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Damals konnte sich Österreich in einem Dreierrennen um zwei Plätze gegen Island behaupten, landete bei der Wahl durch die UNO-Generalversammlung aber hinter der Türkei. "Es war ein offenes Rennen", so Spindelegger. Kurz vor der Abstimmung hätten nämlich alle drei Staaten geglaubt, die erforderlichen Stimmen beisammenzuhaben. "Das heißt, man darf sich nicht sicher fühlen, auch wenn man viele Zusagen hat."
Man müsse als Kandidat für den Sicherheitsrat etwas "einbringen können". Im Fall Österreich sei dies die "gute Tradition, Diplomatie und Bemühungen auf UNO-Ebene voll mitzutragen und zu gestalten". Viele Staaten würden auch schätzen, "dass Österreich ein verlässlicher Partner ist und nicht immer an der Speerspitze einer bestimmten Bewegung gestanden ist".
Auf die Frage, ob man auch die Geldschatulle öffnen müsse, verwies Spindelegger auf den Wunsch des karibischen Inselstaates St. Vincent und die Grenadinen nach einem Schulbus. "Den Autobus hat man schnell gefunden, aber wie man den hin transportiert, war eine weit schwierigere Aufgabe", schmunzelte der frühere Vizekanzler.
Auch diesmal muss es Österreich mit zwei Konkurrenten aufnehmen, und zwar mit Portugal und Deutschland. Auf die Frage, ob sich die klare Unterstützung Israels als Handicap für Österreichs erweisen könnte, verwies Spindelegger auf Deutschland. Dieses sei "genauso klar auf Seite Israels anzusehen. Darum glaube ich jetzt nicht, dass das spielentscheidend sein wird".
Mit der aktuellen Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) hat Spindelegger nicht nur die Bewerbung um einen Sicherheitsratssitz gemeinsam, sondern war wie sie auch zugleich Chefdiplomat und Parteichef. Das Schwierige dieser Kombination sei, dass man auf Reisen "trotzdem noch mit einem Ohr hören muss, was im eigenen Land vor sich geht", so Spindelegger. "Darum wünsche ich ihr viel Glück, das alles zu bewerkstelligen, aber im Vergleich zu dem, was ein Regierungsamt ausmacht, ist der Parteivorsitz eine viel stärkere Herausforderung."
Spindelegger geht Ende Dezember nach zehn Jahren als Chef der Wiener Migrationsorganisation ICMPD in Pension, nachdem er zuvor Mitglied des Bundesrates, Nationalratsabgeordneter, Europaabgeordneter, Zweiter Nationalratspräsident, Außenminister, Finanzminister und Vizekanzler gewesen war. Auf die Frage nach seiner liebsten Funktion antwortete Spindelegger: "Jede hat ihre spezifischen Eigenheiten, aber Außenminister der Republik zu sein, das ist schon eine ganz besonder Ehre und Verantwortung und hat sehr viel Freude macht."
Spindelegger gilt als bundespolitischer Entdecker von Sebastian Kurz, den er im Jahr 2011 als Integrationsstaatssekretär in die Regierung holte. Drei Jahre später überließ er ihm das Amt des Außenministers, als er selbst ins Finanzministerium wechselte. Auf die Frage, ob er sich Kurz damals gut genug angeschaut habe, sagte Spindelegger: "Ja, absolut. Und ich stehe nach wie vor zu 100 Prozent zu ihm." Nicht alles in der Politik sei "auf die Goldwaage zu legen", sagte er in Anspielung auf die scharfe Kritik an der Amtsführung des zwei Mal unfreiwillig aus dem Amt geschiedenen Kanzlers.
"Ich glaube, dass er trotzdem für Österreich eine tolle Ära gestaltet hat, zwei Wahlen gewonnen hat mit einer beeindruckenden Unterstützung der Bevölkerung (...) und dass er auch als Persönlichkeit durchaus für Österreich ein guter Repräsentant war", sagte Spindelegger, der diesbezüglich auch auf den jüngsten Freispruch im Falschaussage-Verfahren verwies. Vielleicht gelinge dies auch beim anderen Verfahren, "wir werden sehen", sagte der frühere ÖVP-Chef. Comebackpläne kenne er nicht, deshalb sei es "ein bisserl müßig, darüber zu spekulieren", fügte er auf eine entsprechende Frage hinzu.
Definitiv keine Comebackpläne hegt Spindelegger selbst. Wenige Tage nach seinem 66. Geburtstag soll für ihn mit Jahreswechsel ein neues Leben anfangen. "Ich werde versuchen, das Tischlerhandwerk zu lernen, das habe ich mir vorgenommen", sagte der Niederösterreicher. Einen Lehrherrn hat er bereits, und das Ziel ist, einen Tisch selbst tischlern zu können.
(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)
Michael Spindelegger, Generaldirektor des Zentrums für Migrationspolitik (ICMPD), am Montag, 23. Juni 2025, in Wien. Michael Spindelegger wird mit Jahresende aus dem Amt scheiden. APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT