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Die Mullahs und das Nadelöhr der Welt

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Strasse von Hormus/Nasa Visible Earth

©Nasa

Im Zuge des Israel-Iran-Kriegs rückt die Straße von Hormus erneut ins Zentrum der Weltpolitik. Teheran droht mit der Blockade der Wasserstraße über die ein Fünftel des globalen Ölhandels läuft – und nutzt sie als geopolitisches Druckmittel im Poker um Einfluss, Macht und Sicherheit

Die Straße von Hormus ist nur rund 50 Kilometer breit – doch sie zählt zu den wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Täglich passieren sie rund 20 Millionen Barrel Rohöl, ein Fünftel des globalen Ölhandels. Im Zuge des aktuellen Israel-Iran-Konflikts rückt sie erneut ins Zentrum der Weltpolitik.

 Seit dem Angriff Israels auf iranische Militäreinrichtungen in Syrien und dem anschließenden direkten iranischen Vergeltungsschlag ist die Lage im Nahen Osten angespannt wie seit Jahren nicht mehr. Teheran warnt seither wiederholt vor einer „Schließung von Hormus“, sollte der Westen – insbesondere die USA – sich militärisch einmischen oder Israel weiter unterstützen.

Die Drohung ist nicht neu. Schon in früheren Krisen hat der Iran wiederholt mit einer Blockade der Meerenge gedroht. In den 1980er Jahren kam es im sogenannten „Tankerkrieg“ zu Angriffen auf Handelsschiffe während des Ersten Golfkriegs. Auch 2019, auf dem Höhepunkt der Spannungen nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen, beschlagnahmte der Iran mehrfach Tanker im Golf von Oman.

Die Revolutionsgarden, eine Eliteeinheit unter direktem Kommando des obersten Führers Ayatollah Ali Chamenei, spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie kontrollieren große Teile der iranischen Küste und sind mit Schnellbooten, Raketenstellungen und See-Minen bewaffnet. Das US-Militär schätzt, dass der Iran in der Lage wäre, die Straße von Hormus kurzfristig zu blockieren – auch wenn eine dauerhafte Sperrung wegen der Überlegenheit westlicher Seemächte kaum durchzusetzen wäre.

 Die USA und ihre Verbündeten zeigen Präsenz: Derzeit patrouillieren mehrere US-Kriegsschiffe in der Region, auch Großbritannien und Frankreich haben Marineeinheiten entsandt. Eine internationale Koalition sichert die freie Schifffahrt – doch die Lage bleibt angespannt. Die Reedereien reagieren mit Vorsicht: Einige Routen werden bereits umgeleitet, Versicherungsprämien steigen.

 Wirtschaftlich ist die Straße von Hormus von globaler Bedeutung: Neben Rohöl werden auch Flüssigerdgas (LNG) und raffinierte Erdölprodukte durch die Meerenge transportiert – insbesondere aus Saudi-Arabien, Kuwait, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Eine längere Störung könnte Energiepreise weltweit in die Höhe treiben.

 Die iranische Führung nutzt die strategische Lage als Hebel: Die Kontrolle über Hormus ist ein Mittel, um politischen Druck auf den Westen auszuüben – etwa in den Verhandlungen um das Atomprogramm oder zur Abschreckung gegen militärische Aktionen Israels. Solange die Spannungen anhalten, bleibt die Wasserstraße ein potenzieller Krisenherd. Ein kleiner Funke könnte reichen, um eine internationale Eskalation auszulösen.

 

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Strait of Hormuz, Straße von Hormus
 © Waltl Grafik

Strategische Bedeutung

Die Straße von Hormus ist der einzige Seeweg für Öl-Exporte aus dem Persischen Golf. Täglich passieren rund 20 Millionen Barrel Öl (etwa ein Drittel des weltweiten Seehandels) die Engstelle. Das entspricht 30 bis 40 großen Tankschiffen.

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 © IMAGO/Anadolu Agency

Bedeutung für Energieversorgung

Rund 20 Prozent des global gehandelten Flüssigerdgases (LNG) – vor allem aus Katar – passieren die Meerenge, was sie auch für die Gasversorgung Europas essenziell macht. Über 70 Prozent des durch die Straße transportierten Öls gehen nach Asien – insbesondere nach China, Indien und Japan.

Auswirkungen auf Europa

Europas Abhängigkeit ist gering: nur rund vier Prozent des gesamten europäischen Tankerverkehrs verläuft durch die Straße von Hormus.

Militärischer Brennpunkt

Im Iran-Irak-Krieg (1980–1988) wurde die Straße Schauplatz des sogenannten Tankerkriegs. 1988 schoss ein US-Kriegsschiff über der Straße versehentlich Flug IR655 ab – ein Tiefpunkt in den USA-Iran-Beziehungen.

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USS Iowa und USS Ticonderoga passieren 1988 den Suezkanal. Die USS Iowa wurde damals reaktiviert, um im Rahmen der „Tanker War“-Operation kuwaitische Öltanker vor Angriffen im Iran-Irak-Krieg zu schützen.

 © IMAGO/Newscom World

Keine echte Ausweichroute

Zwar existieren Pipelines nach Fujairah oder ans Rote Meer – doch sie reichen bei Weitem nicht aus. Eine Blockade hätte massive Folgen für die Weltwirtschaft und könnte zu einem globalen Öl-Preisschock führen – mit signifikanten Risiken für die EU.

Engpass trotz Breite

Obwohl die Meerenge bis zu 55 Kilometer breit ist, sind die nutzbaren Schifffahrtskorridore pro Richtung nur rund drei Kilometer breit – und somit ein leicht blockierbarer Flaschenhals.

Historische Kontrolle

Die Meerenge ist nach der mittelalterlichen Stadt Hormus benannt, die über Jahrhunderte ein mächtiges Handelszentrum war und die Region dominierte.

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Illustration aus Li Livres du Graunt Caam, um 1400: Marco Polo (ca. 1254–1324) trifft mit Elefanten und Kamelen in Hormus am Persischen Golf ein – auf dem Rückweg aus Indien. Der venezianische Entdecker reiste ab 1271 gemeinsam mit seinem Vater Niccolò und Onkel Maffeo durch Asien bis an den Hof von Kublai Khan.

 © IMAGO/CPA Media

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 26/25 erschienen.

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