Ein bitterkalter Dienstag vor drei Wochen, da klopft es plötzlich an der Tür. Einer alten Tür mit Rissen und breitem Spalt, durch den der Wind pfeift, sobald er durch das Stiegenhaus fegt. Und durch die man mitten hinein in die beengten 23 Quadratmeter Privatleben dieser kleinen Familie schreitet, hier im 15. Wiener Gemeindebezirk. Mama und Papa liegen gerade mit ihrem kleinen Buben im Bett, alle kränkeln, die Grippe hat sie, draußen herrschen bittere Minusgrade. Pock, pock, pock, Faust auf Holz.
Wie aus dem Nichts, ganz plötzlich, werden die Eltern später erzählen, ohne Vorankündigung standen die fremden Menschen da. Der Vater öffnet - vor ihm drei Mitarbeiter des Jugendamts, einer sogar elegant im Anzug, dahinter griffbereit zwei Polizisten. Man habe ja nicht wissen können, wie aggressiv die Eltern womöglich reagieren würden, wird es später von offizieller Stelle heißen. "Guten Tag", sagt einer, "wir müssen Ihr Kind mitnehmen."
Die folgenden fünf Minuten können Sebastian K. (32) und Sibel E. (31), seit zehn Jahren ein Paar, im Nachhinein gar nicht mehr richtig rekonstruieren. Denn fünf Minuten sind es nur, ehe der einjährige Adrian*, lediglich mit Windel und einem Babybody bekleidet, ohne sein Winnie-Puuh- Kuscheltier und ohne die notwendigen Influenzamedikamente verschwindet. Vielleicht für lange Zeit, vielleicht für immer. Er weint nicht, schaut nur. Große, blaue Augen, genau wie die seines Vaters. Die Eltern dürfen ihn nicht mehr an sich drücken, es wird ein Abschied ohne Abschied. Dabei war Adrian noch nie länger ohne sie.
Fünf Minuten. Dann fällt die Tür ins Schloss, zurück bleiben nur zwei statt drei. Und ein gelbes Post-it mit einem Termin, hingekritzelt wie ein Befehl, kein offizielles Dokument, keine Erklärung. Adrians Mutter sackt schluchzend am Boden zusammen. Der Vater, IT-Techniker, meldet sich vorerst bei seinem Arbeitgeber ab. Da war zuerst nichts als Leere, erzählen sie.
Ohne Richterbeschluss
Eine Kindesabnahme ist das drastischste Mittel und einer der massivsten staatlichen Eingriffe. Vollzogen vom Jugendamt, hier dem Wiener Magistrat mit der Zahl 11, Amt für Jugend und Familie. In den meisten Fällen kommt diese Maßnahme bei Vernachlässigung oder psychischer bzw. körperlicher Gewalt zum Zug. Ein solcher Schritt steht nur dann zur Verfügung, wenn Gefahr im Verzug ist. Allerdings: Nirgends ist tatsächlich definiert, was das eigentlich konkret bedeutet. Das Jugendamt ist angehalten, immer erst die gelindesten Mittel auszuschöpfen, um problematischen Familien bei der Erziehung unter die Arme zu greifen, bevor zur Kindesabnahme gegriffen wird, und diese Verfahren möglichst kurz zu halten. Umso mehr, je jünger das Kind ist.
Adrian liebt seinen Winnie Puuh, ohne ihn kann er nicht einschlafen. Das Jugendamt hat ihn nicht mitgenommen. Die Mutter presst das Kuscheltier an ihre Nase. "Ich kann mein Baby wieder riechen, die ganze Zeit hab ich seinen Geruch gesucht!" Dann schluchzt sie, vergräbt ihr Gesicht, der Vater legt den Arm um die zierliche Frau. "Ich habe so Angst, dass ich sein erstes Wort oder die ersten Schritte verpasse", weint sie, "das kann man nie wieder nachholen."
