… die Entscheidungen der Regierung jedoch auch nicht rechtfertige.
Etwa einmal im Jahr fuhr ich während der letzten Jahrzehnte nach Israel. Nach der Landung in Tel Aviv sprechen mich Beamte der Passkontrolle trotz österreichischen Passes jedes Mal auf Hebräisch an. Sie lachen, wenn ich antworte, ich würde sie nicht verstehen, und eine Beamtin sagte: „Du siehst aus wie ein pensionierter Offizier der israelischen Armee, wieso kannst du nicht Hebräisch.“
Ich falle in dieses Land wie ein Tropfen Wasser ins Meer. Die Heiterkeit, der doppelbödige Humor, selbst die Hektik und die Streitsucht sind mir so selbstverständlich, als wäre ich hier aufgewachsen. Seit dem 7. Oktober hat es sich jedoch verändert. Als hätte man diesem fröhlichen Land – und der Diaspora, den Juden außerhalb Israels – den Frohsinn gestohlen.
Tür und Tor
Nicht Diskriminierung oder tätliche Angriffe veränderten mein Leben in Wien, sondern die quälenden Gespräche, in denen ich in die Verantwortlichkeit gedrängt werde, eine kritische Stellungnahme erwartet wird, mit der Ermahnung, dass sogar Juden Israel kritisieren würden. Konfrontiert mit dem Leid der Bevölkerung in Gaza, gibt man mir die Chance, mich von meiner Mitschuld zu erlösen. Medien und Veranstalter öffnen ‚israel-kritischen‘ Juden Tür und Tor, feiern ihre Auftritte als Befreiung vom Vorwurf des Antisemitismus.
Ich werde nicht Platz nehmen im kritischen Publikum des Gaza-Konflikts. Aus einem einfachen Grund: Es ging und geht nie um Gaza, nie um Palästinenser, immer nur um Israel, immer nur um Juden. Sie schwiegen zur größten Hungersnot in Jemen und attackieren Besucher von Synagogen, schwiegen zu Syrien mit 350.000 Ermordeten und tyrannisierten Patienten jüdischer Krankenhäuser, schweigen zum Sudan mit 500.000 verhungerten Kindern und unterbrechen mit Gebrüll Auftritte jüdischer Wissenschafter und Künstler.
Respekt und Sympathie
Nach keinem der mörderischen islamistischen Anschläge demonstrierten sie vor Moscheen, bedrohten keine Gäste arabischer Restaurants, ebenso keine Kinder und Eltern vor muslimischen Schulen. Sie tragen keine Poster mit ‚Fuck Hamas‘, ‚Fuck Taliban‘ und ‚Fuck Iran‘, sondern nur ‚Fuck Israel‘. Ihr Protest gegen Israel wird singulär abgerufen, wie auf Knopfdruck und richtet sich weltweit gegen jüdische Kinder, Frauen und Männer – das ist rassistisch, antizionistisch und antisemitisch.
Mein Respekt, meine Sympathie und Unterstützung gilt dem israelischen Volk, nicht der jetzigen Regierung. Unter meinen Verwandten sind junge Frauen und Männer, die zum Militär einberufen wurden, andere, die jede Woche gegen die Regierung und für Frieden demonstrieren. Ich lebe in dieser jüdischen Logik, die Widersprüche widerspruchslos integriert.
Deutschland konnte erst nach Zerstörung faschistoider Strukturen und der Kapitulation eine stabile Demokratie aufbauen. Churchill lehnte Verhandlungen und einen Waffenstillstand ab. Sicherheit und Frieden für Palästinenser und Israelis könnte es mit Neuwahlen in Israel und ohne Hamas geben, vielleicht, und wenn, dann unabhängig von den Ratschlägen aus dem Publikum – mit oft peinlich undifferenzierter Kritik oder Rechtfertigung.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 24/2025 erschienen.