarismus.“

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Für Rushkoff steckt hinter dem Vorgehen der Tech-Eliten eine konkrete Ideologie. Er nennt sie das „Mindset“, eine Art Doktrin des genial begabten Übermenschen, der Normalsterbliche hinter sich lässt und sich blind auf das Lösen von Problemen durch Technologie verlässt. Elon Musk hat genau nach diesem Prinzip seine DOGE-Nerds auf die US-Verwaltung losgelassen, die dann innerhalb der US-Verwaltung gnadenlos alles wegrationalisiert haben, was auch nur im Ansatz nach Menschlichkeit und Empathie gerochen hat. Denn laut Musk ist „Empathie die entscheidende Schwäche der westlichen Zivilisation“.

Rushkoff bringt es auf den Punkt: „Die Tech-Milliardäre leben nach einem eigenen ‚Mindset‘, in dem ‚gewinnen‘ bedeutet, genug Geld zu verdienen, um sich von dem Schaden abzuschotten, den sie verursachen, indem sie auf diese Art und Weise Geld verdienen. Es ist, als wollten sie ein Auto bauen, das schnell genug fährt, um seinen eigenen Abgasen zu entkommen.“ Doch es geht um mehr als nur Selbstschutz: Die Eliten des Silicon Valley planen nicht bloß, über uns zu thronen – sie streben ein Finale an. „Alles muss auf eine Eins oder eine Null, auf Sieger und Verlierer, auf Geretteter oder Verdammter hinauslaufen.“

Die Katastrophen unserer Zeit liefern den idealen Hintergrund für diese Dystopie: „Tatsächlich bevorstehende dramatische Ereignisse von der Klimakrise bis zu Massenmigrationsbewegungen bestätigen den Mythos und eröffnen Möchtegern-Superhelden die Chance, das Finale zu ihren Lebzeiten für sich zu entscheiden“, sagt Rushkoff. Dieses Mind- set beinhalte auch die vom Glauben getragene Silicon-Valley-Gewissheit, man könne eine Technologie entwickeln, die sich über die Gesetze von Physik, Ökonomie und Moralität hinwegsetzen und ihren Eigentümern etwas noch Besseres als die Rettung der Welt ermöglichen werde. Deshalb bauen sie Raketen. Deshalb, so Rushkoff, wollen sie auf den Mars. Und lassen uns, „die Verdammten“, auf einer „verheerten Erde“ zurück.

Mindset: Ohne Empathie

Studien zeigen: Je mehr Macht ein Mensch hat, desto weniger funktioniert seine sogenannte motorische Resonanz – also die Fähigkeit, das Innenleben anderer nachzuempfinden. Neurowissenschaftliche Forschung legt nahe: Menschen mit Macht verhalten sich oft so, als wäre ihr Orbitofrontalcortex beschädigt – genau jenes Hirnareal, das für Empathie, Rücksicht und soziale Intuition zuständig ist.

Die philosophische Wurzel des „Mindsets“ reicht zurück bis in die 1990er-Jahre – zu John Barlow, einst Songwriter der Band Grateful Dead und später digitaler Vordenker. Er träumte vom Cyberspace als „neuer Heimat des Geistes“. Doch von dieser Utopie ist nichts geblieben, seit die Dotcom-Milliardäre Anfang der 2000er-Jahre entdeckt haben, wie man im digitalen Raum Geld scheffelt. Einer der radikalsten Vertreter dieser Denkrichtung ist Gabe Newell, Gründer der Spieleplattform Valve. Gegenüber dem Magazin Wired sagte er: „Wir sind der Matrix mittlerweile sehr viel näher, als den Leuten bewusst ist.“ Für ihn ist der menschliche Körper nichts weiter als eine „Fleischperipherie“, die „nicht verbessert oder repariert werden kann“ und „den Präferenzen der Konsumenten überhaupt nicht entspricht“.

