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Allein "Twist In My Sobriety" wurde inzwischen mehr als 73 Millionen mal gestreamt. Fast vier Jahrzehnte später ist die 56-Jährige immer noch aktiv - und überzeugt musikalisch bis heute. Das zeigt ihr neues Album "LIAR" (Love Isn't A Right), das am Donnerstag (10. Oktober) erscheint.
Bald geht sie mit dem Album auf Tour. Am 29. Oktober ist sie im Wiener Jazzclub Porgy & Bess zu erleben. Schließlich ist sie mit der Musik von Udo Jürgens aufgewachsen, wie die Sängerin betont. Tikarams Mutter stammte aus Malaysia, ihr Vater mit Wurzeln in Indien und auf den Fidschi-Inseln war unter anderem in Mönchengladbach für die britische Armee stationiert.
Heute präsentiert sich die Britin als gereifte Künstlerin - und offenbart die emotionalen und gesellschaftlichen Unterschiede zum Jahr 1988. Aber die poetische Düsternis und die Tiefe, die ihre Songs auch wegen ihrer einzigartigen Stimme umgeben, sind geblieben. Ebenso wie viele Fragen zum Zustand der Welt.
Ein zentrales Thema von "LIAR" sei das Gefühl, dass gerade alles auseinanderfällt, schildert Tikaram im Interview der dpa. "Was tut man dann? Woran glaubt man noch? Wie bewahrt man seinen Glauben?" Es gebe derzeit eine große Kluft zwischen dem, was Politiker täten, und dem, was die Menschen sich eigentlich wünschten. Diese Spannung zieht sich wie ein Subtext durch das Album.
"Nach dem Brexit und der ersten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hatte man plötzlich das Gefühl: Wir teilen keine gemeinsamen Werte mehr. Das war ein Schock. Viele haben da zum ersten Mal begriffen, wie zerbrechlich das ist, worauf unsere Gesellschaft basiert", sagt die Singer-Songwriterin.
Aber es ist auch Hoffnung zu spüren - etwa in "I See A Morning". Hoffnung lebe vom gemeinsamen Handeln – von Gemeinschaften und Menschen, die sich zusammentun, um Widerstand zu leisten und für eine gerechtere Welt zu kämpfen, wie Tikaram auf Instagram schrieb. Davon handle der Song. "Ich glaube, wir müssen unsere gemeinsame Menschlichkeit und unsere gemeinsamen Werte wiederfinden. Das ist etwas, das mich nicht loslässt", sagte sie der dpa.
Aber Tanita Tikaram verarbeitet auch ganz persönliche Gedanken und Gefühle. So im Song "Sailboats", in dem sie das Älterwerden beschreibt – offen, zärtlich, wehmütig. Das Lied sei eine Art Abschied von dem jungen Mädchen, das sie einmal war – und zugleich eine Hommage an das, was kommt. "Man wird nie wieder diese andere Frau sein. Dieses Mädchen ist weg, und man trauert um sie." Es gehe aber letztlich ums Loslassen - und darum, aus dem Verlust Stärke und Weisheit zu ziehen.
Die zehn Songs mit ihren orchestralen Arrangements lassen sich musikalisch als eine Art Kammerpop (Chamber Pop) einordnen. Die vorherrschenden Instrumente sind Cello, Geige und Akkordeon, die den Werken eine fast schon erzählerische Tiefe verleihen. "Statt eines Gitarrensolos gibt es bei mir lieber ein Cellosolo. Dieses Instrument ist so sinnlich und kraftvoll", schwärmt Tikaram.
Manchmal habe das Album sogar etwas Barockes, aber mit modernem Touch, wie bei "Wild Is The Wind". Düstere Stimmungen und Melancholie paaren sich dabei mit warmen Soul- und R&B-Einflüssen, teilweise sogar mit Indie-Elementen. "Ich mag diese Mischung aus Licht und Dunkel", sagt sie.
Entstanden sind die Songs über mehrere Jahre: Einige - wie "Lover Don't Come Around" - habe sie schon im Coronalockdown geschrieben, während "Fear and Chills" erst eine Woche vor dem Einspielen des Albums entstanden sei.
(S E R V I C E - www.tanita-tikaram.com)