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"Musste 18 Kilo runterhungern"

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Antonia Campbell-Hughes
©Bild: DPA/Sebastian Kahnert

NEWS sprach Exklusiv mit der Kampusch-Darstellerin Antonia Campbell-Hughes.

Die acht Jahre, die Natascha Kampusch bei ihrem Peiniger Wolfgang Priklopil erdulden musste, sind jetzt zum packenden Film geworden. Am 25. Februar ist die Premiere in Wien. Wie die Darstellerin des gequälten und erniedrigten Opfers an ihre psychischen und physischen Grenzen ging. Antonia Campbell-Hughes traf NEWS zum exklusiven Interview.

NEWS: Was hat Sie an der Rolle der Natascha Kampusch fasziniert, als Sie sie angeboten bekommen haben?
Campbell-Hughes: Von dem Moment an, als ich das Drehbuch in Händen hielt, hat es mich tatsächlich nicht mehr losgelassen. Es ist mir unter die Haut gegangen, und ich wollte die Rolle mit jeder Faser meines Herzens. Denn ich will zeigen, wie ein Mensch die Kraft aufbringen kann, ein derartiges Martyrium zu überleben. Die Geschichte von Natascha Kampusch ist für mich die Story einer Heldin.

NEWS: Erstmals wird in dem Film auch die sexuelle Beziehung von Natascha Kampusch zu ihrem Peiniger Wolfgang Priklopil gezeigt. Warum?
Campbell-Hughes: Wir haben lange darüber diskutiert, wie wir diese intimen Szenen anlegen sollen und ob wir sie überhaupt zeigen sollen. Die Szenen sind sehr gefühlvoll angelegt, ich glaube nicht, dass daran etwas abstoßend ist. Auch wenn wir keine Dokumentation, sondern einen Kinofilm gedreht haben, ging es uns darum, so realitätsnah wie möglich zu zeigen, was in dem Keller wirklich passiert ist.

NEWS: Haben sich die beiden Ihrer Meinung nach auch geliebt?
Campbell-Hughes: Dazu muss man sich vorstellen, dass diese zwei Menschen sich über Jahre extrem nahe waren. Ich meine, dass es hier eine Art Übereinkunft gab und vielleicht sogar eine Art von ­Liebe. Aber es geht hier nicht um Liebe zwischen Mann und Frau im herkömmlichen romantischen Sinn. Natascha war sich die ganze Zeit über sehr klar, was richtig und was falsch ist. Aber jedes menschliche Wesen braucht Kontakt zu an­deren. Da nimmst du eben, was du bekommen kannst. Ganz einfach, weil du es brauchst. Es ist hier eine Gratwanderung zwischen Liebe und einer gewissen Art von Behaglichkeit, die wir Menschen zum Leben brauchen.

NEWS: Haben Sie mit Natascha Kampusch über diese Szenen gesprochen?
Campbell-Hughes: Nein, wir hatten bisher noch gar keinen Kontakt. Ich werde sie erst bei der Premiere des Films kennenlernen. Die Natascha von damals, die gibt es heute ja nicht mehr. Und ich wollte im Film nur jene psychisch unglaublich ­starke Natascha zeigen, die als Kind entführt und gepeinigt wurde, acht Jahre im Verlies leben musste und es geschafft hat, das zu überleben. Das wollte ich nicht durch ein Treffen mit der Natascha von heute, die sich seither sicherlich enorm verändert hat, überlagern. Diese Distanz war mir wichtig.

NEWS: Was waren für Sie die schwierigsten Szenen im Film?
Campbell-Hughes: Das war die physische, aber auch psychische Gewalt, die Natascha angetan wurde. Es war teilweise eine ganz einfache Art des Missbrauchs, die der Täter angewendet hat. Er schrie beispielsweise oft ununterbrochen: Gehorche! Gehorche! Gehorche! Alleine diese Szenen zu spielen hat unglaublich viel Kraft gekostet. Diese Art der Gewalttätigkeit ist teilweise schlimmer als körperliche Gewalt.

NEWS: Warum zeigen Sie sich im Film auch immer wieder nackt?
Campbell-Hughes: Hier geht es nicht darum, die Rolle besonders sexy anzulegen. Es war so, dass Natascha ganz einfach in ihrem Verlies oft nackt war. Kleidung ist auch der Ausdruck der Persönlichkeit. Auch das wurde ihr genommen. Außerdem ist sie in der Zeit vom Kind zur Frau herangewachsen. Wie unangenehm sich das oft anfühlt, weiß jede Frau, jedes junge Mädchen. Diese Situationen, in denen als ich zum ersten Mal dort hineingekrochen bin. Es war wie ein Schock. Es raubt einem förmlich die Luft. Man bekommt Gänsehaut, wenn man sieht, wie klein der Raum ist, in dem sie jahrelang gelebt hat. Ich konnte dort nicht aufrecht stehen, musste immer gebückt sein. Am Ende hatten die gesamte Crew und ich unglaublich viele blaue Flecken, weil wir uns so oft den Kopf angestoßen haben. Dazu kommen eine gebrochene Zehe, eine angeknackste Rippe und diverse weitere kleine Verletzungen, die alle entstanden sind, weil es so eng in unserem nachgebauten Verlies war.

NEWS: Meinen Sie, dass Natascha Kampusch eines Tages ein ganz normales Leben führen und vielleicht sogar wirklich lieben kann? Oder wurde das durch ihre Vergangenheit unmöglich gemacht?
Campbell-Hughes: Ich hoffe sehr, dass sie die Liebe findet. Und ich hoffe, dass der Film dazu beiträgt, dass die Menschen ihr gegenüber mehr Respekt aufbringen. Die meisten von uns hätten nie die Stärke und den Charakter, das zu überleben, was sie durchmachen musste. Ich hoffe, Natascha wächst an all dem und dass es ihr gelingt, wie eine Blume aufzublühen.

NEWS: Hätten Sie es überlebt?
Campbell-Hughes: Oh Gott, da bin ich mir nicht sicher, ob ich diesen Überlebenswillen gehabt hätte. Ich hoffe es, aber ich fürchte mich auch vor dem Gedanken, das bis zum Ende durchdenken zu müssen.

Autorin: Iris Brüggler

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