Profit durch Krise

Corona war der große Booster – allerdings nicht für die Menschheit, sondern für die Tech-Konzerne. Während der Großteil der Wirtschaft mit Einbußen kämpfte, explodierten die Umsätze der fünf größten US-Technologiefirmen – Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Meta. Binnen eines Jahres stiegen ihre Einnahmen um 20 Prozent auf 1,1 Billionen Dollar. Die Marktkapitalisierung wuchs bis Ende 2020 sogar um 50 Prozent – auf unglaubliche acht Billionen Dollar. Wirtschaftsprofessor Rüdiger Bachmann nennt diese Konzentration von Kapital in wenigen Händen schlicht: „obszön“.

Das Mindset von Peter Thiel heißt „Akzelerationismus“, der eine Zukunft propagiert, in der Informationstechnologie, Automatisierung und der globale Kapitalismus mit der digitalen Technologie verschmelzen. Politik? Überflüssig. Begriffe wie „links“ oder „rechts“? Obsolet. Entscheidend ist allein, wer die richtige Technologie entwickelt. Daraus wurde, so Ruskoff, die intellektuelle Basis für das „Mindset“. Peter Thiel verfolgt das Mindset konsequent – und radikal. Im Sinne des Akzelerationismus will er den Kollaps des bestehenden Systems nicht aufhalten, sondern beschleunigen.

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Tech-Faschismus. Peter Thiel ist der geistige Vordenker der rechten Tech-Elite.

 © J. Scott Applewhite / AP

Das erklärt auch seine Strategien: Er kauft Grundstücke in Neuseeland, um dort – gemeinsam mit einer „kognitiven Elite souveräner Individuen“ – nach der Apokalypse eine neue, technologiebasierte Gesellschaftsordnung zu errichten. Gleichzeitig unterstützte er in den späten 2010er-Jahren rechtsextreme Antieinwanderergruppen, förderte Alt-Right-Aktivitäten im Netz und finanzierte extremistische Kandidaten für politische Ämter in den USA. Ein Plan, der Zerstörung nicht fürchtet, sondern als Voraussetzung für Neuanfang begreift.

Und Donald Trump? Ist ihr williges Werkzeug. Wirtschaftsexperte Rüdiger Bachmann bringt es auf den Punkt: „Die Tech-Milliardäre gewähren Trump die Möglichkeit, sich ungeniert zu bereichern und seinen Narzissmus ungebremst auszuleben.“ Für sie ist das ein perfekter Deal: Ein Präsident, der sich selbst inszeniert – und dabei genau jene Machtstrukturen festigt, von denen sie profitieren.

Monopole statt Wettbewerb

Um ihre Ziele zu erreichen, nutzen die Tech-Eliten gezielt die Mechanismen digitaler Plattformen – und unsere tiefsten Instinkte. Douglas Rushkoff beschreibt, wie soziale Medien unsere tribal verankerte Angst, etwas zu verpassen, systematisch aktivieren. Dahinter steckt ein Prinzip, das der Stanford-Professor B.J. Fogg als „Captology“ bezeichnet hat: Gemeint ist die wissenschaftliche Erforschung, Entwicklung und Analyse von Computertechnologien, die gezielt darauf ausgelegt sind, das Verhalten oder die Einstellungen von Menschen zu beeinflussen. Apps geben uns sanfte Schubser – um uns gesünder zu ernähren, den Partner nicht zu vergessen oder noch schnell das neueste, ultrahippe Produkt zu kaufen. Online, versteht sich.

Dahinter stehen KI-gestützte „Ködermodelle“, die Abhängigkeit erzeugen: Je intensiver jemand ein Produkt nutzt, desto stärker wird der Sog – bis aus Konsumenten Cyber-Junkies werden. Manche stürmen dann auch schon mal das Kapitol in Washington. Genau vor diesen Massen fürchten sich Tech-Milliardäre – vor Menschen, die irgendwann begreifen, wie sehr man sie manipuliert hat. Peter Thiels philosophischer Mentor René Girard brachte es auf den Punkt: „Im Rausch der Nachahmung wird der wütende Mob schließlich einen Sündenbock finden.“

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Elon Musk, einstiger Partner von Peter Thiel bei PayPal, setzte seine Visionen eines „idealen“ Staats als Chef von DOGE knallhart in der Regierung Trump um, hat aber dem Weißen Haus mittlerweile wieder den Rücken gekehrt.

