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Brandstetter war vorgeworfen worden, am 31. März 2022 als Auskunftsperson im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder vorsätzlich tatsachenwidrig behauptet zu haben, er habe sein privates Mobiltelefon am 25. Februar 2021 nicht herausgeben können, da es zu Hause gelegen sei. Brandstetters Handy hätte an besagtem Tag im Verfassungsgerichtshof (VfGH) auf Anordnung der Staatsanwaltschaft sichergestellt werden sollen, dem Brandstetter damals als Höchstrichter angehörte.
Aufgrund der Daten seines Mobiltelefons stellte sich später heraus, dass Brandstetter sein Handy nicht daheim im Waldviertel gelassen hatte. Das Gerät befand sich am 25. Februar 2021 in Wahrheit in seinem Büro im VfGH, weshalb die mit den Ermittlungen gegen Brandstetter betraute Staatsanwaltschaft Innsbruck ihm eine vorsätzliche Falschaussage vor dem U-Ausschuss unterstellte.
Dabei blieb der zuständige, aus Innsbruck angereiste Staatsanwalt bis zum Schluss der Hauptverhandlung. Die Sicherstellungsanordnung sei Brandstetter um 12.50 Uhr übergeben worden. Dieser habe gegenüber den einschreitenden Beamten darauf verwiesen, dass sein privates Handy zu Hause liege, aber nachweislich bereits um 14.32 Uhr damit kommuniziert, ohne den Strafverfolgungsbehörden seinen angeblichen Irrtum mitzuteilen. Erst Tage später sei das Handy von Brandstetters Anwalt einem Sachverständigen - und nicht der Staatsanwaltschaft - "mit einem eingeschränkten Auftrag" übergeben worden. Der Sachverständige sei nur gebeten worden, allfällige Kommunikation zwischen Brandstetter und dem damaligen Sektionschef im Justizministerium Christian Pilnacek sowie dem Unternehmer Michael Tojner abzuklären, führte der Staatsanwalt aus. Was sonst an Kommunikation am Handy abgespeichert war, wisse man nicht.
Der ehemalige Justizminister, der inzwischen Pensionist ist und die Frage des Richters nach seinem Ruhegenussanspruch und Vermögen nicht beantworten wollte, stellte vehement in Abrede, vorsätzlich falsch ausgesagt zu haben. "Ich habe meine Aussage bis zuletzt für richtig gehalten", insistierte Brandstetter noch in seinem Schlusswort. Außerdem hätte er gar keinen Grund gehabt, die Unwahrheit zu sagen, da er zum Zeitpunkt der U-Auschuss-Befragung "so gut wie pensioniert" gewesen sei und seine Position als VfGH-Richter nicht mehr inne hatte, betonte der Ex-Justizminister wenige Augenblicke vor dem Freispruch.
Was die Übergabe der Sicherstellungsanordnung im VfGH anlangte, behauptete Brandstetter, er habe im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme und eines wenige Wochen davor erlittenen schweren Verkehrsunfalls eine "leichte kognitive Störung" gehabt. Diese habe Erinnerungslücken bewirkt. Dass eine Staatsanwältin und ein Polizist bei ihm im VfGH vorstellig wurden - damals wurde gegen Brandstetter wegen Amtsmissbrauchs ermittelt, er wurde verdächtigt, Tojner eine Hausdurchsuchung verraten zu haben - ,"war für mich eine Traumatisierung". Das Ganze sei "eine chaotische Aktion", er "verdattert" gewesen: "Ich war so konsterniert und konnte nicht klar denken."
Daher habe er nicht mehr im Kopf gehabt, dass er sein privates Handy von seinem Wohnsitz im Waldviertel mit nach Wien genommen hatte. Zwei Stunden nach dem Gespräch mit der Staatsanwältin im VfGH sei es ihm wieder eingefallen. Er habe dann sofort seinen Anwalt angerufen und in weiterer Folge die Ausfolgung des Handys "proaktiv auf den Weg gebracht". Am Handy seien keine Veränderungen vorgenommen wurden.
Hinsichtlich seiner Aussage im Ausschuss hielt der Angeklagte fest, er habe zu diesem Zeitpunkt eine Lungenentzündung gehabt und sei unter dem Einfluss von Antibiotika gestanden. Er habe aber dessen ungeachtet "unbedingt diese Aussage machen wollen. Mich mit medizinischen Attesten entschuldigen, das kommt nicht gut." Er sei an diesem Tag "definitiv krank" gewesen: "Ich habe Luftprobleme gehabt. Da kann man sich nicht so voll konzentrieren, es tut mir leid.
