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Selenskyj wegen neuem Korruptionsgesetz unter Druck

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Demonstrationen gab es in mehreren Städten
©AFP, APA, TETIANA DZHAFAROVA
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gerät wegen seines Vorgehens gegen die Korruptionsbekämpfung unter Druck im Inland und bei seinen EU-Verbündeten. Selenskyj hatte am Dienstagabend ein Gesetz unterzeichnet, das Befugnisse der beiden Antikorruptionsbehörden NABU und SAP beschneidet. In der Ukraine gingen tausende Menschen auf die Straße, die um die Unabhängigkeit der Korruptionsermittler fürchten. Demonstrationen fanden in Kiew, Lwiw, Odessa und Dnipro statt.

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Der Abbau wichtiger Schutzmechanismen für die Unabhängigkeit der Behörden sei ein schwerwiegender Rückschritt, sagte Kos. Der Chef des Nationalen Antikorruptionsbüros, Semen Krywonos, hatte zuvor gewarnt, das zuvor vom Parlament verabschiedete Gesetz gefährde den angestrebten Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union. Die Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption ist eine wichtige Voraussetzung für den von der Ukraine angestrebten Beitritt zur EU und die Sicherung milliardenschwerer westlicher Hilfsgelder. Laut der Nichtregierungsorganisation Transparency International zählt die Ukraine zu einem der korruptesten Länder Europas.

Kritiker werfen Selenskyj seit längerem zunehmend autoritäre Tendenzen vor. Selenskyj seinerseits sagte die Ausarbeitung eines Plans zur Korruptionsbekämpfung innerhalb von zwei Wochen zu. "Wir alle hören, was die Gesellschaft sagt. Wir sehen, was die Menschen von den staatlichen Institutionen erwarten - nämlich eine garantierte Gerechtigkeit und das effektive Funktionieren jeder Einrichtung", sagte Selenskyj am Mittwoch nach einem Treffen mit Vertretern von Anti-Korruptions- und Sicherheitsbehörden.

Selenskyj sagte in seiner Videobotschaft, "die Infrastruktur zur Korruptionsbekämpfung wird funktionieren. Nur ohne russischen Einfluss, davon muss sie befreit werden". Seit Jahren lebten Beamte, die aus der Ukraine geflohen seien, aus irgendwelchen Gründen im Ausland - "in sehr schönen Ländern und ohne rechtliche Konsequenzen - und das ist nicht normal".

Das Gesetz, das das Parlament in Kiew zuvor verabschiedet hatte, schränkt die Autonomie ukrainischer Anti-Korruptionsbehörden ein. Es ermöglicht dem vom Präsidenten ernannten Generalstaatsanwalt, mehr Kontrolle über das Nationale Antikorruptionsbüro und die auf Korruptionsbekämpfung spezialisierte Staatsanwaltschaft auszuüben. Die Gründe für das Gesetz blieben zunächst unklar.

In Kiew kündigte der Oppositionspolitiker Jaroslaw Schelesnjak an, er werde mit mehreren anderen Abgeordneten einen Gesetzesentwurf einbringen, "um diese große Schande, die beschlossen und unterzeichnet wurde, rückgängig zu machen". Zudem wolle man das Gesetz vor dem Verfassungsgericht anfechten.

Der deutsche Außenminister Johann Wadephul kritisierte die Entscheidung Selenskyjs. Das Gesetz "belastet den Weg der Ukraine in die EU", sagt der Minister zu "Bild". "Ich erwarte von der Ukraine die konsequente Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung. Deshalb habe ich mich bei meinem Besuch in Kiew auch mit den Leitern der Behörden NABU und SAPO getroffen." Beide Behörden sind von der Entscheidung betroffen.

Der französische Europaminister Benjamin Haddad erklärte am Mittwoch, es sei für die Ukraine noch nicht zu spät, ihre Entscheidung zur Einschränkung der Autonomie der beiden Anti-Korruptionsbehörden zurückzunehmen. Diese stehen im Zentrum der Reformbemühungen des Landes. "Es ist nicht zu spät, diesen Schritt zurückzunehmen", sagte Haddad dem Radiosender France Inter. "Wir werden bei diesem Thema äußerst wachsam sein."

Kritik am neuen Gesetz kam auch von den NEOS, SPÖ und der FPÖ. Der NEOS-Delegationsleiter und Vizevorsitzende der Ukraine-Delegation im EU-Parlament, Helmut Brandstätter, sagte, dass dieses Gesetz "ein schwerer Rückschlag auf dem Weg der Ukraine in die EU" sei. Die Ukraine müsse ein glaubwürdiges System zur Bekämpfung der Korruption installieren, forderte er in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder sah ebenfalls "einen besorgniserregenden Rückschritt" für die Ukraine auf ihrem Weg in die Europäische Union. Die Ukraine kämpfe wortwörtlich an vorderster Front für gemeinsame europäische Werte, sagte Schieder in einer Aussendung. "Aber der Weg in die EU kennt keine Abkürzungen. Er verlangt konsequente Reformen und den festen Willen zur Rechtsstaatlichkeit."

Das Gesetz "bestätigt erneut, dass das Land nicht EU-reif ist", erklärte Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter, im Europäischen Parlament am Mittwoch in einer Aussendung. "Die Ukraine gilt nicht umsonst seit Jahren als eines der korruptesten Länder Europas und mit diesem Gesetz unterstreicht sie eindrucksvoll, warum das so ist", so Vilimsky weiter. Statt die Ermittlungsbehörden zu stärken, würden sie jetzt politisch kontrolliert und in ihrer Arbeit behindert. "Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die auf demokratische Reformen gehofft haben und ein klarer Beweis, dass von europäischen Standards dort keine Rede sein kann."

Protesters hold placards during a demonstration calling for the Ukrainian president to veto a law passed by parliament that reduces the powers of Ukraine’s National Anti-Corruption Bureau (NABU) and Specialised Anti-Corruption Prosecutor's Office (SAPO) in downtown Kyiv on July 22, 2025, amid the Russian invasion of Ukraine. Ukraine's parliament voted on July 22 to revoke the autonomy of the two anti-corruption agencies, a move that critics say will allow government meddling in high-profile graft cases. (Photo by Tetiana DZHAFAROVA / AFP)

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