News Logo
ABO

Ungar László Krasznahorkai erhält Literaturnobelpreis

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
6 min
Nobelpreisträger Laszlo Krasznahorkai
©LEO, APA, NEUMAYR
Der Literaturnobelpreis 2025 geht an den 71-jährigen ungarischen Autor László Krasznahorkai. Das gab die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt. Der Preis ist mit elf Millionen Schwedischen Kronen (1 Mio. Euro) dotiert. Im Vorjahr ging die prestigeträchtigste Auszeichnung der Literaturwelt an die Koreanerin Han Kang. Die Verleihung findet traditionell am 10. Dezember statt, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.

von

Der Literaturnobelpreisträger hat einige Bezüge zu Österreich. 2021 wurde er in Salzburg mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet. 2024 ist der Vorlass des "Autors von Weltrang" (ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger) von der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen worden - darunter Vorstufen, Skizzen, Korrekturfassungen und Druckfahnen seiner ganzen literarischen Produktion sowie seine Korrespondenz mit über 700 Briefpartnern aus 23 Nationen seit den 1980er-Jahren. Krasznahorkai sei einer jener Autoren, "die mit ihrem Archiv ganz bewusst von Orban-Ungarn wegwollten", sagte Bernhard Fetz, Leiter des Literaturmuseums in Wien, der den Autor am 1. Oktober neuerlich für eine Veranstaltung im Haus begrüßen konnte.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand Krasznahorkais Roman "Melancholie des Widerstands" und dessen Verfilmung durch den ungarischen Regisseur Béla Tarr. Mit diesem Buch und mit "Satanstango", die den Systemwechsel vor 1989 beschreiben, habe der Autor im deutschsprachigen Raum Furore gemacht, sagte Fetz der APA. "Ich finde, man kann diese Bücher - und das macht sie absolut zeitlos - als Parabeln lesen auf Macht, Machtmissbrauch, Verführung durch Unvernunft. Auch unmotivierte Gewalt spielt eine Rolle. Gerade die 'Melancholie des Widerstands' ist ein unglaublich aktuelles Buch." In der "New York Times" wurde Krasznahorkai 2014 so zitiert: "Ich möchte nie einen politischen Roman schreiben. Mein Widerstand gegen das kommunistische Regime war nicht politisch, er richtete sich gegen die Gesellschaft."

Krasznahorkai erhält den Literaturnobelpreis als zweiter Ungar nach Imre Kertész (2002) laut Jurybegründung "für sein fesselndes und visionäres Werk, das inmitten apokalyptischer Schrecken die Macht der Kunst bekräftigt." Er sei ein "großer epischer Schriftsteller in der mitteleuropäischen Tradition von Kafka bis Thomas Bernhard und zeichnet sich durch Absurdität und groteske Exzesse aus", heißt es weiter. Doch er habe noch mehr zu bieten: "Er orientiert sich auch östlich, indem er einen kontemplativeren, fein abgestimmten Ton anschlägt."

Krasznahorkai wurde am 5. Jänner 1954 in Gyula (Ungarn) als Sohn eines Anwalts geboren, studierte zunächst Rechtswissenschaft in Szeged, später Hungaristik und Philosophie in Budapest. Mit seinem Debütroman "Satanstango" gelang ihm 1985 der literarische Durchbruch. Apokalyptische Themen mit tragisch-komischer Ironie durchziehen sein Werk, so auch im 1988 erschienenen Erzählband "Gnadenverhältnisse" und im Roman "Krieg und Krieg" von 1999. Susan Sontag bezeichnete den Autor, der 2015 mit dem Man Booker International Prize ausgezeichnet wurde, daher als "Meister der Apokalypse".

Krasznahorkais Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Zu seinen auf Deutsch übersetzten Werken zählen auch "Der Gefangene von Urga" sowie "Im Norden ein Berg, im Süden ein See, im Westen Wege, im Osten ein Fluss", "Baron Wenckheims Rückkehr" oder der aus einem einzigen langen Satz bestehende Roman "Herscht 07769" - für Fetz "vielleicht das beste Buch über den aktuellen Rechtsradikalismus". Für sein Werk nennt er Einflüsse österreichischer Literatur, neben Robert Musil und Franz Kafka vor allem Thomas Bernhard, Ingeborg Bachmann und Heimito von Doderer. Sein 2023 erschienener Erzählband "Im Wahn der Anderen" handelt von einem besessenen New Yorker Bibliothekar. In New York hatte er einmal eine Weile in der Wohnung des Beat-Poeten Allen Ginsberg gelebt.

"Ich bin den Wörtern ausgeliefert, den Sätzen, die meinen Kopf Millionen Mal und in Millionen Versionen durchlaufen", sagte László Krasznahorkai einmal in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Sein einziger Ehrgeiz bestehe darin, wenigstens einen perfekten Satz zu schreiben, "aber in meinem ganzen Leben endete dieser Traum immer nur in einem Fiasko".

"Ich bin sehr glücklich, ich bin ruhig und gleichzeitig sehr aufgeregt", sagte er heute von Frankfurt aus dem schwedischen Rundfunksender Sveriges Radio. "Es ist mein erster Tag als Nobelpreisträger." 2018 hatte das ungarische Regierungssprachrohr "Magyar Idök" Krasznahorkai zusammen mit mehr als 30 anderen prominenten Literaten auf eine Liste von "links-liberalen Meinungsbildnern (...), die die Ungarn und Ministerpräsident Viktor Orban verleumden", gesetzt. Heute jedoch erklärte Orban auf Facebook: "Der Stolz Ungarns, der erste Nobelpreisträger aus Gyula, László Krasznahorkai. Glückwünsche!" Der grün-liberale Budapester Oberbürgermeister Gergely Karacsony ließ wissen: "Der Literaturnobelpreis ist bei László Krasznahorkai an einer perfekten, sehr verdienten Stelle."

Auch Österreichs Kunst- und Kulturminister Andreas Babler (SPÖ) gratulierte "von ganzem Herzen": "Mit erzählerischer Höchstleistung erschafft er eine literarische Welt von großer Dichte. Er überschreitet Grenzen - im Denken wie im Fühlen - und berührt Menschen auf der ganzen Welt. Mit dem Nobelpreis für Literatur reiht sich László Krasznahorkai endgültig in den Kanon der Weltliteratur ein."

(S E R V I C E - www.nobelprize.org)

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER