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"Momo": Ständig im Zeitstress

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Momo-Neuverfilmung: Dem Zeitgeist geschuldet
Wenn man doch nur endlich alles erledigt hätte! Noch eben eine Aufgabe auf der To-do-Liste abhaken, noch einmal überlegen, wo sich am nächsten Tag ein paar Minuten einsparen lassen. Das ewige Ringen um die Zeit - darum geht es auch in der Neuverfilmung des Literaturklassikers "Momo" nach Michael Ende. Die Geschichte kommt nach fast 40 Jahren am Donnerstag wieder ins Kino.

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Die bekannte Verfilmung von 1986 wurde Kult - mit Radost Bokel als Momo. In der international besetzten Neuverfilmung übernimmt nun die britische Schauspielerin Alexa Goodall die Hauptrolle, ein Rotschopf mit blauen Augen und Sommersprossen. Martin Freeman ("Sherlock") spielt Meister Hora und Claes Bang ("The Square") dessen Widersacher.

Der Fantasyfilm nimmt einen mit in eine Welt, die aussieht, als hätte man die schönsten Orte Europas zusammengetragen. Momo und die Menschen haben ein gutes Leben voller Gemeinschaft, doch dann beginnen die Zeitdiebe eines Konzerns mit ihrem bösen Spiel. Mit einem digitalen Armband, das wie ein Fitnesstracker aussieht, sollen die Menschen Zeit sparen können. Das Versprechen: Wenn sie jetzt möglichst viel und effizient arbeiten, haben sie danach mehr Zeit für die schönen Dinge im Leben. Doch bald wird diese Welt sehr grau, die Zeitdiebe wollen die Zeit nämlich nur für sich stehlen.

Heldin Momo - ein Mädchen, von dem niemand weiß, wo es eigentlich herkommt - ist dafür bekannt, den Menschen liebevoll zuzuhören. Und weil die Erwachsenen plötzlich keine Zeit mehr haben, nicht mal ihr Freund Gino (Araloyin Oshunremi), beginnt sie, es mit den Zeitdieben aufzunehmen, gemeinsam mit Schildkröte Kassiopeia und dem Wächter der Zeit, Meister Hora.

Mit dabei ist auch Straßenkehrer Beppo, dessen schlaue Sätze bis heute funktionieren. Etwa, wenn man ein großes Projekt vor sich hat und nicht weiß, wie man es schaffen soll. Man dürfe dann nicht an die ganze Straße denken, die man zu fegen habe, sagt Beppo im Buch, das erstmals 1973 erschien.

Sonst fange man an, sich zu beeilen und sehe jedes Mal, wenn man aufblicke, dass es gar nicht weniger werde. Dann bekomme man es mit der Angst zu tun. "Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich." Und auf einmal merke man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße geschafft habe.

Regisseur Christian Ditter ("Vorstadtkrokodile") holt die Geschichte in die moderne Zeit. Es geht um die Macht von Influencern und Social Media, um technische Gadgets und die Gefahr der Manipulation. Gedreht wurde in Kroatien und Slowenien, die Band Tokio Hotel und Sängerin Malou Lovis steuern das Lied "One More Day" bei.

Der Film ist ein schönes Leinwandmärchen für Jung und Alt. Man kann ihn auch verstehen als Statement gegen den Optimierungswahn. Fitnesstracker, Terminkalender, Apps. Wenn man sich daran abarbeitet, verpasst man dann nicht das Leben? Was ist Leben, wenn nicht Zeitverschwendung? Das Einräumen von Stunden, Tagen, Wochen für etwas, das einem wichtig ist?

Die moderne Disziplin des Zeitmanagements sei eine "deprimierend kleingeistige Angelegenheit, die sich darauf konzentriert, so viele Aufgaben wie möglich zu bewältigen", schreibt Autor Oliver Burkeman in seinem Buch "4.000 Wochen". Dabei strotze die Welt vor Wundern. Vielleicht gehe es doch besser darum, mehr von diesen Wundern zu erleben. Auch die Neuverfilmung von "Momo" stellt solche Fragen.

(Von Julia Kilian/dpa)

(S E R VI C E - www.youtube.com/watch?v=N2_fte6w_yM)

MÜNCHEN - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/Constantin Film

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