News Logo
ABO

Innsbrucks OLG-Chef für Änderungen bei Gerichts-Besetzungen

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
7 min
Zimmermann fand die Dauer des Buwog-Verfahrens nicht argumentierbar
©APA, GEORG HOCHMUTH
Der scheidende Präsident des Innsbrucker Oberlandesgerichts (OLG), Wigbert Zimmermann, hat sich für Änderungen bei den Richter- und Präsidiumsbesetzungen am Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof (VfGH und VwGH) ausgesprochen. Ein Ende des Vorschlagsrechts durch die Politik wäre der "Transparenz und Objektivität" dienlich, sagte er im APA-Interview. Kritisch sah er den langen Buwog-Prozess rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Die Dauer sei kaum zu rechtfertigen.

von

Bei der Bestellung von Verfassungsrichtern und den Spitzen von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof ortete Zimmermann "durchaus Änderungsbedarf". Zumal das derzeitige Vorschlagsrecht durch die Bundesregierung "per se nicht sehr transparent" sei. Daher wäre es "sicher empfehlenswert, wenn man das Bestellungsverfahren möglichst aus dem Einfluss der Politik heraushalten würde". Die Praxis bei der Bestellung der Spitze des Obersten Gerichtshofes (OGH) durch einen erweiterten Personalsenat könnte als Vorbild dienen - jedoch gebe es mit Blick auf verschiedene Modelle in Europa bestimmt mehrere Möglichkeiten.

Mit kritischem Blick beäugte Zimmermann auch die lange Verfahrensdauer im Buwog-Prozess, der aber aufgrund seiner Komplexität "ein echter Ausreißer" gewesen sei. Auch wenn in Drittstaaten um Rechtshilfe angesucht werden habe müssen, sei dies "letztendlich auch keine Rechtfertigung, dass es so lange dauert." Insgesamt sei das knapp 16 Jahre dauernde Verfahren, über ein "halbes Berufsleben" hinweg, niemandem "zumutbar". "Das wünsche ich niemandem", hielt der Jurist, der mit 1. Juni sein Amt altersbedingt an Klaus-Dieter Gosch übergeben wird, fest.

Grasser (FPÖ/dann parteifrei) wurde letztlich vom OGH wegen Untreue und Korruption zu vier Jahren Haft verurteilt, der frühere FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger zu dreieinhalb Jahren. Dies bedeutete in zweiter Instanz in beiden Fällen eine Halbierung der Haftstrafe. Das Höchstgericht führte etwa die "exorbitant und unangemessene Verfahrensdauer" als Begründung an. Grasser - der kurz vor seinem Haftantritt in der Justizanstalt Innsbruck steht - will das Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg bekämpfen. Zimmermann vertrat die Meinung, dass der OGH mit dieser Reduzierung des Strafausmaßes die lange Verfahrensdauer ausreichend berücksichtigt habe. Damit wäre wohl auch einem möglichen Verfahren vor dem EGMR "viel Wind aus den Segeln genommen".

Der viel diskutierte und von den Anwälten Grassers und Meischbergers ins Treffen geführte mögliche Anschein einer Befangenheit von Erstrichterin Marion Hohenecker aufgrund von negativen Äußerungen ihres Ehemannes gegenüber dem Ex-Minister auf Social Media habe Zimmermann "beschäftigt" - aber insofern, dass der Gesetzgeber hier "Handlungsbedarf" habe. "Man muss in Strafprozessen die Befangenheitsthematik am Beginn des Verfahrens endgültig lösen und nicht bis zur Endentscheidung mitschleppen". Bei einer Verneinung der Befangenheit der Verhandlungsrichterin - wie in Strafprozessen vorgesehen - sei der Vorwurf nur "vorübergehend" vom Tisch und könne im Rechtsmittel wieder aufgegriffen werden. In Zivilverfahren gebe es die Möglichkeit einer abschließenden Entscheidung durch Befangenheitssenate während des laufenden Verfahrens, schlug er eine mögliche Lösung vor.

Auf die österreichische Justiz sah der scheidende Gerichtspräsident angesichts der angespannten Budgetlage jedenfalls harte Zeiten zukommen. "Es wird eine große Herausforderung, unseren gesetzlichen Aufgaben nachzukommen", hielt er mit Blick auf die ausbleibende Planstellen-Aufstockung bei Richtern fest. Die OLG-Präsidenten hatten zuletzt angesichts des zunehmenden Arbeitsvolumens auf 200 fehlende Planstellen hingewiesen. Für Zimmermann könnte dies "längere Verfahrensdauern und Ausfertigungsfristen" zur Folge haben.

Überlegungen, die Justiz effizienter zu machen, gebe es jedoch einige. So steht zur Diskussion, dass Notare künftig Verlassenschaftsverfahren oder einvernehmliche Scheidungen abwickeln könnten. Zimmermann zeigte sich hier jedoch "skeptisch und zurückhaltend" - zumal es bei Scheidungen oft auch um das Wohl und die Absicherung von Kindern gehe - hier gebe es an den Gerichten viel Expertise. Auch gesellschaftspolitisch hielt er es "für ein falsches Signal, diese Verfahren aus der Gerichtsbarkeit auszulagern". Allerdings gebe es sonst "genug Hebel, Verfahren zu straffen und zu verkürzen". So könnte etwa das Amtswegigkeitsprinzip in sozialgerichtlichen Verfahren aufgegeben werden. Damit müssten diese Gerichte wie auch im Zivilverfahren die Entscheidungsgrundlagen nur über Parteienantrag erheben.

Bei der möglichen Straffung der Verfahrensordnungen mahnte der OLG-Chef jedoch Tempo ein: "Es wäre schön, wenn man mittelfristig zu Ergebnissen kommen würde, und nicht erst in sechs bis sieben Jahren." Er zeigte indes Verständnis, dass auch in der Justiz gespart werden müsse und gab der neuen Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) Vorschusslorbeeren mit. Er sah es als "Erfolg", dass zumindest der Personalstand in der Justiz aufrecht erhalten werden kann.

Positiv bewertete der scheidende OLG-Präsident dagegen, dass die Einführung englischsprachiger Senate für Wirtschaftsverfahren erstmals in einem Regierungsprogramm Niederschlag gefunden hatte. Dies sei ein "großer Schritt". Derzeit sei nur das Handelsgericht Wien dafür im Gespräch, allerdings verfolgte er einen "föderalistischen" Ansatz: "Es wäre spannend, das auch in Innsbruck einzurichten." Möglicherweise sei am "Ende der Legislaturperiode der Weg frei, mit englischsprachigen Verfahren zu starten". Dies würde den Gerichtsstandort Österreich "attraktivieren".

Ein Wermutstropfen jedoch blieb für Zimmermann: Die bereits durchgeplante thermische Sanierung des Gerichtsgebäudes in Innsbruck sowie eine vorgesehene Aufstockung rückten mit den Budget-Einsparungen in die Ferne. Nur die Klimatisierung der Verhandlungsräume der beiden Standorte Innsbruck und Feldkirch werde durchgeführt. "Das bedauere ich persönlich sehr", meinte er.

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER