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Botschafter: Irans Atomprogramm nicht nur israelisches Thema

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Der israelische Botschafter David Roet dankt Österreich für Unterstützung
©APA, ROBERT JAEGER
Der israelische Botschafter David Roet hat sich angesichts der Eskalation zwischen Israel und dem Iran bei der österreichischen Regierung bedankt. "Wir sind sehr dankbar für Österreichs Unterstützung für Israel und für das Verständnis für die israelische Position", sagte Roet, der den Beginn der israelischen Angriffe auf den Iran am 13. Juni aus familiären Gründen in Israel erlebt hat, der APA in Wien. "Das iranische Atomprogramm ist nicht nur ein israelisches Thema."

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Israel sei "nur aufgestanden. Wir haben es als letzte Möglichkeit gesehen. Denn wenn wir gewartet hätten, hätten sie genug Nuklearkapazität gehabt, gegen die nichts mehr getan hätte werden können. Deswegen haben wir versucht, es zu stoppen." Fortsetzen müssten die diplomatischen Bemühungen nun die Amerikaner, die EU und die Länder der E3 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien).

Dass Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) Wien als Verhandlungsort mit dem Iran vorgeschlagen hat, kommentierte Roet auf Nachfrage nicht. "Israel und Österreich haben besondere Beziehungen und österreichische Politiker sind immer gern gesehene Gäste. Wir freuen uns auf einen neuen Termin für den Besuch der Außenministerin in Israel sowie auf einen möglichen künftigen Besuch des Bundeskanzlers", sagte der Botschafter im Interview, ohne ins Detail zu gehen.

Die Situation derzeit beurteilt der Diplomat "vorsichtig optimistisch. Das iranische Atomprogramm läuft schon seit Jahrzehnten", erklärte Roet. "Jahrzehnte lang haben sie unter dem Radar daran gearbeitet und gemogelt." Teheran habe mindestens eine halbe Trillion Dollar für den Nuklearplan ausgegeben, während das Land eines der größten Ölvorkommen der Welt habe. Die iranische Führung sei bereit, durch Sanktionen zu gehen, um weiterhin Uran anzureichern und ein waffenfähiges System aufzubauen. "Sie sind bereit, ihr Volk dafür leiden zu lassen. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob sie die Botschaft verstanden haben. Ich hoffe, sie haben die Botschaft verstanden."

Ein Regimewechsel sei aber nicht das Ziel Israels. "Ich denke, dass es ein wunderbares Ergebnis für das iranische Volk wäre, ebenso für Israel und die Welt", sagte der Diplomat. Aber ein Regimewechsel "kann nicht von außen kommen, und sicherlich nicht von Israel."

Dem Vorwurf, Israel missachte Völkerrecht, kann der Botschafter wenig abgewinnen. Das Völkerrecht gelte nicht erst seit dem 13. Juni. Der Iran, ein UNO-Mitgliedsland, versuche seit fast 50 Jahren, den Staat Israel zu zerstören. Tausende Menschen arbeiteten tagtäglich daran, Israel von der Landkarte zu löschen, sagte Roet. Dafür habe der Iran auch die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah instruiert und mit Raketen ausgestattet. "Sie (der Iran, Anm.) attackiert uns durch den Libanon, durch den Jemen. Sie attackieren uns durch die Hamas und sie attackierten uns direkt."

630 Tage seien nun seit dem Großangriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 vergangen. Das Ziel Israels im Gaza-Krieg sei, die Geiseln zu befreien und die Hamas davon abzuhalten, erneut einen derartigen Anschlag durchzuführen. Auf Terror gegen Israel werde sein Land reagieren müssen. Die Hamas müsse "weg". Das sei auch im Interesse Europas. "Europa investiert so viel in den Gazastreifen und die palästinensische Bevölkerung, und die Hamas verursacht mit ihrem Terror gegen Israel dessen Zerstörung", sagte der Botschafter, der auch zu einem in Sozialen Medien kursierenden Video von einem vertraulichen Treffen Roets mit der jüdischen Gemeinde in Innsbruck Stellung nahm.