Wie konnte es im Fall Adrian so weit kommen? Im Sommer vergangenen Jahres eskaliert ein Familienstreit mit Verwandten, die Kleinfamilie verliert ihre Wohnung und zieht vorübergehend in dieses Wohnhaus des Fonds Soziales Wien, in dem Sozialarbeiter als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Die Wohnsituation und der familiäre Konflikt sind belastend, sie haben nicht viel Geld, dennoch geben die Eltern ihr Bestes. Eine der Sozialarbeiterinnen hinterlässt im November eine Meldung beim Jugendamt, man möge doch mal vorbeischauen, die Mutter wirke überfordert. Kurz darauf meldet auch eine Nachbarin, zu der sie allerdings in einem angespannten Verhältnis leben, eine Überlastung. Zwei Tage vor der Kindesabnahme gibt es einen dritten Hinweis, via Telefon, nun aus der Verwandtschaft, zu der jedoch kaum Kontakt besteht. Adrians Eltern werfen der Behörde vor, dass nie tiefgreifend geprüft worden sei, inwieweit diese Vorwürfe zutreffen und von welcher Seite diese überhaupt stammten. Sie sehen sich durch die Intervention des Jugendamtes mit einer voreiligen und auf Spekulationen gestützten Erziehungsmaßnahme konfrontiert.
Laut des Aktes, dessen Kopie News vorliegt und der die Beobachtungen der MA 11 seit Ende November dokumentiert, sei Adrian stets "in guter Verfassung", "gepflegt", "unproblematisch", "ohne Auffälligkeiten" und "fröhlich" angetroffen worden, die Wohnung wirke zwar "chaotisch", jedoch "nicht schmutzig", die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen seien komplett auf Stand. Der Vater verhalte sich "ruhig" und suche erfreulicherweise nach einer größeren Wohnung. Die Mutter aber mache einen "misstrauischen und psychisch instabilen Eindruck", wolle "nichts mit Ämtern zu tun haben", bestehe darauf, "eine gute Mutter" zu sein, und wolle keine Hilfe. Noch Ende Dezember wird festgehalten: "Mutter ist zuwendend. Fröhliches Kind. () Kein Hinweis auf Vernachlässigung oder Misshandlung."
Im Jänner und Februar dieses Jahres sagt die Mutter dann zwei Termine mit der mobilen Elternberatung ab und ist offenbar mehrmals am Handy nicht sofort erreichbar, bei einem Treffen beschreibt sie die zuständige Mitarbeiterin als ihr gegenüber "sehr hektisch und abweisend", das Kind mache aber weiterhin einen sehr positiven, geliebten Eindruck. Trotzdem kommt es nur wenige Tage später, am 20. Februar, zur Kindesabnahme.
MA 11 ortete Gefährdung
News konfrontierte die MA 11 mit der Causa. Die Jugendamtssprecherin Herta Staffa beharrt dabei auf einer gravierenden familiären Gefährdungslage. Die Mutter schreie zu viel und leide womöglich an einer psychischen Erkrankung. Außerdem verwehre sie sich gegen psychiatrische Untersuchungen. Dieses Verhalten wirke sich schädlich auf das Kind aus, sodass man direkt eingreifen habe müssen. Die schriftliche Stellungnahme drückt sich noch vager aus: "Insgesamt lag eine hochgradig unklare und in ihrer Gesamtheit uneinschätzbare Gefährdungsvermutung vor, die die Krisenunterbringung notwendig machte." Dass der Vater in Karenz gehen wolle, habe man bis dato leider nicht gewusst. Auf die Frage, ob es dabei vertretbar sei, Kleinkinder nahezu unbekleidet in die Eiseskälte zu tragen, erwidert die Sprecherin, es sei "sicher ein Taxi bereitgestanden", und darauf, inwiefern die Auffälligkeitsmeldungen ausreichend auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft worden seien, antwortet sie: "Ich weiß nicht, welche Prüfung Sie sich da erwarten." Adrians Eltern müssten einsehen, dass sie Hilfe brauchen: "Manche Leute verstehen erst, wenn man deutlicher wird, dass Feuer am Dach ist."
"Nicht rechtsstaatlich"
Hat das Jugendamt Adrian seinen Eltern zu rasch abgenommen? Hätte es den Fall besser prüfen müssen? Reichen derart unklare Verdachtsmomente für einen so drastischen Schritt aus? Und wer kontrolliert eigentlich die Behörde?
