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Parlamentswahl im Kosovo - Stabile Regierung gesucht

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Premier Albin Kurti regierte ab 2021 allein
©ARMEND NIMANI, AFP, APA
Zum zweiten Mal 2025 wird am Sonntag (28. Dezember) im Kosovo ein neues Parlament gewählt. Die zwei Hauptfragen sind: Können sich Premier Albin Kurti und seine Partei Vetevendosja (Selbstbestimmung) an der Macht halten? Und: Kehrt das Land nach Monaten politischer Instabilität und des Stillstands zurück zu einer regulären Regierung, die nötige Reformen bewältigen kann? Der Kosovo hinkt bei der EU-Integration hinter den anderen Westbalkanstaaten hinterher.

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Kurti regierte ab 2021 vier Jahre allein. Er hatte im Parlament eine absolute Mehrheit hinter sich. Heuer im Februar änderten sich die Verhältnisse. Trotz klarem Wahlsieg mit über 42 Prozent für Vetevendosja konnte Kurti keine stabile Regierung mehr bilden: Weder fand er einen Koalitionspartner, noch bildete sich eine Regierungsmehrheit gegen ihn. So versuchte der 50-Jährige mit politischen Taschenspielertricks zumindest geschäftsführend im Amt zu bleiben.

Kurti zögerte die Konstituierung des neuen Parlaments hinaus, indem er die korrekte Wahl des Präsidiums hintertrieb. Schließlich schritt im Herbst das Verfassungsgericht ein. Doch weder Kurti noch eine danach mit der Regierungsbildung beauftragte Parteikollegin fanden die bestätigende Zustimmung des im Februar gewählten Parlaments. Daher kommt es nun zum nächsten Urnengang.

Um bei den Wählern zu punkten, schüttete der Regierungschef vor allem Gräben mit ausländischen Partnern zu: Von den USA nahm er abgeschobene Migranten aus Drittstaaten auf und sorgte so für Good Will. Eine Woche vor Weihnachten kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Aufhebung von EU-Sanktionen gegen den Kosovo an. Zurückgehaltene Wirtschaftshilfe soll nun wieder fließen. Auch zu Treffen hochrangiger EU-Vertreter mit kosovarischen Spitzenpolitikern, die suspendiert waren, soll es nun wieder kommen.

Grund für die Strafmaßnahmen und Spannungen mit den Verbündeten war ein Paradigmenwechsel, den Kurti an der Spitze der kosovarischen Regierung herbeiführte: Erstens mehr Eigenständigkeit des jungen Staates Kosovo gegenüber ausländischen Akteuren, die unter seinen willfährigen Vorgängern großen und direkten Einfluss auf Politik nahmen. Zweitens die harte Durchsetzung der Souveränität von Regierung und Behörden auch im Nordkosovo, wo sich die Serben, die rund sechs Prozent der Bevölkerung ausmachen, auch 17 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung nicht voll eingliedern wollen, weil sie sich nicht sicher und nicht gleichberechtigt fühlen.

Was den zweite Punkt betrifft, hatte die EU die Annäherung des Kosovo und Serbiens davon abhängig gemacht, dass sie normale bilaterale Beziehungen herstellen. Der Kosovo hatte nach dem Krieg 1998/99 und Jahren unter UNO-Verwaltung seine Unabhängigkeit von Serbien erhalten. Serbien erkennt das nicht an. Zu den nach wie vor bestehenden Konflikten läuft seit Jahren ein von der EU vermittelter Dialog. Dabei einigten sich beide in mehreren Fragen, umgesetzt wurde aber wenig - ohne Konsequenzen.

Eine Einigung betraf die kosovarischen Autokennzeichen. Als Kurti die Anerkennung und Verwendung der Nummerntafeln im serbischen Landesteil beinhart durchzog, traten dort die Bürgermeister, aber auch die serbischen Angehörigen der kosovarischen Polizei und Justiz zurück. Der Premier ließ daraufhin die Bürgermeister im Nordkosovo neu wählen. Die Serben blockierten die Wahl. Bei einer Beteiligung von nur rund 3,5 Prozent wurden zwischenzeitlich Kosovo-Albaner zu Bürgermeistern in Gemeinden, wo die serbische Bevölkerung bei weitem überwiegt. Mittlerweile sind wieder neu gewählte Serben in Amt und Würden.

Das führte zu monatelangen Unruhen im Nordkosovo, die in einem Anschlag von Serben auf die Polizei mit mehreren Toten gipfelte. Das ging selbst der EU zu weit. Kurti musste versprechen, dass er die aus Sicht des Kosovo illegalen Parallelstrukturen der Serben - Schulen mit von Serbien bezahlten Lehrern, die nach serbischem Lehrplan unterrichten und Gesundheitseinrichtungen mit von Serbien bezahlten Ärzten und Pflegepersonal - nicht auch noch angreift. Weil der Regierungschef aber zu wenig unternahm, um die Lage zu beruhigen, folgten die Sanktionen.

Von der Leyen verlautbarte jüngst wie gesagt "Gute Neuigkeiten für den Kosovo". "Wir planen 216 Millionen Euro an Finanzhilfen und beabsichtigen 205 Millionen Euro früh im nächsten Jahr freizugeben", schrieb die EU-Kommissionspräsidentin auf X. Insgesamt wurden bzw. werden bis zu 880 reservierte EU-Millionen für das kosovarische Budget zurückgehalten. Die Weltbank hält 127 Millionen Euro zurück, die in das kosovarische Bildungs- und Gesundheitssystem fließen sollten.

Im Wahlkampf reichte Premier Kurti die Ankündigung von der Leyens, um Ankündigungen wie diese zu machen: Er versprach höhere Gehälter, pro Jahr eine Milliarde Euro an Investitionen, aber auch eine neue Einheit der Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Bei einem Kampagnenauftritt vor wenigen Tagen posaunte er gegenüber dem Lokalsender Kanal 10 optimistisch: "Ich glaube, nun ist es realistischer als je zuvor, dass es ein Kabinett Kurti III geben wird."

Verlässliche, veröffentlichte, aktuelle Umfragewerte gibt es nicht. Diese Wahl werde die wichtigste seit der Unabhängigkeit, "weil sie nach einem Jahr des Stillstands kommen, und vier Monate vor der Wahl eines neuen Präsidenten", sagte der Politikanalyst Artan Muhaxhiri der Nachrichtenagentur Reuters. "Wenn Kurti wieder um die 42 Prozent macht, kommt es wieder zum Stillstand, denn die Kluft zwischen ihm und den anderen Parteien ist groß, unüberbrückbar." Das kosovarische Parlament hat 120 Sitze. 20 davon sind für die Vertreter von Minderheitenparteien reserviert. Kann Kurti mit Rückenwind aus Washington und Brüssel an frühere Erfolge nur halbwegs anschließen, bräuchte er gar keinen größeren Koalitionspartner wie die Demokratische Partei (PDK) oder die Demokratische Liga (LDK). Dann könnte es ihm reichen, ein paar Minderheitenvertreter zu seiner Unterstützung zu gewinnen.

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