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"Vom heutigen Treffen geht das wichtige Signal aus, dass Europa in Fragen der Asylpolitik härter wird", sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Es ist notwendig, dass wir neue starke Achsen bilden, damit wir einen strengen Asylkurs auf europäischer Ebene fahren können." Zu dem Treffen auf dem höchsten Berg Deutschlands hatte der deutsche Innenminister Alexander Dobrindt geladen. Auch die Innenminister aus Frankreich (Bruno Retailleau), Polen (Tomasz Siemoniak), Tschechien (Vít Rakušan) sowie der dänische Migrationsminister und aktuelle EU-Ratsvorsitzende (Kaare Dybvad Bek) und EU-Innenkommissar Magnus Brunner nahm an den Beratungen teil.
Die EU plant eine Verdreifachung der Mittel für die Bekämpfung der illegalen Migration. Brunner sagte: "Der neue EU-Haushalt setzt ein klares Signal: Mit der Verdreifachung unserer Mittel bringen wir unser Haus in Ordnung - mit effektivem Migrationsmanagement, besser geschützten EU-Außengrenzen und einer modernen Sicherheitsstrategie. Der Haushalt stärkt nicht nur unsere Kapazitäten, sondern macht die EU widerstandsfähiger und handlungsfähiger - nach innen wie nach außen."
"Wirksame Rückführungen sind eine unerlässliche Voraussetzung für das Vertrauen in eine ausgewogene europäische Migrationspolitik", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Dazu gehörten auch Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan. Diese müssten "möglich sein", halten die Minister in ihrer Erklärung fest. Bisher ist die Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern in diese beiden Länder mit hohen Hürden verbunden.
In der Früh startete erstmals seit knapp einem Jahr ein Abschiebeflug mit 81 Afghanen aus Deutschland nach Afghanistan. Karner begrüßte den Schritt. Die EU werde "härter und konsequenter. Die Abschiebungen von Straftätern in ihre Heimatländer zeigt, dass Europa bereit ist, eine glaubwürdige Asylpolitik umzusetzen", erklärte Karner. Karner sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er könne sich bei Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien eine weitere Zusammenarbeit mit Deutschland vorstellen. Österreich hat zuletzt nach rund 15 Jahren als erstes EU-Land offiziell wieder nach Syrien abgeschoben.
Die zu der Konferenz eingeladenen Innenminister seien sich darin einig gewesen, für "mehr Tempo" zu sorgen und keine langwierigen Prüfverfahren mehr zuzulassen, sagte Dobrindt am Freitag nach der Besprechung auf der Zugspitze. Mit einem "Migrationssystem auf europäischer Ebene" sollen zudem Schleuser- und Schlepperbanden stärker bekämpft werden. Dobrindt machte bei dem gemeinsamen Auftritt mit seinen Ministerkollegen und Brunner deutlich, dass weitere EU-Länder ins Boot geholt werden sollen. Beim nächsten informellen EU-Ministerratstreffen in Kopenhagen solle das Programm den übrigen Staaten vorgestellt werden.
Retailleau erklärte, das Vorgehen gegen irreguläre Migration sei wichtig für die Demokratie, die Bevölkerungen verlangten dies. Polens Innenminister Siemoniak sagte, Migranten würden als Waffe benutzt. Belarus und Russland wollten Einfluss nehmen, damit Migranten kämen, sagte er laut Verdolmetschung. Es brauche deshalb stärkere Grenzkontrollen. Dobrindt will sich nach Angaben beider Minister am Montag bei einem Besuch der polnisch-belarussischen Grenze ein Bild machen. Zugleich äußerte er den Wunsch, zum eigentlich grenzkontrollfreien Reisen im Schengen-Raum, dem die meisten EU-Länder angehören, zurückzukommen.
Damit spielte Siemoniak auch auf die verschärften Grenzkontrollen von deutscher Seite an, die Innenminister Dobrindt kurz nach Amtsantritt angeordnet hatte. Dass er von diesem Kurs wieder Abstand nimmt, ist nicht absehbar. Ganz im Gegenteil. Dobrindt betonte: "Das ist der Politikwechsel in Deutschland. Das ist der Politikwechsel, den eine neue Bundesregierung auch angekündigt hat."
Migrationskommissar Brunner betonte, dass Europa selbst entscheiden müsse, wer den Kontinent betrete, und nicht die Schlepper. "Wir müssen den Menschen das Gefühl zurückgeben, dass wir Kontrolle über das haben, was in Europa passiert", erklärte er. Das sei wichtig, damit Populisten nicht noch mehr Aufwind bekämen. Mit der EU-Asylreform würden Asylverfahren schneller. "Es ist wirklich inakzeptabel, dass nur einer von Vieren, die sich illegal in Europa aufhalten, dann auch tatsächlich rückgeführt werden." Das solle mit der Reform der Rückführungsverordnung besser werden.
In Deutschland startete Freitag früh indes der erste Abschiebeflug nach Afghanistan unter der neuen schwarz-roten Regierung. Es ist erst das zweite Mal seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021, dass Berlin afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland rückführt. An Bord des Flugzeugs befanden sich laut dem deutschen Innenministerium 81 Menschen. Es handle sich dabei um vollziehbar ausreisepflichtige afghanische Männer, alle "schwere und schwerste Straftäter", sagte Dobrindt im ARD-"Morgenmagazin". Für solche Abschiebungen gebe es "ein ganz berechtigtes Interesse der Bürgerinnen und Bürger".
Seit dem letzten deutschen Abschiebeflug mit afghanischen Straftätern sind fast elf Monate vergangen. Nach Gewalttaten in Mannheim und Solingen hatte die Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz im vergangenen Sommer angekündigt, Abschiebungen auch nach Afghanistan wieder möglich zu machen.
Doch die Durchführung gestaltet sich bis heute schwierig: Deutschland unterhält zu den islamistischen Taliban in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Sie sind insbesondere wegen ihrer Missachtung von Menschen- und vor allem Frauenrechten international isoliert. Mit direkten Verhandlungen auf diplomatischer Ebene würden die Machthaber in Kabul auf internationalem Parkett quasi legitimiert. Deshalb laufen Verhandlungen über die Rücknahme von hier straffällig gewordenen Afghanen über den Umweg Katar. Das Golfemirat vermittelt. Der aktuelle Abschiebeflug nach Kabul erfolgte mit einer Maschine von Qatar Airways.
Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, kritisierte jegliche Abschiebungen von Afghanen in ihr Heimatland scharf. "Türk fordert einen sofortigen Stopp der gewaltsamen Rückführung aller afghanischen Flüchtlinge und Asylsuchenden, insbesondere derjenigen, denen bei ihrer Rückkehr Verfolgung, willkürliche Inhaftierung oder Folter drohen", teilte sein Büro in Genf mit.
Die Bedingungen vor Ort seien noch nicht für Rückführungen geeignet, sagte Arafat Jamal, der Vertreter des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR). Die Sprecherin des UNO-Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani, wies auf laufende Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan hin, wie etwa Hinrichtungen oder die Unterdrückung von Frauen.
Kritik kam auch von Ärzte ohne Grenzen (MSF). Europa dürfe sich nicht "von den Prinzipien der Menschlichkeit entfernen und seine Verantwortung an Dritte auslagern". "Es scheint, als wollten die Teilnehmenden des Treffens einen weiteren Gipfel der Unmenschlichkeit erklimmen und Österreich beteiligt sich aktiv an der Seilschaft", so Marcus Bachmann, Humanitärer Berater von Ärzte ohne Grenzen Österreich.