Brandstetters Verteidiger Georg Krakow hatte schon zu Beginn der Verhandlung betont, Brandstetter sei es während der Befragung im U-Ausschuss gesundheitlich schlecht gegangen. Er hätte "zwei Lungenembolien" hinter sich und "in geschlossenen Räumen Atemprobleme" gehabt. Dass im Jahr davor im VfGH Brandstetters Notebook von einer Staatsanwältin und einem Polizisten im Zuge des gegen den Ex-Justizminister geführten Ermittlungsverfahrens sichergestellt wurde und nach seinem dienstlichen und privaten Handy gesucht wurde, hätte Brandstetter "im VfGH bloßgestellt" und in weiterer Folge belastet, sagte Krakow. Infolge all dessen hätte sein Mandant bei seiner Befragung im U-Ausschuss - laut Krakow "ein politisches Tribunal" - "Erinnerungsprobleme" gehabt: "Er war überzeugt, die Wahrheit zu sagen."
"Erinnerung funktioniert nicht wie das Zurückspulen einer Filmrolle", hielt Krakow fest. Erinnerung sei mitunter "ungenau", "vermischt" und "nicht immer richtig. Das passiert uns allen. Wer da fehlerfrei ist, der werfe den ersten Stein."
Wesentlich für den Freispruch waren die Ausführungen des vom Gericht bestellten psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann. "Gedächtnis ist keine gebrannte DVD, die festhält, was damals passiert ist", sagte der erfahrene Gerichtsgutachter einleitend. Brandstetter habe sich bei der versuchten Handy-Sicherstellung "in einer medizinisch-vitalen Ausnahmesituation" befunden und sich dennoch am 25. Februar 2021 in eine VfGH-Session begeben, was Hofmann "unverständlich" nannte. Brandstetters damaliger Zustand war laut Hofmann "geeignet, eine schwere psychische Belastung zu bewirken und seine Gedächtnisleistung zu beeinträchtigen". Die "medizinischen Grundlagen für eine Gedächtniseinschränkung, wo er aus Überzeugung Dinge sagt, die nicht der Realität entsprechen" lägen vor.
Sein Gutachten sei jedoch "keine Glaubwürdigkeitsprüfung", bemerkte der Sachverständige. Gedächtniseinschränkungen seien "nicht beweisbar". Die Frage der Glaubhaftigkeit sei eine Frage der Beweiswürdigung und damit eine Aufgabe des Gerichts.
Der Richter stützte sich bei seiner Entscheidung vor allem auf Hofmanns Ausführungen, die er als "plausibel" bezeichnete. Der Ex-Justizminister und -VfGH-Richter wurde daher freigesprochen, obwohl die inkriminierte Aussage im U-Ausschuss für den Richter "objektiv falsch war". Als weitere Indizien, die aus Sicht des Richters gegen eine bewusste Falschaussage sprachen, wurden die insgesamt vierstündige Befragung Brandstetters im U-Ausschuss und die Tatsache gewertet, dass sich an dessen privatem Handy im Nachhinein keine vorgenommenen Manipulationen zwischen dem versuchten Vollzug der Sicherstellungsanordnung im VfGH und der Übergabe des Handys ein paar Tage danach zeigten.
Erfreut über den Freispruch zeigte sich die ÖVP, die Brandstetter 2013 als Justizminister in das Kabinett von Werner Faymann (SPÖ) entsandt hatte. Als der damalige ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner das Handtuch war, fungierte Brandstetter von Mai bis Oktober 2017 als Vizekanzler. Unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war für Brandstetter dann kein Platz mehr auf der Regierungsbank.
"Der Freispruch für Ex-Justizminister Brandstetter ist eine weitere Niederlage für die politische Instrumentalisierung von U-Ausschüssen und damit auch die nächste Blamage für all jene, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Untersuchungsausschüsse von einem wichtigen Instrument parlamentarischer Aufklärung zu einem politischen Inquisitionsgericht zu machen", verlautete ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti in einer Presseaussendung. Er forderte "eine ehrliche Entschuldigung all jener, die Ex-Minister Brandstetter fälschlich der vorsätzlichen Falschaussage bezichtigt haben" ein.
Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter am Donnerstag, 07. August 2025, vor Prozessbeginn am Wiener Landesgericht wegen falscher Zeugenaussage.