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"Jüdinnen und Juden für das Aufkommen von Antisemitismus mitverantwortlich zu machen, ist nicht nur historisch falsch, sondern zutiefst verantwortungslos. Antisemitismus ist nie "verständlich" - er ist immer zu verurteilen", betonte Sobotka. Österreich müsse eine "klare Haltung" für Erinnern, Verantwortung "und gegen jede Form der Relativierung von antisemitischem Hass" beziehen. "Wer heute schweigt, macht sich morgen mitschuldig."
Als "zutiefst fehlgeleitet - und ethisch höchst fragwürdig" verurteilte die Botschaft Israels die Aussagen Fischers. "Sich auf den Holocaust zu berufen, um den jüdischen Staat in seiner Not zu belehren, ist beschämend. Solche Worte fördern nicht Frieden - sie ermutigen Extremisten", hieß es in einem X-Post. "Fischer spricht von Menschenrechten, verschweigt aber das grundlegendste: Das Recht Israels, seine Bürger vor Massakern, Vergewaltigung, Entführungen und Raketenbeschuss zu schützen. Der Krieg richtet sich gegen Hamas, nicht gegen die Zivilbevölkerung Gazas." Die Hamas begehe systematisch Kriegsverbrechen und nutze die eigene Bevölkerung als Schutzschilde. Diese "Realität auszublenden (...), verzerrt bewusst das Bild".
Unterstützung erhielt Fischer indes von Politikern der mitregierenden SPÖ und der oppositionellen FPÖ. "Dieser Genozid in Gaza muss gestoppt werden. Das kann nicht sein und ich erwarte von der österreichischen Außenpolitik, hier einzuschreiten, hier klarzumachen: Das was dort passiert, kann die Welt nicht hinnehmen", sagte SPÖ-Bundesrats-Fraktionschef Stefan Schennach am Donnerstag in einer Plenardebatte der parlamentarischen Länderkammer.
Sein FPÖ-Kollege Andreas Spanring sagte zum Fischer-Interview: "Ich hab das gelesen, und hab mir gedacht: Boa, toll, dass es jetzt endlich einen gibt, der sich hinstellt und das offen sagt, weil ich davon überzeugt bin, dass es lange schon Zeit war, dass das endlich jemand tut." An Schennach richtete er die rhetorische Frage, wie die Reaktion ausgefallen wäre, wenn das nicht Fischer gewesen wäre, sondern ein FPÖ-Politiker wie Herbert Kickl oder Walter Rosenkranz. "Was hätten Sie dann wieder gemacht gegen uns? Antisemitismus hätten Sie uns vorgeworfen!"
Kritisch über Fischer äußerte sich der Präsident der jüdischen Organisation B'nai B'rith, Victor Wagner. Mit mehreren Beispielen versuchte er zu belegen, dass Fischers Ansichten gegenüber dem jüdischen Volk "nie friktionsfrei" gewesen seien. So habe er "keinerlei Reaktion" gezeigt, als Kinder aus einem Kibbuz bei Gaza über die regelmäßigen Raketenangriffe berichtet hätten.
Fischer hatte die Bundesregierung im APA-Interview zu einer Stellungnahme gegen den Krieg Israels aufgefordert und betont, dass man bei Israel genauso wenig "wegschauen" dürfe wie in der Ukraine. Er sehe mit "Empörung, in welcher Weise ein Ministerpräsident Netanyahu mit seinem sogenannten Kriegskabinett (...) aus rechtsextremen, ihren Zionismus vor sich hertragenden Regierungsmitgliedern den Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens führt", so Fischer.
"Der Herr Putin hat nicht die Grenze zu einem Nachbarland zu überschreiten mit Militärgewalt, und Israel hat nicht die Grenze (...) einfach beiseite zu schieben und zu versuchen, hunderttausende Menschen zur Flucht zu zwingen, nachdem schon zwischen 40.000 und 50.000 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, getötet wurden", betonte der frühere SPÖ-Politiker. Diesem Vorgehen müsse "ein Riegel vorgeschoben" werden, weil es den Antisemitismus stärke. Man würdige die Leiden, die das jüdische Volk auch im 20. Jahrhundert getragen habe, genauso wie den Holocaust. "Aber das alles rechtfertigt nicht, dass man jetzt so mit Menschen, Frauen, Kindern umgeht, wie das dort der Fall ist."
Die Spitzen der Koalitionsparteien reagierten auf die Aufforderung Fischers, indem sie am Mittwoch nach dem Ministerrat die "klare Haltung" Österreichs im Konflikt betonten. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) zeigte sich besorgt über die israelischen Pläne für eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens und versprach, die guten Kontakte zu Israel nutzen zu wollen, um auf eine Einhaltung des Völkerrechts durch das Land zu drängen.
Das israelische Sicherheitskabinett hatte Medienberichten zufolge am Montag einen Plan verabschiedet, der die "Eroberung" des Gazastreifens und seine dauerhafte Besetzung vorsehen soll. Israel führt Krieg, nachdem Kämpfer der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 ins Land eingedrungen, 1.200 Menschen getötet und 251 weitere verschleppt haben. Im Krieg wurde der schmale Küstenstreifen praktisch dem Erdboden gleich gemacht. Rund 50.000 Menschen, mehrheitlich Zivilisten, starben. Netanyahu und sein damaliger Verteidigungsminister Yoav Gallant wurden wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angeklagt, ebenso wie der Hamas-Militärchef Mohammed Deif. Dieser wurde jedoch von Israel im Sommer 2024 in einem Militärschlag getötet.