"Das Video wurde illegal aufgenommen, bearbeitet, verfälscht und Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen. Es ist traurig zu sehen, wie leicht und böswillig Fake News und Manipulationen verbreitet werden", betonte der Diplomat auf Nachfrage. Roet bedauerte, dass er in diesem internen Gespräch das Wort "Todesstrafe" für palästinensische Jugendliche verwendet habe. Er sei ein lebenslanger Gegner der Todesstrafe, versicherte Roet. Was er nach eigenen Angaben sagen wollte, ist, "auf eine tragische Realität hinzuweisen: Die Hamas und andere palästinensische Terrorgruppen schicken Kinder bewusst in bewaffnete Auseinandersetzungen oder benutzen sie als menschliche Schutzschilde. Sie bringen sie damit wissentlich und absichtlich in tödliche Gefahr."

Der 7. Oktober sei für viele Israelis eine Art "Triage-Moment" gewesen. Die Unterstützung in der palästinensischen und der arabischen Gesellschaft für den Anschlag, bei dem Menschen ermordet, geköpft, verbrannt und vergewaltigt wurden, sei "sehr entmutigend". Die meisten Israelis würden daher eine Zwei-Staaten-Lösung von Israel und Palästina "in absehbarer Zukunft nicht sehen". "Es ist ein Phantomgedanke", sagte der Botschafter. Die israelische Regierung selbst glaube nicht mehr, dass eine Zwei-Staaten-Lösung möglich und machbar sei. "Aber sie sind bereit, sehr weit zu gehen, um eine Verständigung mit den Palästinensern zu erreichen", meinte Roet.

Berichte, wonach Israel mit IS-nahen Gruppen zusammenarbeite, um gegen die Hamas im Gazastreifen zu kämpfen, konnte Roet nicht bestätigen. Er bestätigte lediglich Bemühungen Israels und der USA, "irgendwann eine Alternative zu finden". Wer mit wem verbunden sei, könne er aber nicht beurteilen.

Israel und die USA seien außerdem bemüht, die Palästinenser mit humanitärer Hilfe zu versorgen. "Es ist sehr aufschlussreich, dass es zwei Parteien gibt, die versuchen, dies zu stören: die UNO und die Hamas", sagte der Diplomat. Bisher ging die UNO-Hilfe an die Hamas, die die Hilfsgüter zu hohen Preisen verkauft und im Gegenzug mehr Waffen kauft und damit neue Terroristen rekrutiert. "Wenn das so weitergeht, wird der Krieg niemals enden." Die GHF (Gaza Humanitarian Foundation) hingegen habe inzwischen 46 Millionen Mahlzeiten an die Menschen in Gaza verteilt. Aber die Hamas kämpfe gegen die von den USA und Israel unterstützte Lebensmittelverteilung. Sie tue dies "mit allen möglichen Anschuldigungen gegen Israel sowie mit der Bedrohung und Tötung von Zivilisten, die versuchen, die Hilfe zu erhalten".

Nicht kommentieren wollte der Botschafter die unlängst erhöhten Sicherheitsmaßnahmen für jüdische und israelische Einrichtungen in Österreich. Es stelle sich jedoch die Frage, "warum es allen normal erscheint, dass Angriffe auf Israelis und Juden in der ganzen Welt stattfinden können. Es ist eine traurige Reflexion darüber, wo wir stehen." Und Roet betonte: "Ich weiß das Engagement der österreichischen Regierung für die Sicherheit der Israelis und der jüdischen Gemeinde hier sehr zu schätzen."

In der neuen ÖVP-SPÖ-Neos-Regierung sieht Roet weiterhin eine grundlegende Unterstützung für Israel. Wie in den internationalen Beziehungen üblich, seien sich Österreich und Israel jedoch in einigen Fragen "manchmal einig, dass sie unterschiedlicher Meinung sind". Österreicher könne aber jedenfalls unterscheiden, "was richtig und was falsch ist, und wir schätzen das sehr." Israel würdige außerdem "Österreichs starke Haltung beim Thema Antisemitismus". Keine Änderung gebe es daher in den stillgelegten Beziehungen zur FPÖ. "Wir haben unsere Position nicht geändert", antwortete der Botschafter auf die Frage, ob er sich Kontakt zu FPÖ-Politikern vorstellen könne.

(Das Gespräch führte Alexandra Demcisin/APA)

Der israelische Botschafter David Roet während eines Interviews mit der APA (Austria Presse Agentur) am Mittwoch, 17. April 2024, in Wien.

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