Michael Hasenöhrl ist erfahrener Familienanwalt in Wien. "Meiner Einschätzung nach wird bei solchen Verfahren auf Jugendamtsseite oft intransparent gearbeitet, ohne Vorwarnungen, und wenig bis gar nicht mit den betroffenen Eltern kommuniziert." Ungewöhnlich kurze Äußerungsfristen seien typisch, oft werde Akteneinsicht verweigert. "Bei jedem normalen Gerichtsverfahren erhält man die, aber bei Kindesabnahmen wird gemauert, es gibt kein formales Verwaltungsverfahren, keine Rechtsmittel. Das hat System und ist nicht rechtsstaatlich." Er konstatiert einen "äußerst unterentwickelten Rechtsschutz". Ohne einen beharrlichen Anwalt und - oft um die 4.000 Euro - teure Gutachten habe man als Normalbürger eigentlich keine Chance. Auch Adrians Eltern erhalten trotz wiederholter Anfragen auffälligerweise erst Akteneinsicht, nachdem News den Fall recherchiert und die MA 11 zur Stellungnahme auffordert.
Liste Pilz will Untersuchung
Kritik an der Art und Weise, wie Jugendämter Kindesabnahmen durchführen, wurde immer wieder geäußert -und von den zuständigen Stellen regelmäßig zurückgewiesen. Die Liste Pilz will die Problematik nun auf die politische Ebene heben und hat eine parlamentarische Anfrage angekündigt. Klubdirektorin Barbara Beclin, karenzierte Assistenzprofessorin an der Universität Wien und Spezialistin für Familienrecht, beschäftigt sich seit Jahren damit. "Es ist ein Bereich, in dem die Rechtsstaatlichkeit versagt", konstatiert auch sie. "Bis in die 1980er-Jahre hatten alleinerziehende Mütter nicht automatisch die Obsorge für ihre Kinder, sondern das Jugendamt übernahm deren gesetzliche Vertretung. Man hat das Gefühl, dass diese historisch starke Stellung des Staates gegenüber Frauen, die nicht dem gesellschaftlichen Wunschbild entsprechen, immer noch nachwirkt."
Ihrer Beobachtung nach sind nämlich vor allem Alleinerzieherinnen, sehr junge Mütter, ausländische Familien oder Arme von plötzlichen, unverhältnismäßigen Interventionen des Jugendamtes betroffen. "Ich spreche nicht von Gewalt-oder Missbrauchsfällen, bei Gefahr im Verzug kann man natürlich nicht warten." Doch bei mehr als der Hälfte der Kindesabnahmen, so Beclin, gehe es um ganz andere Probleme, sogenannte "Verwahrlosung": Schulden, zu wenig Wohnraum, überforderte Erziehungsberechtigte. "Diesen bestimmten Gruppen werden die Kinder offensichtlich immer wieder zu früh abgenommen, obwohl es andere Maßnahmen gäbe." Die Juristin führt das vor allem auf fehlende Ressourcen zurück. In vielen Fällen, in denen sich die Zusammenarbeit mit Eltern mühsam gestalte, werde daher auch nicht die Gefährdung des Kindes, sondern mangelnde Kooperation der Eltern bei der Gefährdungsabklärung als Begründung für die Kindesabnahme angeführt.
Bis heute haben sich weder Sozialarbeiter noch Psychologen der MA 11 oder des Fonds Soziales Wien bei den Eltern gemeldet, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen und weitere Schritte zu beratschlagen. Viele Mails blieben unbeantwortet. "Wir haben den Eindruck, dass hier auf Verzögerung gespielt wird, jede Nachfrage gilt sofort als Inkooperation", kritisiert der Vater. Eltern erhalten in solchen Fällen keinerlei Kenntnis über Aufenthaltsort und Betreuungspersonen des Kindes.
