Ein Buch, das mitten aus dem Leben gegriffen scheint, und in dem man vieles wiedererkennt, das einen selbst beschäftigt oder doch zumindest sehr bekannt vorkommt? Will man das lesen, oder ist man davon genervt? Kommt ganz darauf an.
von
Zwischen Herzklopfen und Selbstbestimmung
Da spielen viele Faktoren eine Rolle. "Ja, nein, vielleicht", könnte man die Uneindeutigkeit zusammenfassen. Genauso heißt auch der neue Roman von Doris Knecht. Und soll man den lesen? Ja, klar, unbedingt.
Die titelgebende unentschlossene Antwort des Buches bezieht sich auf die Frage, die sich die Ich-Erzählerin stellt, als sie einen Freund von früher trifft und dabei reagiert wie einst: mit Herzklopfen, Schmähführen und Gedanken, die immer wieder zu ihm wandern. Er ist wieder "frei" und wohnt gar nicht weit weg vom Waldviertler Refugium, auf das sich die Mittfünfzigerin zurückgezogen hat. Doch eigentlich genießt die Protagonistin das Alleinsein und ihre Ruhe, hat ihre Gewohnheiten und muss angenehmerweise auf niemanden Rücksicht nehmen. Soll sie das alles noch einmal für einen Partner aufgeben? Ist es das wert? Knecht, Jahrgang 1966, macht diesen Zwiespalt mit viel Witz anschaulich. Immer wieder blickt sich die Verliebte in ihrer gewohnten Umgebung um: Passt da überhaupt jemand anderer ins Bild? Und wo wäre sein Platz?
Alltag, Altern und Zahnschmerz
Rund um dieses Hauptmotiv passiert ganz schön viel, und Leserinnen und Leser von Knechts Kolumnen wird einiges davon bekannt vorkommen. Es ist der Alltag einer Frau im "mittleren Alter", die sich darauf eingestellt hat, dass manches hinter ihr und wohl noch einiges vor ihr liegt. Vermutlich der körperlich beschwerlichere Teil nämlich. Sinnbild dafür wird ein sie plagender Zahnschmerz und die für sie niederschmetternde Diagnose einer lange unbehandelten Parodontitis. Die Zahnärztin stellt trocken fest: Der bröckelnde Zahn ist nicht mehr zu retten. Die Patientin ist entsetzt: Der Verfall hat begonnen!
Krisen, Familie und menschliche Überraschungen
Dabei haben andere deutlich existenziellere Probleme. Eine ihrer vier Schwestern etwa nimmt ihre Stadtwohnung in Beschlag und hat mitten in einer Ehekrise offenbar deutlich weniger Skrupel, einen anderen Mann in ihr Leben zu lassen. Zum Durchatmen für zwischendurch. Ja und dann gibt es noch die Natur und den Starkregen und die Flut und die Erfahrung, dass Menschen in Krisenzeiten mitunter ganz anders reagieren, als man es von ihnen erwarten würde. Positive und negative Überraschungen beschleunigen nicht nur Erkenntnisprozesse, sondern auch die Antwort auf manche Lebensfrage.
"Ja, nein, vielleicht" ist ideale Sommerlektüre. Leicht und locker zu lesen, mit einer sympathischen Hauptfigur und manchem Anstoß zum Weiterdenken über Leben, Liebe, Freundschaft und die Aussichten des Alters. Dafür soll man ja am Strand oder in den Bergen doch mehr Zeit aufbringen können als mitten im alltäglichen Arbeitsstress. Dass die Entstehung des Buches gleich selbst mit eingearbeitet ist, inklusive Auseinandersetzung mit der Lektorin und Überarbeitung einer Passage, ist Teil eines literarischen Spiels, mit dem Knecht beiläufig zu verstehen gibt: Ich könnte auch anders. Der Leser jedoch ist zufrieden: Passt doch eh!
Leichte Sommerlektüre mit klugen Untertönen
"Ja, nein, vielleicht" ist ideale Sommerlektüre. Leicht und locker zu lesen, mit einer sympathischen Hauptfigur und manchem Anstoß zum Weiterdenken über Leben, Liebe, Freundschaft und die Aussichten des Alters.
Dafür soll man ja am Strand oder in den Bergen doch mehr Zeit aufbringen können als mitten im alltäglichen Arbeitsstress. Dass die Entstehung des Buches gleich selbst mit eingearbeitet ist, inklusive Auseinandersetzung mit der Lektorin und Überarbeitung einer Passage, ist Teil eines literarischen Spiels, mit dem Knecht beiläufig zu verstehen gibt: Ich könnte auch anders. Der Leser jedoch ist zufrieden: Passt doch eh!

Ja, nein, vielleicht
Von Wolfgang Huber-Lang/APA | SERVICE - Doris Knecht: "Ja, nein, vielleicht", Hanser Berlin, 240 Seiten, 24,70 Euro, erscheint am 22. Juli | WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA / Hanser Berlin/Hanser Berlin
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