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Im Kampf gegen die Waldbrände werde Österreich Montenegro mit Ausrüstung und Manpower unterstützen, sagte Stocker in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Spajić. Dieser wiederum zeigte sich "sehr dankbar" für die Hilfe und sprach von 100 Helfern, die Österreich über den EU-Krisenmechanismus schicken wolle. "Wir sehen, dass die europäische Solidarität funktioniert."
Spajić bekräftigte das Ziel seiner Regierung, die EU-Beitrittsverhandlungen 2026 abzuschließen, 2028 will das Land dann der Europäischen Union als 28. Mitgliedsland beitreten. Dieser Zeitplan sei realistisch, so der Premier. Auch die EU-Staaten sollten sehen, dass ein EU-Beitritt seines Landes in ihrem Interesse wäre. Die größte Herausforderung besteht nach Worten des Premierministers im Bereich Umwelt, das Land bezieht seine Energie zu rund 40 Prozent aus Kohlekraftwerken. Zweitschwierigster Bereich sei die Rechtsstaatlichkeit, sagte Spajić. Diesbezüglich seien noch Reformen bei Polizei und anderen Sicherheitskräften ausständig.
Montenegro stimme bereits zu 100 Prozent mit der EU-Außenpolitik überein, betonte der Premierminister. So trägt das Land auch die EU-Sanktionen gegen Russland mit. Wirtschaftlich sei sein Land im Vergleich zur Region weit fortgeschritten. So habe Montenegro die höchsten Gehälter unter allen EU-Kandidatenstaaten. Sein Land befinde sich auch in den Bereichen Staatsbeihilfen und Wettbewerb bereits in Übereinstimmung mit EU-Recht. "Zum Zeitpunkt des EU-Beitritts könnten wir sogar schon Nettozahler und nicht Nettoempfänger sein", sagte Spajić.
Stocker wies darauf hin, dass dies sein erster bilateraler Besuch in der Region als Bundeskanzler nach dem Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft im Mai in Tirana sei. Die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Montenegro sei außerordentlich gut. Auch würden immer mehr Österreicher Urlaub in dem Staat an der Adria machen. Besonders erfreulich sei, dass man nicht nur eine gemeinsame Geschichte habe, sondern auch die Zukunft zusammen in der EU sehe. Österreich sei innerhalb der Union einer der glaubhaftesten Unterstützer für die EU-Perspektive der Region, sagte Stocker. Montenegro sei als Kandidatenland vorbildlich, Österreich werde das Land bei Rechtsstaatlichkeit und bei der Bekämpfung Organisierter Kriminalität weiter unterstützen. Stocker dankte Montenegro auch für seine Solidarität gegenüber der Ukraine.
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wolle man weiter ausbauen. Es gelte, das Momentum zu nutzen, mit dem Abkommen sei nun ein erster Schritt gesetzt. Österreich sei einer der Top-Ten-Investoren in Montenegro, 28 österreichische Firmen seien in dem Land niedergelassen. Ziel sei eine Beteiligung österreichischer Unternehmen an Infrastrukturprojekten, auch in den Bereichen Erneuerbare Energie und Bergbau könne die Zusammenarbeit verstärkt werden. "Wenn man so will, sind Österreich und Montenegro heute noch ein Stück näher zusammengerückt", so der Bundeskanzler.
Auch der Kampf gegen illegale Migration war laut Stocker Thema bei dem Besuch. Der Kanzler dankte Montenegro für die Zusammenarbeit bei Grenzmanagement, Rückkehr und Sicherheit. Stocker kündigte überdies einen Gegenbesuch von Spajić in Wien im November an.
Stocker traf anschließend noch mit dem montenegrinischen Staatspräsidenten Jakov Milatović zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammen. Das Treffen fand in Cetinje, der früheren Hauptstadt Montenegros, statt, wo der Staatspräsident seinen Amtssitz hat.
Montenegro ist das am weitesten fortgeschrittene Kandidatenland, mit dem die Europäische Union derzeit über einen Beitritt verhandelt. Es ist mit etwas mehr als 600.000 Einwohnern auch der kleinste der Westbalkan-Staaten, die sich um einen Beitritt zur Europäischen Union bemühen. Das Land, das sich 2006 aus einem Staatenbund mit Serbien per Referendum für unabhängig erklärte, verhandelt seit 2012 mit der EU über einen Beitritt und ist seit 2017 auch Mitglied der NATO. Montenegro ist kein Mitglied der Eurozone, hat aber unilateral den Euro als Währung eingeführt.
Stocker traf am Dienstagabend in Serbien - der zweiten Station seiner Reise - ein. Der Kanzler wurde am Flughafen Belgrad von der serbischen Vizepremierministerin und Wirtschaftsministerin Adrijana Mesarović empfangen.
Am morgigen Mittwoch stehen in Belgrad Treffen Stockers mit Präsident Aleksandar Vučić und dem serbischen Premier Đuro Macut auf dem Programm. Zudem sind in Belgrad - nicht zuletzt im Hinblick auf die EXPO 2027, die in der serbischen Hauptstadt stattfindet - Gespräche mit Wirtschaftsvertretern geplant. Österreich ist der drittgrößte Investor in Serbien. Außerdem ist Serbien der größte Handelspartner Österreichs am Westbalkan. Stocker will in Belgrad zum Abschluss seines Besuchs auch ÖFB-Rekordteamspieler Marko Arnautović treffen, der seit kurzem beim Spitzenclub Roter Stern Belgrad kickt.
Im Gegensatz zu Montenegro ist Serbien abgeschlagen im EU-Beitrittsprozess. Damit Serbien der EU beitreten kann, muss es nicht nur viele Reformen umsetzen, sondern auch seine Beziehungen zum Kosovo normalisieren, der sich 2008 von Belgrad für unabhängig erklärt hat. Serbien erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo bisher nicht an.
Es sei im nationalen Interesse seines Landes, dass auch Serbien der EU und der NATO beitrete, sagte Spajić. Ratschläge will er dem Nachbarland aber keine geben. Montenegro sei der vielfältigste Staat in der Region und habe auch keine ethnische Mehrheit. "Wir versuchen nicht zu predigen, sondern wollen die Dinge einfach tun", so der montenegrinische Premierminister.