45 Minuten Kindeskontakt
Acht Tage nach jenen einschneidenden fünf Minuten dürfen Sibel E. und Sebastian K. ihren Sohn zum ersten Mal sehen. 45 Minuten lang. Sie haben nachts fast nichts geschlafen, ihre Gesichter sind blass. Adrian trägt fremde Kleidung und ist anders als sonst. "Er ist distanzierter, ich weiß auch nicht, es tut weh", sagt Sebastian K.
Der neue Pflegevater -seinen Namen erfahren sie nicht -stößt für einen kurzen Moment dazu, zum ersten Mal lernen Adrians Eltern ein Gesicht aus seinem neuem Leben kennen. Dieser fragt sie, wieso Adrian denn die Babymilch verschmähe, sofort klären ihn die Eltern detailliert über Adrians Lieblingsmilchsorte und die präferierte Zubereitungsweise auf. Anschließend reagieren sie fassungslos: Warum hat niemand bei ihnen die Trinkgewohnheiten ihres Kleinkinds erfragt -seit mehr als einer Woche? Auch bei diesem Besuch spricht keiner der Anwesenden mit ihnen. Keiner fragt, wie es ihnen geht, keiner hört zu, keiner berät sie. Als sie heimgehen, ist die Körperspannung aus ihnen gewichen, man könnte fast meinen, sie kröchen gebückt durch die kalten, grauen Straßen Wiens. "Seltene, kurze Kontaktbesuche haben System", bestätigt Jurist Hasenöhrl. "Die faktische Methode ist, das Kind von den Eltern zu entfremden, damit es leicht in Pflege gegeben werden kann."
Wird mit raschen, undurchsichtigen Kindesabnahmen auch ein Markt bedient? Die große Nachfrage nach Pflegekindern könnte, "vielleicht unbewusst", eine Rolle spielen, sagt Beclin. "Es gibt eine immense Nachfrage nach unter dreijährigen Pflegekindern. Es könnte diese Leichtfertigkeit bei der Abnahme eines Kindes befördern, wenn man weiß, dass man es gut unterbringt." Um diese Art der Adoption durch die Hintertür gut über die Bühne zu bringen, werde der Kontakt zu den leiblichen Eltern oft unterbunden. "Es wird dann argumentiert, man könne das Kleinkind, selbst wenn es zu Unrecht abgenommen wurde, leider nicht mehr zurückgeben, weil es sich ja nicht mehr an die leibliche Mutter erinnere. Der Zustand wird zementiert, obwohl man zugibt, dass er unter Umständen rechtswidrig war." Die MA 11 äußerte sich nicht zu diesen Vorwürfen.
Fall Katharina
Ihm sei seine Tochter "gestohlen" worden, sagt Walter Leisser. Der pensionierte Nachrichtentechniker hat bereits vier erwachsene Kinder, die er teils alleine großgezogen hat, seit zwölf Jahren ist er mit Tatyana verheiratet. Tochter Katharina kam im Juli 2010 auf die Welt. Im Alter von drei Jahren sollte die Kleine in einem Wiener Kindergarten beginnen. Die Leissers waren nicht zufrieden mit der Kindergartenleitung, erzählen sie freimütig, mit der Art der Eingewöhnung, mit dem Essen, den hygienischen Standards. Lästige Eltern, wenn man so will, die überzeugt waren, selbst am besten zu wissen, was für ihr Kind gut ist. Relativ bald wurde vom Kindergarten das Jugendamt eingeschaltet, eine Psychologin attestierte dem Kind psychische Probleme. Zwei Ärzte, die Walter und Tatyana konsultierten, kamen freilich zu ganz anderen Ergebnissen: Katharina sei unauffällig und in ihrer Familie gut aufgehoben. Diese Atteste liegen News vor.
Das Jugendamt legte daraufhin einen "Arbeitsplan" vor: Familie Leisser sollte zwei Jahre mit der Behörde kooperieren, unangemeldete Besuche akzeptieren etc. Sie lehnte das ab. Im Nachhinein ein fataler Fehler. Die Kontaktaufnahmen durch das Jugendamt hielten an. Im November 2016, Katharina war frisch eingeschult, wurde das Mädchen plötzlich vom Jugendamt abgeholt. Die Eltern seien nicht erziehungsfähig, hieß es. Eine kleine Gesichtsverletzung, die sie sich laut ihren Eltern im Urlaub zugezogen hatte, sei angeblich von der Mutter verursacht worden. Katharina kam sechs Wochen in ein Krisenzentrum, die Eltern durften sie nur eine Stunde pro Woche besuchen, der Mutter wurde es verboten, in ihrer Muttersprache, Russisch, mit dem Kind zu sprechen.
