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"Eine Nacht mit Venus - ein Leben mit Quecksilber", lautet der Titel der wissenschaftlichen Publikation, die jetzt in der "Wiener klinischen Wochenschrift" im Druck herausgekommen ist. Lisa Fischer vom Institut für Analytische Chemie der Universität für Bodenkultur in Wien und Co-Autoren der MedUni Innsbruck und federführend auch mit dem Wiener Gerichtsmediziner Christian Reiter haben ihre Untersuchungen unter Verwendung der modernsten Laborverfahren durchgeführt: "Proben von drei Haarsträhnen Franz Schuberts, deren Authentizität aufgrund ihrer gut dokumentierten Herkunft und der bis heute gültigen Beweiskette sehr wahrscheinlich ist, wurden molekularbiologisch und auf ihren Schwermetallgehalt untersucht."
Zwei der drei Haarproben stammten laut den molekularbiologischen Untersuchungen bestimmt von einer Person. In den Haaren der dritten Probe, erst 35 Jahre nach der Beerdigung des genialen Musikers bei einer Exhumierung entnommen, konnte keine verwertbare DNA mehr identifiziert werden, stellen die Fachleute fest. Die untersuchten Locken stammten aus Privatbesitz bzw. aus dem Besitz der Wiener Stadtbibliothek (Leihgabe an Schubert-Gedenkstätte in Schloss Atzenbrugg in Niederösterreich).
Schubert, geboren am 31. Jänner 1797, starb am 19. November 1828 in der Wohnung seines Bruders Ferdinand in Wien-Wieden. Als Todesursache wurde "Nervenfieber" angegeben. Damals war das ein Synonym für Typhus. Doch es gab seither die verschiedensten Untersuchungen und auch Spekulationen über seinen Gesundheitszustand bzw. die Todesursache.
Die Autoren der Studie verwendeten für die Bestimmung der Schwermetallbelastung die sogenannte Sektorfeld-Massenspektrometrie, wobei das Probenmaterial aus wenigen Haaren per mikroskopisch feinem Laser gewonnen wurde. Zum Vergleich herangezogen wurden auch die Messergebnisse von Kontrollpersonen.
Raucher haben höhere Quecksilber- und Bleibelastungen. Bei Franz Schubert muss die Sache aber anders gelagert gewesen sein. Die Wissenschafter: "Vermutlich rauchte Franz Schubert gelegentlich Pfeife. Allerdings lassen sich die in seinen Haaren festgestellten relativen Konzentrationen von Quecksilber und Blei, die im Vergleich zu den Kontrollpersonen bis zu 50- bzw. 2.000-mal höher waren, nicht allein durch den Tabakkonsum erklären."
Die Erklärung liegt offenbar auf anderer Ebene. "Quecksilber und quecksilberhaltige Verbindungen wurden vom 16. bis ins frühe 20. Jahrhundert medizinisch zur Behandlung von Syphilis-Infektionen eingesetzt. Zu Schuberts Zeiten war die Syphilistherapie mit Quecksilbersalben (in Fett fein verteiltes metallisches Quecksilber) weit verbreitet und wurde auch im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien praktiziert. Bei dieser Behandlung in geschlossenen, unbelüfteten und warmen Räumen wurde der elementare Quecksilberdampf, der aufgrund der Flüchtigkeit des Elements auch bei (höheren) Raumtemperaturen entsteht, eingeatmet, von der Lunge aufgenommen und in die Blutbahn verteilt. Vergiftungserscheinungen wie vermehrter Speichelfluss wiesen damals auf die Wirksamkeit der Therapie hin", stellen die Autoren fest. In Briefen von Freunden Schuberts wurde 1823 auf einen Aufenthalt des Komponisten im Wiener Allgemeinen Krankenhaus wegen "Hautproblemen" angespielt.
Aufgenommenes Quecksilber gelange in die Haarfollikel und würde dann an Haarproteine gebunden. Gerade deshalb seien Haare aussagekräftige Biomarker für Schwermetallbelastung, schreiben die Wissenschafter. Das Haarwachstum von rund einem Zentimeter pro Monat erlaubt auch eine zeitliche Beurteilung. Fazit der Experten: "Die gleichmäßige, aber im Vergleich im Durchschnitt 50-fache Quecksilber- und bis um das 2.000-fache erhöhte Bleikonzentration in Schuberts Haaren in den letzten zehn Monaten vor seinem Tod deuten auf eine massive Schwermetallbelastung Jahre vorher und deren langsame Ausscheidung hin." Das diagnostizierte "Nervenfieber" als Todesursache müsse auch mit Hinblick auf mögliche Auswirkungen der Schwermetallbelastung auf die körpereigene Abwehr und das Blutbild gesehen werden.
Am ehesten sei dafür jedenfalls eine vorangegangene Syphilisbehandlung die Erklärung. "Nervenfieber" habe man zu Schuberts Zeit nicht mit Quecksilber behandelt. Die Laboruntersuchungen ergaben auch keinen Anstieg der Konzentration an den Schwermetallen an den untersten, also jüngsten Haarabschnitten. Das Blei wiederum könnte aus zu Beginn des 19. Jahrhunderts verwendeten und lokal angewendeten Desinfektionsmitteln gestammt haben.
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/SCHubert200/SCHubert 200