Nach Ansicht von Thiel sollte jede neue Geschäftsidee zehnmal besser sein als die vorhandenen – buchstäblich eine Größenordnung besser. Wettbewerb? „Etwas für Verlierer“, erklärt er – in Anlehnung an seinen ehemaligen Philosophieprofessor René Girard. Unternehmen sollen demnach den Wettbewerb miteinander vermeiden und stattdessen durch Innovation auf die nächste Ebene springen. Der Schlüssel dazu liege im „Treu-Bleiben zu einem Ereignis“ – im kompromisslosen Bekenntnis zu einer Zukunft, „die andere noch nicht sehen können“.

In seinem Buch „Zero to One“ kritisiert Silicon-Valley-Vordenker Thiel, dass die meisten Unternehmensgründer zu prozessorientiert denken und sich abhängig von der Reaktion des Markts bewegen. Daher kommen sie nur in kleinen Schritten woran. Gründer sollten vielmehr wie Steve Jobs oder Elon Musk handeln – nicht reagieren, sondern gestalten. Nicht fragen, was der Markt will, sondern vorantreiben, was er noch nicht kennt. So seien auch Larry Page und Sergey Brin, die Gründer von Google vorgegangen. Oder Mark Zuckerberg.

Augustus reloaded

Die Tech-Milliardäre sehen sich als Erben großer historischer Figuren. Mark Zuckerberg etwa ist besessen vom römischen Kaiser Augustus, der die römische Republik beendete und ein 400 Jahre andauerndes Kaiserreich ermöglichte. „Im Grunde schuf er mit harter Hand für 200 Jahre Frieden in der Welt“, erklärte Zuckerberg dem US-Magazin The News Yorker. Dass Augustus dazu einen verheerenden Bürgerkrieg mit Hunderttausenden Toten führte und zahlreiche Völker versklavte, ließ er unter den Tisch fallen.

Er eifert seinem Idol sogar äußerlich nach – mit angepasster Frisur und Facebook-Meetings, die er mit dem Ausruf „Vorherrschaft!“ beendet, ganz wie Augustus seine Beratersitzungen. Sein digitales Imperium, aufgebaut auf der rücksichtslosen Monopolisierung des freien Internets, hat verheerende Folgen: für die Innovation, die soziale Stabilität, die mentale Gesundheit von Milliarden und letztlich die Demokratie selbst. Selbst in Donald Trumps USA dürfte er damit den Bogen überspannt haben: Meta droht die Zerschlagung durch die US-Wettbewerbsbehörde.

Tech-Hochmut

Doch das Mindset der Tech-Milliardäre ist keine Blaupause für die uneingeschränkte Weltherrschaft. Douglas Rushkoff hat seine eigene Vision vom Scheitern dieser Ideologie – und illustriert sie mit „Coyote and the Roadrunner“, ein Comicstrip aus den 1960er-Jahren. Coyote bastelt immer absurdere technische Apparate, um den flinken – aber nicht besonders klugen – Roadrunner zu fangen. Und scheitert jedes Mal spektakulär. Sein Hochmut ist sein Verderben. Eine Lektion, die selbst ein Sechsjähriger versteht.

Silicon Valley kapiert es nicht. Egal, wie technologisch fortschrittlich und finanzstark sie sind und wie gut sie sich auch abschotten mögen: Sie betrügen sich selbst, wenn sie glauben, sie seien in Sicherheit. Wie Coyote, der über den Abgrund hinausläuft, in der Luft steht und dumm aus der Wäsche schaut. Erst als er begreift, was er getan hat, stürzt er in die Tiefe.

In einer ganz ähnlichen Lage befinden sich heute unsere Milliardäre, ist Rushkoff überzeugt. Es ist, als wären sie mit ihren Teslas vom Pacific Coast Highway abgekommen und über eine Klippe gerast. Sie schauen in den Abgrund, fallen jedoch noch nicht, sondern hoffen, dass es irgendeine Technologie der nächsten Generation geben wird, die ihnen ein weiteres Jahrhundert des Fortschritts verschaffen wird. Noch nie ist eine Zivilisation, die ihre physische Umwelt derart ausgebeutet hat, dem Zusammenbruch entgangen. Und der, so warnt Rushkoff, kann schneller kommen, als wir denken.

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