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Globales Abkommen gegen Plastikmüll vorerst gescheitert

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++ ARCHIVBILD ++ Keine Einigung bei den Verhandlungen in Genf
©APA, dpa, Sven Hoppe
Das UNO-Plastikabkommen ist vorerst gescheitert. Von einem Scherbenhaufen wollte in den frühen Morgenstunden in Genf zwar niemand sprechen, aber was die Diplomaten aus gut 180 Ländern in gut zehn Tagen Abschlussverhandlungen zustande gebracht haben, ist dürftig. Es soll aber weitergehen. "Diese 5. Sitzung wird vertagt und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt", sagte der Konferenzvorsitzende nach einem Verhandlungsmarathon am Freitagmorgen. Ein Datum nannte er nicht.

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Schon am Mittwoch war klar, dass die Positionen der Länder so weit auseinanderliegen wie eh und je. Ein Vertragsentwurf, aus dem praktisch alle bindenden Verpflichtungen gestrichen waren, wurde von Dutzenden Ländern zurückgewiesen. Auch ein neuer Entwurf vom Freitagmorgen fand keine einhellige Zustimmung, wie der Konferenzvorsitzende sagte. "Kein Abkommen ist in diesem Fall besser als eines, das den Status quo auf UNO-Ebene zementiert, anstatt eine echte Lösung für die Plastik-Krise zu sein", sagte Florian Tize von der Umweltstiftung WWF.

Auf der einen Seite stehen mehr als 100 Länder mit besonders ehrgeizigen Zielen (High Ambition Coalition), die eine Beschränkung der Produktion auf ein nachhaltiges Niveau fordern. Dazu gehören die EU und Dutzende Länder in Südamerika, Afrika und Asien. Sie wollen auch Einwegplastik wie Becher oder Besteck aus dem Verkehr ziehen, Plastikprodukte zur Mehrfachverwendung und eine Kreislaufwirtschaft fördern, bei der die Rohstoffe eines Produkts aufbereitet und erneut verwendet werden.

Auf der anderen Seite stehen vor allem die Länder, die den Rohstoff für das Plastik haben: Öl. Darunter sind Saudi-Arabien, der Iran und Russland. Sie nennen sich Gruppe der Gleichgesinnten (Like-Minded Group). Diese Länder möchten sich weitgehend auf ein besseres Abfallmanagement beschränken. Der Auftrag, den die UNO-Länder sich selbst 2022 gegeben hatten, war eigentlich klar: Im Mandat heißt es, der rechtsverbindliche Vertrag soll den ganzen Lebenszyklus des Plastiks umfassen, von der Produktion über das Design bis zur Entsorgung.

"Um der Plastikverschmutzung tatsächlich Herr zu werden, brauchen wir dringend ein globales Abkommen, das verbindliche Maßnahmen entlang des gesamten Lebenszyklus von Plastik ermöglicht. Ich bedaure sehr, dass der Mut gefehlt hat, die entscheidenden Bekenntnisse zu machen", erklärte Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) am Freitag in einer Aussendung. Für Österreich und die EU sei während des gesamten Prozesses zentral gewesen, dass das Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Plastik umfasste. Österreich habe sich darüber hinaus für ein Auslaufen vermeidbarer Plastikprodukte eingesetzt, die in der Plastikproduktion Verwendung finden.

"Der Prozess selbst nutzte ein bewährtes Schema, indem sie erst einen inakzeptablen Text vorlegen und dann mit einer mittelmäßigen Version zurückkommen, die nur marginale Verbesserungen enthält, aber immer noch weit hinter dem zurückbleibt, was zur Bewältigung der Plastikkrise benötigt wird. Der neue Text wurde mitten in der Nacht vorgelegt, was Teil der Strategie ist", sagte Fabienne McLellan, Geschäftsführerin der NGO OceanCare, zum Verhandlungsergebnis.

Trotz einiger interessanten Formulierungen bei den Entscheidungsprozessen und der Finanzierung habe dieser Text nach einer genaueren Durchsicht gezeigt, dass die wichtigsten Elemente - Kontrolle der Produktion, Kontrolle problematischer Produkte und Chemikalien, Schutz der menschlichen Gesundheit - fast alle auf Freiwilligkeit ausgelegt waren.

Plastik vermüllt Meere und Umwelt und vergiftet Ökosysteme, tötet Fische und andere Lebewesen und gefährdet die menschliche Gesundheit. Kleinste Partikel werden vermehrt in Organen und auch im Gehirn gefunden. Die Nano- und Mikroplastikpartikel beeinträchtigen nach Studien unter anderem das Immunsystem, können sich in Arterien absetzen und fördern Entzündungen.

Es gibt zahlreiche Zahlen zur Verschmutzung. Die folgenden stammen aus dem deutschen Umweltministerium: Die Kunststoffproduktion habe sich von den 1970er-Jahren bis 2020 auf 367 Millionen Tonnen im Jahr versiebenfacht und könnte ohne Maßnahmen bis 2050 fast 600 Millionen Tonnen im Jahr erreichen. Einen großen Teil machen demnach Einwegprodukte aus, darunter Verpackungen. Insgesamt seien bisher 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff produziert und davon 6,3 Milliarden Tonnen zu Abfall geworden, der großenteils auf Deponien landete. In Flüssen und Ozeanen haben sich nach Schätzungen weltweit 152 Millionen Tonnen Plastikabfälle angesammelt.

Der österreichische Fachverband der Chemischen Industrie (FCIO) bedauert das vorläufige Scheitern der Verhandlungen. Es sei "eine verpasste historische Chance, die weltweite Kreislaufwirtschaft entscheidend voranzubringen und die Umweltverschmutzung wirksam einzudämmen ", sagt Helmut Schwarzl, Obmann der Kunststoffindustrie.

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