Seit einem Jahr lebt die mittlerweile Siebenjährige in einem Heim an der burgenländisch-ungarischen Grenze. Tatyana und Walter haben seitdem jeden Besuchstag wahrgenommen, trotz der langen Anfahrt. Ursprünglich durften sie Katharina nur an Sonntagen sehen. Brisant: An Sonntagen gibt es nicht einmal eine öffentliche Verbindung in die 900-Einwohner-Gemeinde. Man kann nur mit dem Auto anreisen.
Katharina könnte bald wieder zu Hause bei ihren Eltern sein, die seit mittlerweile eineinhalb Jahren mit Hilfe eines Anwalts um ihre Tochter kämpfen. "Gegen ein korruptes System", wie sie sagen, dem sie und viele andere völlig hilflos gegenüberstünden. Als das Mädchen wegkam, sagte man ihnen: "Suchen Sie sich ein neues Hobby, Katharina kommt ins Heim."
Horrende Unterhaltskosten
Mit Heimkindern wie ihrem werde viel Geld gemacht: "Der Heimplatz kostet 200 Euro am Tag, das sind 6.000 Euro im Monat. Es ist doch offensichtlich, dass irgendjemand davon profitiert", so der Vater. Er will klagen.
Auch Adrians Eltern fischen eines Morgens, wenige Tage nach der Kindesabnahme, eine Rechnung aus dem Postkasten: 1.040 Euro monatlich seien für die Fremdbetreuung aufzubringen, teilt das Jugendamt mit. "Das treibt uns in den finanziellen Ruin", sagt der Vater. Aufgrund der Kindesabnahme und eines somit nicht mehr vorhandenen Kindes entfallen nun allerdings Karenzgeld der Mutter und Familienbeihilfe. "Wir haben es mit einem System zu tun, das Familien nicht nur emotional, sondern auch finanziell nachhaltig schädigt", sagt Anwalt Hasenöhrl.
Politische Forderungen
Mag sein, dass Adrians Eltern nicht dem gesellschaftliche Norm-oder Idealbild entsprechen. Mag sein, dass es Probleme gibt. Aber gibt das der Behörde das Recht, ein Kind einfach mitzunehmen? Barbara Beclin und Maria Stern, Frauensprecherin der Liste Pilz, wollen gegen diese Missstände vorgehen. Betroffene Familien können sich an Stern wenden. Die Politikerinnen fordern rechtliche Änderungen, vor allem, dass der Kontakt zu den leiblichen Eltern bestehen bleibt. Und dass Armut generell bekämpft wird. Maria Stern sagt: "Armut darf kein Grund für Kindesabnahmen sein. Ich finde es wirklich absurd, dass der Staat nichts gegen Kinderarmut tut, aber die Menschen dann dafür bestraft, indem er ihnen -den Anschein hat es - die Kinder dafür abnimmt."
In den Ohren der betroffenen Eltern aus der kleinen Wohnung im 15. Bezirk dürfte die Aussage seitens der MA-11-Sprecherin, dass ja schließlich im Moment -ohne Kindesbetreuung -"immerhin keine Belastung" mehr vorherrsche, angesichts der neuen Schwierigkeiten beinahe obszön klingen. Der Obsorgeantrag des Jugendamtes liegt nun beim Pflegschaftsgericht. Auf Antrag der Eltern muss das Gericht binnen vier Wochen über die Rechtmäßigkeit der Kindesabnahme vorläufig entscheiden. Danach kann das Verfahren noch Jahre dauern. "Ich weiß nicht, wie ich überhaupt die nächste Woche ohne mein Baby ertragen soll", sagt Adrians Mama.
Dieser Artikel erschien im News-Magazin 11/2018.