von
Die Autorin wurde 1995 in Wien geboren und studierte Sprachkunst/Literarisches Schreiben und Vergleichende Literaturwissenschaft in Wien und Leipzig. Ihr Buch startet jedoch auf einem Bauernhof in Norddeutschland. Wenn man Kindern ein Schlaflied singt oder einander beim Dreschen anfeuert, geschieht das offenbar auf Plattdeutsch: "Speck an de Supp." Es sind nicht die einzigen Irritationen, die Anna Maschik eingebaut hat. Diese machen das Buch zu einem kleinen Leseabenteuer und verhindern zwar, dass man wirklich in die sich über mehrere Generationen erstreckende Geschichte eintaucht, zeugen aber anderseits vom intelligent eingesetzten Formungswillen der Autorin.
Es sei ihr um die Annäherung und Aufarbeitung ihrer eigenen Familiengeschichte gegangen, erzählt Anna Maschik in einem Verlagsinterview. Eine Anna taucht auch immer wieder auf, wenn neues Leben beginnt - als Dorfhebamme, die als einzige über die vergehenden Jahrzehnte kaum zu altern scheint. Doch sie ist nicht nur wie die Autorin Geburtshelferin der Figuren, sondern steht auch für Gegenteiliges zu Verfügung. Eine gescheiterte Abtreibung per Stricknadel ist eine der härtesten Szenen des Buches - und der Grund dafür, dass es die Autorin gibt, "weil aus dem sturen Embryo meine Mutter wird".
Es gibt aber auch die Gegenfigur Nora. Die "Leichenfrau" sorgt dafür, dass die Toten für die Beerdigung hergerichtet werden. Wenn sie erscheint, und sei es nur als vage, dunkle Silhouette in der Zimmerecke, dann ist das Ende nahe. Manchmal schlägt das Leben dem Tod jedoch ein Schnippchen - dann öffnet ein Neugeborenes seine Augen nicht gleich, sondern schläft einmal 15 Jahre durch, ehe es aufsteht und als Teenager sein Leben beginnt, der sprechen, gehen und denken offenbar im Schlaf gelernt hat. Maschiks Geschichte hat immer wieder Abzweigungen ins Märchenhafte und Mystische. Das liest man gerne, denn meist geht es ganz realistisch um das Beschwerliche der Frauenleben in den unterschiedlichsten Generationen.
"Dem Geschäft jedoch erging es erst einmal schlecht, so schlecht wie der Beziehung und der Monarchie", heißt es dann etwa lapidar, oder: "An der Universität gibt Miriam sich nicht allzu viel Mühe, da das Studium nach der Revolution ohnedies überflüssig sein wird. Oder nach der Heirat, je nachdem, was früher passiert." Das Buch beginnt bei Urgroßmutter Henrike und geht über Großmutter Hilde und Mutter Miriam hinunter zu Alma.
Auch geografisch geht es "hinunter", in den Süden. Verantwortlich ist der aus Österreich stammende Wehrmachtssoldat Konrad, der im Norden stationiert ist und die 17-jährige Hilde mit dem berühmten "Faust"-Zitat ("Schönes Fräulein, darf ich wagen ...") anspricht. "Hilde, die das Zitat nicht kennt, denkt, wie schön er sprechen kann, und lässt sich von ihm nach Hause begleiten." Als Konrad von der Front heimkehrt, wartet nicht nur Hilde, sondern auch das Söhnchen Wolfgang auf ihn. Die junge Familie zieht nach Österreich, und die dort folgenden Erfahrungen werden parallel geführt - ein Kunstgriff, den Maschik mehrere Male gekonnt einsetzt: "In der ersten Nacht im neuen Zuhause wird Hilde klar, dass sie mit einem Fremden gegangen ist." - "In der ersten Nacht mit Hilde wird Konrad klar, dass er sich eine Fremde ins Haus geholt hat."
Die prägnantesten Eingriffe in die fortlaufende Erzählung sind aber immer wieder eingestreute Listen, die das zuvor Angesprochene vertiefen oder absurd überhöhen - vom Inhalt der schwarzen Tasche der Hebamme Anna (diese Liste reicht vom Aortenkompressorium bis zu Zuckerampullen und wird konterkariert mit dem, "was sich nicht in Annas schwarzer Tasche befindet: Das Kind") über "Dinge im Haus der Großmutter, die wie Hühner aussehen" bis zu "Warum es dieses Buch gibt". Diese Liste endet mit "Wegen allem, was zuvor geschah. Danke." Nicht enthalten ist eine Liste, warum es gut ist, dass es dieses Buch gibt. Sie könnte beginnen mit: Weil die Autorin für ein uraltes Genre eine erfrischende Erzählweise gefunden hat. Und enden mit: Weil der böse Wolf darin vorkommt und man sich vor ihm tatsächlich auch ein wenig fürchten muss.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Anna Maschik: "Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten", Luchterhand Literaturverlag, 240 Seiten, 23,70 Euro; Buchpräsentation am Freitag, 26.9., 19 Uhr, im Literaturhaus Wien, Wien 7, Seidengasse 13)
Wenn du es heimlich machen willst musst du die Schafe toeten von Anna Maschik