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Metalmesse in der Arena mit Amenra

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6 min
Van Eeckhout (mitte) und Co begeisterten mit einem intensiven Set
©APA, AF Cortes
In Sachen Intensität kann man Amenra nichts vormachen: Die belgische Metalband sorgt seit mehr als 25 Jahren für atemberaubende Darbietungen, die zwischen lärmender Katharsis und fragiler Intimität pendeln. Das bewies die Gruppe um Sänger Colin H. van Eeckhout auch Mittwochabend, als man zur Messe in die Wiener Arena lud. Nicht umsonst ist man Teil des losen Künstlerkollektivs Church of Ra. Ein Konzert wie eine Offenbarung.

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Anlass für die aktuelle Tour ist das vor kurzem veröffentlichte EP-Doppel "De Toorn" und "With Fang and Claw", das die Gruppe in bester Verfassung präsentiert. Während Ersteres mit zwei überlangen Stücken die meditative Seite hervorkehrt, punktet der Ausflug ins Klauenuniversum mit Direktheit und viel Energie, wie der Setopener "Salve Mater" eindrucksvoll veranschaulichte. Keine Anlaufzeit, kein Aufwärmen, Amenra stellten die Regler sofort auf Anschlag, ohne dadurch an Dynamik und Vielseitigkeit einzubüßen.

Man sollte nämlich nicht den Fehler machen und das Quintett - die Gitarristen Mathieu Vandekerckhove und Lennart Bossu lieferten ein erinnerungswürdiges Riff nach dem anderen, während das Rhythmusgespann Amy Tung Barrysmith (Bass) und Bjorn Lebon (Schlagzeug) für das massive Fundament sorgte - rein auf das genrespezifische Leise-Laut-Spiel reduzieren. Dafür wird in Stücken wie dem mächtigen "Forlorn" oder "A Solitary Reign" viel zu differenziert vorgegangen, während etwa "Am Kreuz" das Tempo anzog. Oft waren es nur feine Details, die den Unterschied ausmachten, wenn sich etwa kurzzeitige Melodieseligkeit und mäandernde Strukturfolgen die Hand reichten.

Die Band ist sich ihres Status und ihres Wirkens durchaus bewusst, was sich nicht nur in der Inszenierung niederschlug - düstere Schwarz-Weiß-Bilder von brutalistischen Gebäuden wechselten sich im Hintergrund mit mystisch anmutenden Naturaufnahmen und obskuren Gestalten ab. Auch das eigene Oeuvre wird keineswegs als selbstverständlich hingenommen. "Wir haben wahrscheinlich eine längere Vergangenheit hinter als Zukunft vor uns", gab sich Van Eeckhout vor dem Auftritt im APA-Gespräch nachdenklich. "Das bringt dich schon ins Grübeln: Wo kommst du her, wo bist du jetzt?"

Natürlich sei die aktuelle Situation, da alle Bandmitglieder in ihren Mittvierzigern sind, anders als zu Beginn ihrer Karriere. "Wir haben eigentlich all unsere Träume erfüllt. Damals ging es darum, uns zu beweisen. Jetzt wissen wir, wer wir sind. Wir müssen kein Publikum mehr erobern. Wachstum ist nicht wichtig", erteilte der charismatische Sänger strategischen Überlegungen eine Absage. "Es ging uns immer nur darum, die richtigen Leute für diese Musik zu finden. Ich glaube, das ist uns gelungen. Daher können wir auch völlig frei schreiben." Neues Material, gar ein neues Album sei in dieser Hinsicht kein Muss, sondern eine natürliche Entwicklung. "Wir müssen gar nichts, müssen keine Erwartungen erfüllen", lachte Van Eeckhout. Ein Zugang, der dazu führte, dass diese beim Konzert mit Leichtigkeit überboten wurden.

Dabei ist gerade das Livesetting für den Sänger eine zweischneidige Angelegenheit. "Es bringt unglaublich viel Stress mit sich", gab er sich selbstkritisch. "Mittlerweile wäre ich am liebsten unsichtbar. Ich weiß, dass wir eine Liveband sind und es bei uns um Intensität, um Lautstärke, aber auch die leisen Momente geht. Aber als Person bist du auf der Bühne sehr verwundbar." Wohl ein Grund, warum er fast das ganze Set über mit dem Rücken zum Publikum stand und am Ende seinen tätowierten Oberkörper wie eine Leinwand für die Projektionen nutzte. "Du willst da oben nicht versagen, niemanden enttäuschen. Das passiert aber zwangsläufig. Bei 30 Konzerten einer Tour kann nicht jedes perfekt sein."

Wenn Van Eeckhout in der Folge von Ehrlichkeit und Authentizität spricht, davon, dass er lieber den Kampf gegen das Versagen aufnimmt als den schönen Schein zu wahren und als Musiker etwas vorzutäuschen, nimmt man ihm jedes Wort ab. Amenra vermitteln das Gefühl, dass es in jeder Sekunde um alles geht. Die Lieder, die von Verlust und Trauer (oft), aber auch Wut und Zorn (mittlerweile etwas seltener) handeln, adressieren etwas ganz Universelles und wohl für jeden Nachvollziehbares. Sich so verletzlich zu zeigen, sei nur in der Konstellation mit Freunden möglich. "Wir haben die besten und die schlechtesten Momente von jedem von uns gesehen", nickte Van Eeckhout.

Möchte man unbedingt ein Haar in der Suppe finden, dann hätte man in Wien ganz einfach gerne etwas mehr gesehen und gehört. Ohne wirkliche Pause, pflügten sich die Musiker durch ein knapp 70-minütiges Set, das im Vergleich zu den vorangegangenen Auftritten der Tour von der Abfolge her ein wenig durcheinandergewürfelt wurde. Schließlich will man es frisch halten. Aber es soll Schlimmeres geben, als dass man sich nach dem Schlussapplaus gleich den nächsten Besuch von Amenra wünscht. Aus diesem Haus ist noch einiges zu erwarten - hoffentlich.

(Von Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - https://amenra.bandcamp.com)

BRÜSSEL - BELGIEN: FOTO: APA/APA/AF Cortes/AF Cortes

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